Immobilien - Gastbeitrag

Derivate und Immobilienindizes sind in Deutschland auf dem Vormarsch

Börsen-Zeitung, 13.3.2008 Der Harvard-Ökonom Michael Jensen nutzte als Erster die griechischen Buchstaben Alpha und Beta, um die Rendite einer Investition aufzusplitten. Alpha bezeichnet die Extrarendite des aktiven Managements und der Auswahl des...

Derivate und Immobilienindizes sind in Deutschland auf dem Vormarsch

Der Harvard-Ökonom Michael Jensen nutzte als Erster die griechischen Buchstaben Alpha und Beta, um die Rendite einer Investition aufzusplitten. Alpha bezeichnet die Extrarendite des aktiven Managements und der Auswahl des einzelnen Anlageproduktes, während Beta die Rendite für das sogenannte systematische Risiko des allgemeinen Marktes widerspiegelt. Trennung bisher unmöglichIm Immobilienbereich war es bis jetzt nicht möglich, im Portfoliomanagement Alpha und Beta isoliert auszuwählen. Vielmehr ist der traditionelle Ansatz, dass bei einer Immobilieninvestition beides zusammen erworben wird. Der Immobilieninvestor entscheidet sich für einen Immobiliensektor (wie Büro, Handel oder Logistik) und damit für ein bestimmtes Beta. Mit der Auswahl der Immobilie wird Alpha determiniert. Der Immobilieninvestor erhält das Beta des Marktes plus das Alpha der Immobilie. Durch einen Vergleich mit der Benchmark für den Immobiliensektor, also die durchschnittliche Performance dieses Sektors, kann im Nachhinein Beta und damit dann auch Alpha ermittelt werden. Beta-Produkte verfügbarMit der Verfügbarkeit von Derivaten auf Immobilienindizes sind nun erstmals im Immobilienbereich reine Beta-Produkte verfügbar. Damit kann der Immobilieninvestor zwischen dem reinen Beta, dem traditionellen Beta plus Alpha und dem jetzt isolierbaren Alpha wählen. Will ein Investor nur das Beta des deutschen Immobilienmarktes erwerben, kann er einen Derivatevertrag auf den deutschen Immobilienindex abschließen. Will dagegen ein Investor in Deutschland sein eigenes Immobilienportfolio von einer negativen Marktentwicklung isolieren, kann er durch ein Derivat das Beta verkaufen und somit nur noch sein Alpha erhalten. Für die Entstehung eines Marktes für Immobilienderivate ist die Existenz eines geeigneten Immobilienindex nötig, der verschiedene Eigenschaften wie hinreichende Indexgröße, Marktabdeckung, historische Datenreihen und Erstellung durch einen unabhängigen Dritten erfüllen muss. Für Deutschland wird von der IPD Investment Property Databank GmbH der DIX, der Deutsche Immobilien Index, basierend auf Primärdaten berechnet. Der DIX enthält 2 938 Immobilienobjektemit einem Marktwert von insgesamt 54 Mrd. Euro, dies entspricht einer Marktabdeckung von 50 % des relevanten Marktes (das heißt mit einer mindestens jährlichen Bewertung) bzw. 21 % des gesamten Immobilienvermögens institutioneller Investoren. Seit Ende 2006 werden Derivate auf den DIX gehandelt. Dabei ist die typische Struktur eines Derivats der Austausch einer jährlicher Zahlung auf Basis des DIX gegen einen Zinssatz wie Euribor zuzüglich einer Marge. Derzeit haben 21 Banken Lizenzen erworben, auf verschiedene IPD-Indizes Derivate zu generieren. Großbritannien ist führendWährend in Großbritannien der Handel mit diesem innovativen Finanzinstrument für Immobilien bereits seit 2004 Tradition hat und Derivate auf den IPD UK Index bis zum Anfang des ersten Quartals 2008 ein nominales Volumen von rund 17 Mrd. Euro aus 920 Derivateverträgen aufweisen konnten, ist der Markt in Kontinentaleuropa noch ziemlich klein. In Deutschland wurde bis zum Anfang des ersten Quartals 2008 ein nominales Volumen von 400 Mill. Euro aus 44 Verträgen und in Frankreich ein Volumen von 1,1 Mrd. Euro aus 63 Derivateverträgen erzielt. Somit ist das Volumen pro Vertrag in Frankreich deutlich höher als in Deutschland; bezogen auf die Anzahl der Verträge sind diese beiden Länder ähnlich. Bis jetzt wurden Derivate auf IPD- Immobilienindizes in sieben Ländern abgeschlossen: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Japan, Australien, Schweiz und Italien. Dies zeigt, dass sich Derivate auf Immobilienindizes auch außerhalb von Großbritannien etablieren. Interesse noch verhaltenAllgemein wird erwartet, dass bei Immobilienderivaten noch ein großes Wachstumspotenzial besteht, wobei das Verwenden dieses neuen Instruments bei deutschen Investoren eher recht zögerlich ist. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Derivate in Deutschland immer noch als spekulativ eingestuft werden und zum anderen ihre Bedeutung im Zusammenhang mit einem professionellen Portfoliomanagement vielen Marktteilnehmern noch nicht bewusst geworden ist. Dabei bieten sich Derivate explizit an, um Risiko zu reduzieren beziehungsweise um durch die gezielte Segmentierung von Alpha und Beta effizientes Portfoliomanagement zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die momentane Liquiditätskrise auf die Entwicklung des Derivatemarktes im Immobilienbereich auswirkt. Jedoch scheint es, dass die Krise auch das Thema der Absicherung wieder stärker in das Bewusstsein der Investoren gerufen hat und somit Finanzinstrumente zur Risikostreuung und Portfoliooptimierung zunehmend gefragt sein werden.