Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Tatjana Schroeder

Der Berater als Aufsichtsrat braucht klare Vorgaben

Beschlussfähigkeit des Kontrollgremiums laut BGH-Urteil auch bei drei Mitgliedern gegeben

Der Berater als Aufsichtsrat braucht klare Vorgaben

– Frau Dr. Schroeder, in einem jüngst veröffentlichten Urteil hat sich der BGH dazu geäußert, ob und wie ein Aufsichtsrat über einen Beratervertrag mit einem seiner Mitglieder entscheiden kann. Was sind die wesentlichen Aussagen des Gerichts?Der BGH bestätigt in dieser Entscheidung zunächst seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Beratungsvertrag zwischen der AG und der Anwaltskanzlei, der ein Mitglied des Aufsichtsrats als Partner angehört, zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrates nach §§ 113, 114 AktG bedarf. Bisher war umstritten, ob ein mit nur drei Mitgliedern besetzter Aufsichtsrat eine solche Zustimmung überhaupt formal erteilen konnte, da das betroffene Aufsichtsratsmitglied in einer solchen Abstimmung nach § 34 BGB nicht stimmberechtigt ist. Insoweit wurde bisher vielfach – auch obergerichtlich – vertreten, dass der 3er-Aufsichtsrat dann nicht mehr beschlussfähig sei. Der BGH stellt nunmehr fest: Der Ausschluss des Stimmrechts eines der drei Mitglieder führt nicht zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrates. Ein mehrheitlicher Beschluss liegt nach Auffassung der obersten Richter auch dann vor, wenn lediglich die beiden übrigen Aufsichtsräte dem Beratervertrag nach §§ 113, 114 AktG zustimmen. – Gibt es nun keine Restriktionen mehr, dass auch in kleinen Aufsichtsräten Anwälte sitzen, die gleichzeitig die Firma beraten?Dies wäre zu weitgehend. Im ersten Schritt befasst sich der BGH mit der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats; er sorgt in diesem Punkt für Rechtssicherheit. Im zweiten Schritt stellt das oberste Gericht konkrete Anforderungen an den Inhalt eines solchen Beratungsvertrags, damit dieser der Zustimmung des Aufsichtsrates überhaupt zugänglich ist. Im konkreten Fall lag eine Rahmenvereinbarung vor über die anwaltliche Beratung auf Stundenhonorarbasis “in sämtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft”. Eine so allgemeine Definition ist nach Auffassung des BGH bereits nicht genehmigungsfähig, da sie keine Abgrenzung gegenüber der Organtätigkeit des Aufsichtsrats erlaubt. Der Aufsichtsrat schuldet aus seiner Organstellung zunächst den Einsatz seiner individuellen Fachkenntnisse, so dass ein Rechtsanwalt der AG auch sein anwaltliches Know-how zur Verfügung stellen muss. Das Urteil des BGH führt deshalb dazu, dass Dienstleistungen des Aufsichtsratsmitgliedes oder dessen Kanzlei nach §§ 113, 114 AktG nur genehmigungsfähig sind, wenn sie als spezielle Einzelfragen eine besondere “Beratungstiefe” erfordern, die im Rahmen der Organstellung nicht mehr erwartet werden kann. Eine allgemein gehaltene Rahmenvereinbarung ist nicht ausreichend, da sich der Aufsichtsrat für seine Zustimmung weder ein Urteil über Art und Umfang der Leistung bilden noch die Höhe der Vergütung einschätzen kann. – Wie müssen die Beraterverträge gestaltet sein, um rechtlich wasserdicht zu sein?Verträge, welche die Beratungsleistungen nur allgemein beschreiben, reichen nicht aus. Die Beratungsleistungen sollten so weit als möglich auf den konkreten Einzelfall bezogen sein. Es wäre wahrscheinlich auch hilfreich, dem Aufsichtsrat die Abrechnungen vorzulegen, damit dieser Beratungstiefe und Angemessenheit der Vergütung beurteilen kann. Dies ermöglichte, die erbrachte Leistung von der Organtätigkeit des Aufsichtsratsmitgliedes abzugrenzen. – Hat der BGH nicht unlängst generell Beraterverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern einen Riegel vorgeschoben?Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich. Der BGH bestätigt nun die Entscheidung des OLG Hamburg vom 12. Januar 2007. Das OLG hatte einen Beratungsvertrag “in allen Rechtsangelegenheiten, insbesondere in den Rechtsgebieten Aktienrecht, Gesellschaftsrecht, Handelsvertreterrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und allgemeines Zivilrecht” mangels Abgrenzbarkeit gegenüber der Organtätigkeit des Aufsichtsrates für nichtig erklärt. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, deren Revision ist beim 9. Senat des BGH anhängig. Wollte dieser von der Ausgangsentscheidung des 2. Senats abweichen, wäre der Große Senat anzurufen. – Gibt es finanzielle Grenzen für Beratungsleistungen von Aufsichtsratsmitgliedern?Nein, klare finanzielle Grenzen gibt es zu dieser Frage nach wie vor nicht. In der Entscheidung des BGH fällt allerdings auf, dass die Sache an das Ausgangsgericht zurückverwiesen wurde, um zu prüfen, inwieweit dem Kläger ein Anspruch aus den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zuzusprechen ist. Dies bedeutet: Aus Sicht des BGH fällt der Honoraranspruch trotz Nichtigkeit des Beratervertrages nicht vollständig weg. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht die erbrachte Leistung nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung bewerten wird. Dr. Tatjana Schroeder ist Rechtsanwältin bei Schwarz Kelwing Wicke Westpfahl in Frankfurt.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.