Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Ann-Katrin Ponick

Das Ende für die Due Diligence bei börsennotierten Unternehmen?

Der Entwurf des Emittentenleitfadens sorgt für Unsicherheit

Das Ende für die Due Diligence bei börsennotierten Unternehmen?

– Frau Dr. Ponick, vor Unternehmenstransaktionen werden umfassende Informationen zur Zielgesellschaft über eine Due Diligence dem Kaufinteressenten offen gelegt. Der neue Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sorgt für Unsicherheit, ob eine Due Diligence bei notierten Unternehmen zulässig ist. Was ist der Stand der Dinge?Nach dem Entwurf des Emittentenleitfadens würde eine Due Diligence nur sehr eingeschränkt möglich sein. Wenn der Käufer dabei Insiderinformationen erlangt, handelt er nach Auffassung der BaFin den Insiderregeln zuwider, die einen Erwerb von Aktien unter Verwendung von Insiderinformationen verbieten. Eine Ausnahme erkennt die BaFin nur für ein öffentliches Übernahmeangebot mit dem Ziel des Kontrollerwerbs oder des Zusammenschlusses zweier Unternehmen. Weiter heißt es: “Paketerwerbe unterhalb der Kontrollschwelle werden nicht ausgenommen, auch wenn diese möglicherweise im Interesse der betroffenen Gesellschaft liegen.” Danach wäre eine Due Diligence vor einem Paketerwerb nicht mehr möglich. Dies ginge an der Praxis und den berechtigten Interessen der Parteien vorbei. – Ist dies aus Ihrer Sicht richtig? Es entsprach bisher nahezu einhelliger Auffassung, dass eine Due Diligence vor Aktienkäufen insiderrechtlich zulässig war, unabhängig davon, ob damit ein Kontrollerwerb, also der Erwerb von 30 % der Stimmrechte, verbunden war oder nicht. Die bloße Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zum Kauf des Aktienpakets fällt nicht unter Insiderverbote. Für den Fall, dass der Käufer im Rahmen der Due Diligence Insiderinformationen erhält, verwendet er diese nicht, wenn er lediglich den bereits getroffenen Entschluss umsetzt. Dies gilt jedenfalls so lange, wie der Käufer nur in seinem Entschluss bestärkt wird, nicht aber, wenn die Insiderinformationen ihn veranlassen, den geplanten Paketerwerb durch entsprechende börsliche oder außerbörsliche Wertpapiergeschäfte auszuweiten. – Worauf wird sich die Praxis einstellen müssen?Im Rahmen der Konsultationen der BaFin zum Leitfaden wurde in zahlreichen Stellungnahmen auf die in der Praxis auftretenden Probleme hingewiesen, wenn vor Paketkäufen unterhalb der Kontrollschwelle keine Due Diligence mehr möglich sein soll. In der Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses wurde die Befürchtung geäußert, dass der Markt für Beteiligungen weitgehend zum Erliegen kommen könnte. Wie aus der BaFin zu vernehmen ist, wird derzeit mit dem Bundesfinanzministerium der Standpunkt zur Due Diligence diskutiert. – Und wie geht es weiter?Die endgültige Fassung des Emittentenleitfadens ist für Ende März angekündigt. Es ist zu hoffen, dass der Emittentenleitfaden sich den Forderungen aus der Praxis annähern wird. Bis dahin ist den am Unternehmenskauf beteiligten Parteien – wie bisher – zu empfehlen, die einzelnen Transaktionsschritte umfassend und genau zu dokumentieren, vom Entschluss, in Verhandlungen zu treten, über Vertraulichkeitsvereinbarung, Due Diligence und Letter of Intent bis zum endgültigen Vertragsschluss. Darauf weist auch der Emittentenleitfaden hin. – Wie wirkt sich dies auf Block Trades aus?Auch hier ist Unsicherheit im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Due Diligence aufgekommen. Während bei einem Paketkauf das Aktienpaket an einen (oder wenige) Erwerber geht, werden beim Block Trade die Aktien bei einer Vielzahl von institutionellen Investoren platziert. Eine Due Diligence vor dem Block Trade ist übliche Praxis, sie wird aber nicht von den Kaufinteressenten, sondern von der die Platzierung begleitenden Bank durchgeführt. – Und die Insiderregeln?Auch hier ist die reine Verkaufsabsicht des abgabewilligen Großaktionärs eine unternehmerische Entscheidung, deren Umsetzung nicht den Insiderregeln unterfällt. Der Plan kann deshalb auch Dritten, wie eingeschalteten Beratern und der begleitenden Bank, mitgeteilt werden, sofern sie die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen und zur Vertraulichkeit verpflichtet sind. – Wann sind Block Trades zu empfehlen?Es ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen von Block Trades regelmäßig nur eine “Confirmatory Due Diligence” durchgeführt wird, die dazu dient, bekannte Informationen zu bestätigen und überraschende neue Entwicklungen auszuschließen. Wenn, wie bisher, Block Trades möglichst kurz nach Vorlage des Geschäftsberichts oder der Quartalsberichte durchgeführt werden, sollte es insiderrechtlich keine neuen Probleme geben. *) Dr. Ann-Katrin Ponick ist Rechtsanwältin in der internationalen Sozietät Ashurst. Die Fragen stellte Walther Becker.