Recht und Kapitalmarkt

Das Bad-Bank-Gesetz im Praxistest

Hauptproblem: Bewertung der strukturierten Wertpapiere - Die Zeit drängt: Sechsmonatige Antragsfrist für die Übertragung

Das Bad-Bank-Gesetz im Praxistest

Von Burghard Hildebrandt und Uwe Müller *)Das sogenannte Bad-Bank-Gesetz steht nach dem Beschluss des Bundestags vom 3. Juli unmittelbar vor seiner Anwendung in der Praxis. Die als sicher geltende Zustimmung des Bundesrats ist für den 10. Juli vorgesehen. Im Vergleich zu den Gesetzentwürfen vom Mai und Juni enthält das Gesetz einige Neuerungen: So besteht etwa im Rahmen der zwei Grundmodelle der Bad Bank, Zweckgesellschaft und Anstalt, für Letztere nunmehr die Möglichkeit, sie in der Form einer Bundes- oder Landesanstalt zu errichten.Verändert wurde auch die Haftung der Sparkassen innerhalb des Anstaltsmodells. Neu ist auch die Überprüfung der Verlustanfälligkeit der Banken im Stresstest nach den Vorgaben des Soffin als Voraussetzung für die Übertragung von strukturierten Wertpapieren auf die Zweckgesellschaft. Variabel wurde auch die Berechnungsgrundlage des Übertragungswerts geregelt. Der von der EU-Kommission geforderte 10 %-Abschlag kann nunmehr wahlweise auf den Buchwert vom 30. Juni 2008 oder 31. März 2009 erfolgen. Abgrenzung der ModelleAuf die Zweckgesellschaft können lediglich die strukturierten Wertpapiere übertragen werden. Die im Gegenzug ausgestellten Schuldscheine werden vom Soffin garantiert. Diese Garantie haben die übertragenden Unternehmen zu vergüten. Es besteht eine umfassende Verlusthaftung der Anteilseigner aus den an diese auszuschüttenden Beträgen. Letztlich haftet somit die übertragende Bank und nicht ihre Anteilseigner.Demgegenüber können die Banken beim Anstaltsmodell neben den strukturierten Wertpapieren auch ganze (nicht strategisch notwendige) Geschäftsbereiche übertragen. Grundsätzlich obliegt den Anteilsinhabern der übertragenden Bank der Ausgleich von Verlusten der Abwicklungsanstalten. Eine gesamtschuldnerische Haftung ist entbehrlich, soweit zu den Anteilsinhabern ein Land gehört.Für die Beteiligung von Sparkassen (einzeln oder im Verbund) als Anteilsinhaber wurde eine zweistufige Haftung vorgesehen: Auf der ersten Stufe erfolgt der Verlustausgleich lediglich aus den auszuschüttenden Beträgen. Insoweit besteht eine vergleichbare Regelung zur Haftung der Banken innerhalb der Zweckgesellschaften. Reicht dieser Betrag nicht aus, greift auf einer zweiten Stufe eine erweiterte Verlusthaftung. Diese ist aber begrenzt auf den Betrag, der zum 30. Juni 2008 aufgrund der Gewährträgerhaftung zu tragen gewesen wäre. Verbleibt dennoch ein Fehlbetrag, ist dieser in den Folgejahren durch die Sparkassen aus den jeweils auszuschüttenden Beträgen zu entrichten. Die bis zum Verlustausgleich notwendige Vorfinanzierung erfolgt durch den Bund und das entsprechende Land im Verhältnis 65:35. BewertungsproblemeFür börsennotierte Banken (Streubesitz) bleibt es innerhalb des Anstaltsmodells bei der in früheren Entwürfen vorgesehenen Verlusthaftung der Gesellschaft durch die Inanspruchnahme des an die Anteilseigner auszuschüttenden Betrags.Praktisches Hauptproblem des Bad-Bank-Modells dürfte die Bewertung der strukturierten Wertpapiere sein. So müssen die Banken im Rahmen der Zweckgesellschaften vor der Gewährung einer Garantie sämtliche Risiken der zu übertragenden Wertpapiere gegenüber dem Soffin, einem sachverständigen Dritten und der Bankenaufsicht vollständig offenlegen. Zudem ist die Überprüfung der Verlustanfälligkeit im Rahmen eines Stresstests erforderlich. Dazu bedarf es der Ermittlung des Zeitwerts. Dieser stellt regelmäßig den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der strukturierten Wertpapiere dar. Die Werthaltigkeit der Papiere ist jedoch durch die Finanzkrise mehr als ungewiss.Die Bank kann bei der Ermittlung des Buchwerts die im Zuge der Finanzmarktkrise Ende 2008 bereits gelockerten Bewertungsgrundsätze anwenden. Kommen auf inaktiven Märkten, wie in der aktuellen Krise, Preise nur noch unter hohem Verkaufsdruck zustande, kann zur Bestimmung des Buchwerts auf subjektive Schätzverfahren zurückgegriffen werden. Diese Schätzverfahren sind jedoch mit dem vom Soffin bestimmten Sachverständigen und der Bankenaufsicht abzustimmen. Hierbei ist die unterschiedliche Interessenlage der Beteiligten zu beachten. Die Banken haben regelmäßig ein Interesse an einer möglichst hohen Bewertung ihrer strukturierten Papiere. Der Soffin verfolgt demgegenüber das Ziel einer Risikominimierung. Dazu dient auch die möglichst niedrige Bewertung der Papiere, um dann im Rahmen der Nachhaftung einen möglichst geringen Fehlbetrag vorfinanzieren zu müssen.In der Praxis dürfte auch die fehlende Regelung der Gegenleistung für die Übertragung auf die Anstalt (Bund oder Land) zu Problemen führen. Nach der Gesetzesbegründung hängt die Gegenleistung für die Übertragung der Risikopositionen und nicht strategisch notwendigen Geschäftsbereiche innerhalb des Anstaltsmodells davon ab, wie die Übertragung ausgestaltet wird und wer letztlich für die übertragenen Vermögenswerte haftet. Die Höhe der Gegenleistung bestimmt die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Die Einzelheiten hierzu sind im Gesetz nur rudimentär vorgegeben.Die konkrete Höhe der Gegenleistungen, die Banken für die Übertragung zu erbringen haben, ist aber immer aufgrund der Freiwilligkeit der Nutzung des Modells im Einzelfall mit der FMSA auszuhandeln. Annahme durch die BankenDie Inanspruchnahme der Bad-Bank-Modelle ist freiwillig. Es ist zu erwarten, dass die Banken ihre Entscheidung von der konkreten Bewertung der Wertpapiere (Zweckgesellschaft) und der Bestimmung der Gegenleistungen der Übertragung (Anstalt) abhängig machen. Hierbei ist zu beachten, dass die Inanspruchnahme der Modelle für die jeweilige Bank auch mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein dürfte. Dies betrifft etwa den Bewertungsaufwand: Verlässliche Maßstäbe müssen hierfür erst entwickelt werden, um auf dieser Grundlage die Berechnungen der Haftungsrisiken und demzufolge auch die erforderlichen Rückstellungen abschätzen zu können. Dadurch entstehen bereits im Rahmen der Bewertung erhebliche Kosten für die Banken.Hier besteht zudem die potenzielle Ausdehnung der Bankenaufsicht, die mit der Inanspruchnahme des Modells verbunden ist. So kann etwa der Stresstest aus der Sicht des Soffin zu Handlungsbedarf im Hinblick auf die Geschäftspolitik der übertragenden Bank führen.Zudem liegt die Zustimmung einer Übertragung im Ermessen des Soffin bzw. der FMSA. Konkrete Vorgaben für die Ausübung dieses Ermessens finden sich im Gesetz jedoch nicht. Von daher muss die Bank damit rechnen, dass erst innerhalb der Verhandlungen von Seiten des Soffin bzw. der FMSA konkret zu erfüllende Vorgaben für die Zustimmung benannt werden. Durch das Bad-Bank-Gesetz droht schließlich eine Rechtszersplitterung. So bleiben insbesondere im Rahmen der Haftungsregelung innerhalb des Anstaltsmodells (Bund) weitergehende landesrechtliche Bestimmungen unberührt. Soweit ein Land als Anteilsinhaber einer übertragenden Bank beteiligt ist, werden zwar Einzelheiten in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt. Dennoch besteht die Möglichkeit abweichender landesrechtlicher Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung der Verlusthaftung. Noch UnsicherheitenEine Verschärfung der bestehenden Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung erfolgt noch durch die Frist von sechs Monaten für die Beantragung einer Übertragung auf eine Zweckgesellschaft ( 6 d FMStFG). Ob die notwendigen Abstimmungen hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe sowie die sich daran erst anschließende Bewertung innerhalb dieser Zeit im konkreten Einzelfall realisiert werden können, bleibt abzuwarten.Ob die Modelle von den Banken in der Praxis angenommen werden, hängt somit entscheidend davon ab, wie schnell die bestehenden Unsicherheiten ausgeräumt und die erforderlichen Kompromisslösungen zwischen den Beteiligten gefunden werden. Daher drängt zwar die Zeit: Anträge auf Übertragung von strukturierten Wertpapieren unterliegen einer sechsmonatigen Antragsfrist. Dennoch ist im konkreten Einzelfall immer eine Abwägung aller Vor- und Nachteile aus der Sicht der Banken erforderlich.—-*) Burghard Hildebrandt und Uwe Müller sind Anwälte bei Gleiss Lutz.