Immobilien - Gastbeitrag

Der deutsche Sonderweg bei Immobilien

Börsen-Zeitung, 11.3.2010 Sind die Deutschen eigentlich im Vergleich zu anderen Nationen eher immobilienaffin oder nicht? Der Blick auf die Eigentumsquote einerseits und auf die Volumina, die indirekt in Immobilien investiert sind, andererseits...

Der deutsche Sonderweg bei Immobilien

Sind die Deutschen eigentlich im Vergleich zu anderen Nationen eher immobilienaffin oder nicht? Der Blick auf die Eigentumsquote einerseits und auf die Volumina, die indirekt in Immobilien investiert sind, andererseits führt zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen.Bekanntlich ist die Wohneigentumsquote in Deutschland so gering wie in kaum einem anderen Land. Während sie in vielen Ländern bei 60, 70 oder gar über 80 % liegt, beträgt sie in Deutschland nur 43 %. Die Quote ist sogar noch sehr viel geringer, wenn man auf die Großstädte schaut, in denen sie oftmals unter 20 % liegt.Andererseits: Jeder siebte Deutsche besitzt eine vermietete Immobilie. Das ist ein sehr hoher Prozentsatz, der häufig unterschätzt wird. Vor allem gibt es jedoch mit Sicherheit kein Land auf der Welt, in dem so bedeutende Volumina in indirekte Immobilienanlagen investiert sind. Sogar im Mutterland der Reits, den USA, ist die Marktkapitalisierung aller Reits geringer als das in Deutschland in geschlossenen und offenen Immobilienfonds investierte Volumen. Berücksichtigt man die um ein Vielfaches höhere Bevölkerungszahl in Amerika, dann wird die Bedeutung der indirekten Immobilienanlage hierzulande deutlich. Wenn also einerseits wesentlich mehr Amerikaner in der selbst genutzten Immobilie leben, haben sie andererseits deutlich weniger indirekt in Immobilien investiert als die Deutschen. USA oder eigener Garten?Die indirekte Immobilienanlage ist in Deutschland so beliebt, dass der heimische Investmentmarkt längst nicht mehr ausreichend ist, um den enormen Anlagebedarf zu befriedigen. Deutsche Fonds investieren heute weltweit. Um es zugespitzt zu formulieren: Deutsche Anleger können sich offenbar eher für Immobilienfonds mit Bürohäusern in Australien, Kanada oder Amerika begeistern als für den Erwerb eines eigenen Häuschens mit Garten. Zwar erklären in Umfragen viele Deutsche, sie würden gerne eine eigene Immobilie besitzen, tatsächlich handeln sie aber anders. Seit Jahren steigt die Wohneigentumsquote in Deutschland nicht mehr. Jüngere Menschen zeigen zunehmende Zurückhaltung beim Erwerb der eigenen vier Wände. Vorbild für andere LänderDieser deutsche Sonderweg der Immobilienanlage ist sehr modern – und wird sich vermutlich später in anderen Ländern ebenfalls durchsetzen. So wie schon heute die Menschen in den Städten eher in Mietwohnungen wohnen, während im ländlichen Bereich das Eigenheim dominiert, so kann man es auch weltweit als Zeichen von Modernität ansehen, wenn Menschen statt in die eigenen vier Wände eher indirekt in Immobilien investieren.Das Investment in das eigene Haus mag im einen oder anderen Fall sinnvoll und vor allem emotional befriedigend sein. Es schränkt jedoch vielfach die in einer modernen Gesellschaft immer wichtiger werdende geografische Mobilität ein. Somit ist das Investment in selbst genutzte Immobilien eher ein vormodernes Phänomen.Das direkte Investment in das Eigenheim ist eher emotional motiviert, das indirekte Investment, etwa in Fonds oder Immobilienaktien, ist eher rational motiviert. Unter Gesichtspunkten der Diversifikation ist es jedenfalls wenig sinnvoll, einen Großteil des eigenen Anlagekapitals in ein einziges Haus zu investieren. Das wäre etwa so, als wenn der Anleger alles Geld in eine einzelne Aktie stecken würde, statt in Fonds, die eine breitere Risikostreuung erlauben. Anachronistische FörderungStimmt man diesem Befund zu, dann sollte auch die staatliche Immobilienförderung überdacht werden. Wenn mit Wohn-Riester, Bausparen und ähnlichen Maßnahmen Immobilieninvestments gefördert werden, dann bezieht sich dies immer noch ausschließlich auf die selbst genutzte Immobilie. Schon fremdvermietete Immobilien sind von der Förderung ausgenommen, ebenso natürlich indirekte Immobilienanlagen. Die staatliche Förderung folgt also einem anachronistischen Verständnis von Immobilienanlagen und wird dem Paradigmenwechsel, der in einer modernen Gesellschaft eher in die Richtung indirekter Anlage weist, nicht gerecht.