RECHT UND KAPITALMARKT

Deutschland scheitert mit Pkw-Maut auch an eigener Argumentation

Keine Schlechterbehandlung ausländischer Fahrzeughalter festzustellen

Deutschland scheitert mit Pkw-Maut auch an eigener Argumentation

Von Christian Scherer-Leydecker *) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dem Plan zur Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland ein jähes Ende bereitet. Mit Urteil vom 18. Juni haben die Richter entschieden, dass die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen, bei gleichzeitiger Entlastung deutscher Fahrzeughalter bei der Kfz-Steuer, Ausländer diskriminiere. Denn die wirtschaftliche Last der Abgabe werde faktisch allein von ausländischen Fahrzeughaltern getragen. Damit ist der Kern des Streits umschrieben, den Österreich mit der Klage gegen Deutschland vor den EuGH gebracht hat.In dem Verfahren hat sich Deutschland damit verteidigt, dass mit der Einführung der Infrastrukturabgabe die Steuerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur (teils) durch eine Nutzerfinanzierung abgelöst werden solle. Das ist nach Auffassung des EuGH grundsätzlich zulässig. Ein EU-Mitgliedstaat kann frei wählen, wie er die Finanzierung der öffentlichen Infrastrukturen regelt. Er muss dabei aber die Anforderungen des europäischen Rechts, etwa das Verbot der Ausländerdiskriminierung, achten.Aus Sicht des EuGH sind die Maßnahmen zur Einführung des Verursacherprinzips nicht kohärent. Die Kompensation bei der Kfz-Steuer führe dazu, dass Inländer nicht zusätzlich belastet würden. Den Hinweis darauf, dass die Infrastrukturen des Bundes auch aus Steuermitteln finanziert würden, lässt der EuGH nicht gelten. Die Bundesrepublik hätte keine hinreichenden Angaben zum Beitrag der Kfz-Steuermittel zur Infrastrukturfinanzierung gemacht. Darüber hinaus bemängelt das Gericht, dass die Infrastrukturabgabe von Fahrzeughaltern in Deutschland erhoben wird, auch wenn diese die Bundesstraßen nicht nutzen. Deutschland halte insoweit für Inländer am Steuerfinanzierungsprinzip fest. Die Argumentation verstellt den Blick für das Wesentliche: die Frage, worin die eigentliche Diskriminierung liegt. Nach dem Infrastrukturabgabengesetz werden In- wie auch Ausländer zur Kasse gebeten. Ausländer nur dann, wenn sie die Autobahn tatsächlich nutzen; Inländer bereits, wenn sie ein Fahrzeug halten. Dies stellt eine Ungleichbehandlung dar. Diese geht aber nicht zulasten der fremden Staatsangehörigen. Benachteiligt werden Inländer, die zur Abgabe herangezogen werden, selbst wenn sie die Autobahnen nicht nutzen. Aber: Alle, die die Autobahnen nutzen, sind mautpflichtig.Es ist nicht bestreitbar, dass die Ausgaben für Bau, Erhaltung und Betrieb von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen zu einem Großteil aus Steuereinnahmen finanziert werden. Zwar ist die Kfz-Steuer nicht zweckgebunden, sie vergrößert aber das Gesamtsteueraufkommen, aus dem diese Infrastruktur finanziert wird. Mit Verabschiedung des Infrastrukturabgabengesetzes hat der Gesetzgeber einen Teil der Infrastrukturfinanzierung aus der Steuerfinanzierung herausgenommen und in die Finanzierung durch eine Sonderabgabe überführt. Damit hat er festgeschrieben, dass diese Mittel nur der Infrastrukturfinanzierung dienen.Die Infrastrukturabgabe ist – entgegen der Argumentation des EuGH – gerade keine Steuer, sondern die Gegenleistung für die Bereitstellung der Infrastruktur. Dass dabei an das Halten des Fahrzeugs und nicht die kaum überprüfbare tatsächliche Nutzung der Autobahn angeknüpft wird, steht dem nicht entgegen. Bereits die Bereitstellung der Infrastruktur stellt einen Vorteil dar, für den eine Gegenleistung erhoben werden kann – zumal in Deutschland nahezu jeder Kfz-Halter auch Bundesfernstraßen nutzt, wie das Ministerium durch ein Gutachten feststellen ließ. Eine Steuer ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht als Gegenleistung geschuldet wird. Sie dient der allgemeinen Beschaffung von Geld, das, unabhängig von der Herkunft, nach Maßgabe des Haushalts verwendet wird. ScheingefechtAuch insoweit wird ein Scheingefecht geführt: Es kommt allein darauf an, ob mit der Einführung der Abgabe eine Schlechterbehandlung einhergeht. Eine solche ist nicht festzustellen, wenn die Fahrzeughalter zur Infrastrukturfinanzierung herangezogen werden, unabhängig davon, ob ihr Fahrzeug in Deutschland oder im Ausland zugelassen ist. Dabei ist irrelevant, ob die Einführung des Abgabensystems rechnerisch allein eine Mehrbelastung bei den ausländischen Fahrzeughaltern mit sich bringt, wenn damit lediglich eine Diskriminierung deutscher Fahrzeughalter bei der Finanzierung der von Ausländern und Inländern gleichermaßen genutzten Straßeninfrastruktur ausgeräumt wird.Die Befürworter der Pkw-Maut sind Opfer der eigenen Propaganda geworden. Indem sie – mit der Intention, eine Akzeptanz der Maut zu erreichen – immer wieder hervorgehoben haben, dass der deutsche Autofahrer nicht mehr belastet werden soll und es um die Heranziehung der Ausländer gehe, haben sie den Nährboden gelegt, auf dem das EuGH-Urteil gefällt wurde. Deutschland ist gescheitert, mehr Abgabengerechtigkeit bei der Finanzierung der Autobahninfrastruktur einzuführen. *) Dr. Christian Scherer-Leydecker ist Partner bei CMS Deutschland.