Immobilien - Gastbeitrag

Das Jahr der Unbeständigkeit

Börsen-Zeitung, 13.1.2011 Auf einer Immobilienveranstaltung des ZIA Zentralen Immobilien Ausschusses Mitte 2010 hieß es: Wir wünschen uns mehr Planbarkeit und Beständigkeit in den gesetzlichen und steuerlichen Regelungen. Dass diese Forderung...

Das Jahr der Unbeständigkeit

Auf einer Immobilienveranstaltung des ZIA Zentralen Immobilien Ausschusses Mitte 2010 hieß es: Wir wünschen uns mehr Planbarkeit und Beständigkeit in den gesetzlichen und steuerlichen Regelungen. Dass diese Forderung überhaupt formuliert werden muss, ist eine Folge von immer wieder gegensätzlichen, paradoxen oder teilweise auch rückwirkenden gesetzlichen Entscheidungen und Gerichtsurteilen im Immobilienbereich. 2010 war in dieser Hinsicht äußerst ereignisreich.Ein Beispiel für Widersprüche in der Interpretation der Steuergesetze: die Übertragung von Immobilien innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe von einer Personengesellschaft in eine (ganz oder teilweise) gesellschafteridentische Schwesterpersonengesellschaft. Innerhalb von weniger als fünf Monaten haben sich der erste und der vierte Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) unterschiedlich darüber geäußert, wie eine solche Übertragung steuerlich zu behandeln ist. Hü und hott bei GerichtDer erste Senat vertrat die Auffassung, dass dabei Ertragsteuern fällig werden, während der vierte Senat den Vorgang ertragsteuerfrei behandelte. Es ist schon verwunderlich, dass zwei Senate des BFH in kurzer zeitlicher Aufeinanderfolge identische Sachverhalte bewusst so unterschiedlich entscheiden. Dabei ist das Thema von großer Praxisrelevanz: Sowohl Familienunternehmen als auch institutionelle Investoren sehen sich immer wieder veranlasst, ihr Immobilienvermögen zeitgemäß zu reorganisieren, indem Immobilien wie oben beschrieben innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe übertragen werden. Gründe können steuerliche Erwägungen, eine erforderliche Optimierung des Immobilienportfolios im Vorfeld eines Verkaufs des Unternehmens oder von Unternehmensteilen sowie eine von den Kredit gebenden Banken geforderte Isolierung von Sicherheiten und Risiken sein. Länder konterkarieren BundParadox ist auch die Auffassung des neunten Senats des BFH in Fragen, wann laufende Aufwendungen für Immobilien auch bei Teil- oder Komplettleerstand steuerlich geltend gemacht werden dürfen. Ausschlaggebend ist hier weiterhin die sogenannte Gewinnerzielungsabsicht – dies ist bekannt. So müssen beispielsweise intensive Vermietungsbemühungen nachgewiesen werden. Neu ist aber: Der BFH hat darüber hinaus eine Pflicht zur baulichen Umgestaltung des Objekts postuliert. Besteht kein Markt für eine Immobilie und kann sie deshalb nicht vermietet werden, muss der Steuerpflichtige sie in einen marktgerechten baulichen Zustand bringen. Tut er dies nicht, ist dies ein Indiz für fehlende Gewinnerzielungsabsicht, und das Objekt wird zum ertragsteuerlich irrelevanten Liebhaberstück. Zu den fehlenden Einnahmen infolge des Leerstands kommen also künftig auch noch zwingende zusätzliche Investitionen – oder aber Steuernachteile, wenn nicht investiert wird. In jedem Fall wird der Steuerpflichtige zusätzlich zu den leerstandsbedingten Mindereinnahmen auch noch aus ökonomischer Sicht bestraft.Widersprüche zeigten sich im vergangenen Jahr außerdem in der Bundes- und Länderpolitik: Während der Bund davon spricht, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland weiter erhöht werden soll, konterkarieren die Länder dieses Ziel. Denn sie erhöhen die Belastungen beim Kauf durch eine zunehmend höhere Grunderwerbsteuer – und erschweren damit für viele Haushalte die Eigentumsbildung. Zur Erinnerung: Vor zwölf Monaten lag die Grunderwerbsteuer in allen Bundesländern – abgesehen von Berlin und Hamburg – noch einheitlich bei 3,5 %. Vertrauensschutz adeDoch im Laufe des vergangenen Jahres hat es eine Welle von Erhöhungen oder deren Ankündigung gegeben: Sachsen-Anhalt hat den Steuersatz bereits auf 4,5 % erhöht und damit mit Berlin und Hamburg gleichgezogen. Das Saarland will die Grunderwerbsteuer auf 4 %, Bremen und Niedersachsen auf 4,5 und Brandenburg und Schleswig-Holstein sogar auf voraussichtlich 5 % erhöhen. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis weitere Länder nachziehen.Ein wichtiger Aspekt beständiger und konsistenter Steuerpolitik ist der Vertrauensschutz. Unter anderem darum ging es 2010 bei der Frage, ob die bereits 1999 erfolgte Verlängerung der Spekulationsfrist, nach deren Ablauf Immobilienverkäufe im Privatvermögen steuerfrei sind, von ursprünglich zwei auf dann zehn Jahre verfassungskonform war. Problematisch ist die Verletzung des Vertrauensschutzes bei Immobilieneigentümern, die rückwirkend von der geänderten Spekulationsfrist betroffen waren, weil sie die Immobilie im Zeitpunkt der Gesetzesänderung zwar schon länger als zwei Jahre, aber noch nicht länger als zehn Jahre im Eigentum hielten. Nachweis auf eigenes RisikoDas Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den erforderlichen Vertrauensschutz Mitte 2010 zumindest teilweise als verletzt angesehen. Auf den ersten Blick scheint dies erfreulich. Doch bei näherer Betrachtung wird deutlich: Umgekehrt wird das Vertrauen eben auch nur teilweise geschützt. Denn es soll lediglich ein rückwirkender Steuereffekt für den Zeitraum vermieden werden, in dem ein Verkauf nach altem Recht steuerfrei gewesen wäre. Wertsteigerungen, die seit Inkrafttreten der längeren Frist bis zum Verkaufszeitpunkt eingetreten sind, müssen jedoch auch dann versteuert werden, wenn im Zeitpunkt der Rechtsänderung die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war.Das bedeutet: Die Wertentwicklung ist in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Anteil aufzuteilen. In der Praxis bleibt die Frage offen, ob und wie der Steuerpflichtige den Nachweis der konkreten Wertentwicklung darlegen und beweisen kann. Das diesbezügliche Risiko und auch die damit einhergehenden Kosten für die Anfertigung von entsprechenden Gutachten trägt der Steuerpflichtige. Aus Sicht der Betroffenen dürfte der Vertrauensschutz an dieser Stelle nicht weit genug gehen.