RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTOPH ABELN

Das Bundesarbeitsgericht und das Ende der Zielvereinbarung

Einhaltung ist künftig abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Situation

Das Bundesarbeitsgericht und das Ende der Zielvereinbarung

– Das Bundesarbeitsgerichts (BAG, 10 AZR 385/11) hat über einen Anspruch aus einer Zielvereinbarung entschieden. Herr Dr. Abeln, was ist unter einer Zielvereinbarung zu verstehen?Das ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit der festgelegt wird, dass bestimmte erwünschte Ziele innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erreicht werden sollen. Aufgrund der Vereinbarung verpflichtet sich der Arbeitnehmer dazu, zur Zielerreichung beizutragen, und der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer bei Erreichen der vorher festgelegten Ziele zu entlohnen.- Welcher Sachverhalt liegt dem Urteil des BAG zu Grunde?Der Kläger, Mitarbeiter in einer Bank, hat seinen Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Zielbonus geltend gemacht. Bei der Zielerreichung hat er entsprechend der vertraglichen Abrede 20 % wegen der negativen Ertragslage der Bank infolge der Finanzkrise in Abzug gebracht. Die Bank lehnte jedoch trotz der erreichten persönlichen Ziele eine Zahlung gänzlich ab. Dabei berief sie sich auf die Bedingungen der Zielvereinbarung, wonach die Auszahlung des vereinbarten Zielbonus davon abhängig sein sollte, dass die Bank überhaupt Kapital für eine solche Zahlung zur Verfügung stellt. Dies sei aber aufgrund der Krise und der beanspruchten staatlichen Hilfeleistung nicht der Fall gewesen.- Was hat das BAG entschieden?Das BAG gibt der Bank Recht und lehnt mit Verweis auf die Wirtschaftskrise und wegen des “öffentlichen Interesses an der Abwehr von schwere Gefahren für die Volkswirtschaft” den Anspruch des Mitarbeiters ab. Die vertraglich fixierte Zielvereinbarung unterliege der einseitigen Leistungsbestimmung des Arbeitgebers. Dieser dürfe den Anspruch nach billigem Ermessen auch nach Erreichen der Ziele um mehr als 90 % reduzieren. Schließlich habe der Mitarbeiter mit den verbleibenden 10 % noch “nennenswerte finanzielle Anerkennung für die von ihm zur Erreichung der Vorgaben in der Zielvereinbarung unternommenen Anstrengungen erhalten”.- Warum überrascht das Urteil?Es weicht von der bisher gefestigten Rechtsprechung des BAG erheblich ab. Sowohl das Arbeits- als auch das Landesarbeitsgericht haben sich in den Vorinstanzen auf Entscheidung des BAG berufen und dem Mitarbeiter den Anspruch aus der Vereinbarung zuerkannt. Denn die Zielvereinbarung ist fester Vergütungsbestandteil, vergleichbar dem Arbeitsentgelt, welches nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann, so auch das BAG in früheren Entscheidungen.- Ist eine einseitige Reduzierung nach Abschluss der Zielvereinbarung damit zu vereinbaren?Nein, schließlich hat sich der Arbeitnehmer durch die Erreichung der persönlichen Ziele den Anspruch erarbeitet. Der Arbeitgeber muss dann auch seine Verpflichtung erfüllen. Daher sind nach der (bisherigen) Rechtsprechung des BAG auch Freiwilligkeitsvorbehalte bei solchen Leistungszulagen nicht möglich und an Widerrufsvorbehalte sind hohe Anforderungen zu stellen. Selbst wenn äußere Umstände eine Reduzierung der Vergütungsbestanteile erfordern, war diese Reduzierung bisher auf maximal 25 % der Gesamtvergütung begrenzt. Insoweit ist überraschend, dass der Passus in den Bedingungen, wonach die Auszahlung des Zielbonus davon abhängt, ob überhaupt vom Vorstand Kapital zur Verfügung gestellt wird, nunmehr zum nahezu gänzlichen Ausschluss des Anspruches führt.- Welche Auswirkungen hat das Urteil für die Praxis?Das BAG hat den eigenen rechtlichen Rahmen verlassen und sich offenkundig von politischen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Finanzkrise leiten lassen. Der Rechtsgrundsatz, Verträge sind einzuhalten, wird zum Wohle der “Volkswirtschaft” aufgeweicht. Nicht mehr der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer trägt nun unabhängig vom Inhalt der Zielvereinbarung das Wirtschaftsrisiko. Die Vereinbarung, an die das BAG bisher hohe Anforderungen stellte, ist entwertet und nunmehr von der wirtschaftlichen Gesamtsituation abhängig. Eine Konkretisierung, wie es das BAG bisher forderte, ist nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer kann daher künftig nicht mehr darauf vertrauen, dass seine Leistungen trotz eindeutiger Zielvorgaben honoriert werden.—-Dr. Christoph Abeln ist Geschäftsführer der Abeln Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Walther Becker.