Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Björn Demuth

"Der Staat handelt kriminell, wenn er rechtswidrig erlangte Daten aufkauft"

Betroffene sollten Steuerberater erst nach Entscheid für Selbstanzeige einbinden

"Der Staat handelt kriminell, wenn er rechtswidrig erlangte Daten aufkauft"

– Herr Dr. Demuth, darf der Staat wie in der Kontendaten-Affäre eine Straftat mit einer Straftat verfolgen?Der Ankauf der illegal erlangten Dateien einer Bank wirft rechtlich zwei Fragen auf. Erstens: Handeln der Staat, die Politiker und Staatsanwälte selbst kriminell, wenn sie rechtswidrig erlangte Kundendaten aufkaufen – Stichwort Begünstigung, Strafvereitelung, Hehlerei? Zweitens: Welche Folgen hätte das für die strafrechtliche Verfolgung von Steuersündern? Die Strafbarkeit des Staates war bislang nicht Kern der Debatte. Zur zweiten Frage gehen die Meinungen auseinander.- Wird der Staat also selbst kriminell, wenn er die CD erwirbt?Nach meiner persönlichen Auffassung: Ja. Jeder Strafverfolger steht vor der Frage, wie er des Verbrechens Herr wird. Aber Rechtsstaaten wie die Bundesrepublik dürfen selber nicht strafbar handeln. Sonst geht die Vorbildfunktion des Staates verloren, und Willkür zieht ein.- Wie ist das verfassungsrechtlich zu bewerten?Darüber besteht Unsicherheit auf allen Seiten, bei Ermittlern, Betroffenen und Verteidigern. Natürlich hat jede Seite ihre passenden Argumente. Sicher ist: Eine strafrechtliche Verfolgung von Steuersündern auf Grundlage dieser gekauften Daten stünde stets unter dem Damoklesschwert der verfassungsrechtlichen Prüfung. Die Ermittlungsbehörden sind bisher davor zurückgeschreckt, die Frage bis an oberste Gerichte kommen zu lassen. Meinem Eindruck nach ist das Ziel hier oft weniger Strafverfolgung als Genugtuung – durch Nachforderung von Steuern und Hinterziehungszinsen.- Geraten da nicht die durchführenden Staatsanwälte in eine rechtliche Grauzone?Ja, so ist es. Jeder Staatsanwalt ist dem Gesetz verpflichtet und gleichzeitig der Exekutive untergeordnet. Wenn er die Weisung erhält, in einer bestimmten Art und Weise vorzugehen oder eine bestimmte Rechtsauffassung zu vertreten, dann bewegt er sich bei angekauften Daten in einer Grauzone. Das läuft auf zwei Lösungsmöglichkeiten hinaus: Entweder der Betroffene möchte wenig Aufsehen, dann zahlt er die Steuer und akzeptiert eine Bewährungsstrafe, die er sich nach Art der Bochumer Staatsanwaltschaft durch eine Geldauflage in Höhe der Steuer erkauft. Oder er wehrt sich und legt es auf einen offenen Rechtsstreit an. Dann sind die Chancen auf eine niedrige Strafe und zusätzliche Geldzahlung gut.- Wie sind an dieser Stelle die Erfahrungen aus der Liechtenstein-Affäre von vor nahezu zwei Jahren?Gerade die Unsicherheit, die gekauften Daten gegen die Betroffenen zu verwerten, zeigt sich bei den Liechtenstein-Fällen deutlich. Wer sich nicht scheut, das Thema offen auszufechten, erfährt eine wohlwollendere Behandlung.- Zurück zu den Steuersündern. Sind Selbstanzeigen noch der richtige Weg, oder sollten Betroffene abwarten, was herauskommt?Zunächst wäre zu klären, welchen Aussagegehalt die Daten auf der CD wirklich haben. Teilweise war das Datenmaterial aus Liechtenstein nicht so authentisch und aussagestark, dass es tatsächlich zum Nachweis einer Straftat genügt hat. Bestehen keine Zweifel an der Aussagekraft der Unterlagen, sollte der Steuersünder eine strafbefreiende Selbstanzeige ernsthaft erwägen – und zwar schnell. Sobald der Betroffene mit einer konkreten Tatentdeckung rechnen muss, kann er nur noch strafmildernde Gründe geltend machen. Und es bleibt der Gang zum Verfassungsgericht.- Wozu raten Sie den Betroffenen?Wer Rechtssicherheit haben möchte, sollte sich zeitnah mit einem steuerlich qualifizierten Rechtsberater abstimmen. Dann können Chancen und Risiken individuell diskutiert werden. Wichtig ist: den laufenden Steuerberater sollte man erst einbinden, wenn man sich für die Selbstanzeige entschieden hat. Anderenfalls müsste der Steuerberater seine Tätigkeit einstellen, denn er darf sich an Steuerhinterziehung nicht beteiligen. Vor allem, wenn die Vermögensübergabe an die nächste Generation ansteht, kann die Selbstanzeige ein sinnvoller Weg sein.—-Dr. Björn Demuth ist Rechtsanwalt/Steuerberater bei CMS Hasche Sigle. Die Fragen stellte Walther Becker.