Immobilien

Der Immobilien-Kurszettel wird immer länger

16 Börsengänge in 18 Monaten mit rund 2 Mrd. Euro Marktwert - HSBC-Trinkaus-Experte Barkow erwartet weitere IPOs

Der Immobilien-Kurszettel wird immer länger

Von Christoph Ruhkamp, Düsseldorf Die aufgrund niedriger Zinsen steigenden Immobilienpreise schlagen sich auch auf dem Kurszettel nieder: Allein in den vergangenen 18 Monaten sind in Deutschland 16 Immobiliengesellschaften an die Börse gegangen – mit einer Marktkapitalisierung von zusammen annähernd 2 Mrd. Euro. Weitere sieben Gesellschaften werden in den nächsten Monaten auf dem Parkett erwartet. “In der Tat haben wir in den vergangenen 18 Monaten sowohl was die Anzahl als auch was das Volumen angeht eine stark vermehrte IPO-Aktivität im Immobiliensektor gesehen”, sagte Peter Barkow, Chefanalyst für Finanz- und Immobilienaktien bei der Privatbank HSBC Trinkaus, der Börsen-Zeitung. Das Gleiche gelte für Kapitalerhöhungen. Prämie auf NAV als TreiberDas gestiegene Interesse der Investoren hat dazu geführt, dass die Kurse der deutschen Immobilienaktien deutlich anzogen und mittlerweile etwa 20 % über dem Nettovermögenswert (NAV) liegen. Einen solchen Aufschlag auf den NAV habe es in der Vergangenheit fast nie gegeben. Er sei aber eine unerlässliche Bedingung für IPOs. Unter Verkehrswert zu verkaufen, mache nur selten Sinn – etwa wenn eine Kapitalerhöhung zur Wachstumssicherung unerlässlich sei. Auch in den USA nehme die Primärmarktaktivität inklusive Kapitalerhöhungen dramatisch zu, wenn der NAV überschritten werde.Nicht alle Nutzungsarten von Immobilien strebten gleichermaßen an die Börse. “Bei den deutschen IPOs in diesem Jahr lag ein Schwerpunkt sicherlich auf dem Wohnungssegment”, sagt Barkow. Allerdings seien auch Unternehmen aus anderen Bereichen dazugekommen wie etwa der “De-facto-Börsengang” der DIC Asset, die in gewerbliche Immobilien investiert.Auch die an den IPOs interessierten Investoren stammten bei weitem nicht aus allen Anlegergruppen. “Die Vielzahl der Börsengänge war relativ klein und ist deshalb eher bei Small- oder Micro-Cap-Investoren, zum Teil auch im Rahmen von Privatplatzierungen, untergekommen”, so Barkow. Die größeren Börsengänge wie Patrizia und DIC Asset seien schwerpunktmäßig im Ausland platziert worden. Der Anteil der sektoral spezialisierten Investoren sei dort relativ hoch. Zum Teil hätten auch Hedgefonds zugegriffen. Der Anteil von Privatinvestoren sei verschwindend gering gewesen.Auch für die nähere Zukunft erwartet HSBC Trinkaus weitere Immobilien-Börsengänge. “In Deutschland sind wir derzeit in der günstigen Situation, dass das Investoreninteresse die Ausgangslage auf dem Immobilienmarkt gut ergänzt”, sagt Barkow. Die Eigentümerquote bei Wohnungen sei traditionell niedrig, und viele Wohnungen befänden sich in den Händen von Institutionellen oder der öffentlichen Hand.Diese würden zu einem Teil den Weg an die Börse finden. “Günstig ist, dass unsere gestützten Investorenumfragen in diesem aber auch im letzten Jahr ergeben haben, dass das Wohnsegment am meisten gefragt ist.” In Zukunft werde es immer mehr darauf ankommen, dass Immobilienunternehmen dem Investor einen gewissen “Mehrwert” liefern könnten. Das könne durch einen Anteil an Projektentwicklung, durch aktives Portfoliomanagement oder Optimierung der Vermietungssituation geschehen. Rein passives Bestandsmanagement werde dagegen eher als uninteressant empfunden und biete dem institutionellen Investor auch seinerseits wenig Möglichkeiten, für seine Kunden Mehrwert zu generieren .Darüber hinaus sind Immobilienbörsengänge im Vergleich zu anderen Branchen von einigen Besonderheiten geprägt. “Generell ist der deutsche Immobiliensektor an der Börse mit etwa 11 Mrd. Euro Kapitalisierung noch relativ klein, und man kann schon von einer gewissen Knappheitsprämie in der Bewertung sprechen”, sagte Barkow. Mit dem Wachsen des Sektors stiegen aber auch der Anspruch der Investoren und die Möglichkeit, zwischen ähnlichen Unternehmen zu vergleichen. Investoren prüfen genauer”Daher erwarten wir, dass die Geschäftsmodelle in Zukunft stärker geprüft werden und die Volumina der Platzierungen stark zunehmen.” Dieser Trend habe auch schon eingesetzt, da nicht unbedingt alle IPOs der jüngeren Vergangenheit ein voller Erfolg waren. Dies sei allerdings nur “heilsam”. Dem für Ende Oktober geplanten Börsengang der zu Fortress gehörenden Wohnungsholding Gagfah komme Signalwirkung für den gesamten Sektor zu.Die Pläne zur Einführung steuerbegünstigter Immobilien-AGs (Reits) in Deutschland seien für IPOs nicht unabdingbar. Eine Reihe von Unternehmen habe bereits Börsenpläne angekündigt, ohne auf die Gesetzgebung zu warten. Generell bleibe abzuwarten, wie der “German Reit” (G-Reit) ausgestaltet sein werde. Insbesondere die Höhe der Exit Tax werde entscheidend für G-Reit-IPOs werden. Aber auch die Höhe des erlaubten Fremdkapitaleinsatzes gelte es zu beobachten. Sollte es hier bei einer Begrenzung bleiben, könnten sich einige Unternehmen, die die Reit-Struktur bislang synthetisch nachbildeten, nicht ohne weiteres in einen G-Reit wandeln. Dazu zählt etwa die auf deutsche Büroimmobilien fokussierte Fortress-Tochter Eurocastle, die auf der Kanalinsel Guernsey ansässig ist und an der Börse in Amsterdam notiert. Für G-Reits aus dem Wohnungssektor sei zudem die Lösung der sogenannten “EK02”-Problematik – also der Nachversteuerung stiller Reserven – entscheidend.Generell werde das Wachstum des deutschen Immobiliensektors auch ohne den G-Reit fortschreiten. Der G-Reit würde die vorherrschende Dynamik allerdings noch deutlich beschleunigen und weitgehend verhindern, dass Unternehmen mit deutschen Portfolios an ausländischen Börsen gelistet werden. Es sei auch damit zu rechnen, dass Unternehmen wie die IVG G-Reits mittels Spin-offs an die Börse bringen könnten. Langfristig könne man sich vorstellen, dass sich sowohl G-Reits als auch traditionelle Immobilien-AGs etablierten, die jeweils unterschiedliche Investorensegmente bedienten.