Die Anlageideen der Profis
Von Werner Rüppel
Das Börsenjahr 2021 neigt sich seinem Ende zu, und es ist vor allem für Aktien ein gutes gewesen. In der Folge sind auch praktisch alle Anlageideen der Zertifikateprofis, die in der rendite vor Jahresfrist aufgezeigt wurden, aufgegangen. Nun steht allerdings ein Anlagejahr bevor, dass angesichts steigender Inflationszahlen, Problemen am chinesischen Immobilienmarkt sowie der anhaltenden Sorgen in Bezug auf die Pandemie schwieriger werden könnte. Vor diesem Hintergrund sind die Anlageideen von sieben Zertifikateprofis für das kommende Jahr besonders interessant.
Hussam Masri, Leiter Private Banking und Produktmanagement bei der DekaBank, favorisiert für 2022 Express-Zertifikate. „In einem Marktumfeld, das auch in den nächsten Monaten von einigen Unsicherheiten geprägt sein dürfte, spielen Express-Zertifikate ihre Stärken aus: So bieten sie aus Anlegersicht die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung zur Verkürzung der Kapitalbindungsdauer sowie diverse Auszahlungsprofile und Mechanismen zur maßgeschneiderten Risikosteuerung“, erklärt der Zertifikateexperte. „Die Höhe des Risikopuffers kann dabei je nach Risikoneigung gewählt werden. Zudem steht Anlegern eine große Anzahl an Basiswerten zur Abbildung der individuellen Marktmeinung und Anlegerpräferenz zur Auswahl.“ Wie bei allen Zertifikaten sei auch bei Express-Zertifikaten die Bonität des Emittenten wichtig. Als Produktbeispiel nennt Masri unter anderem ein DekaBank Express-Zertifikat Relax 02/2028 bezogen auf den MSCI World Climate Change ESG Select.
„An der Börse findet das Thema Inflation viel Gehör“, stellt Anouch Wilhelms, Derivate-Experte der Société Générale Frankfurt, fest. „Vor allem für Anleger erhöht es den Druck auf die Rendite der Geldanlage. An Nullzinsen oder negative Zinsen haben sich die meisten mittlerweile gewöhnt. Doch der Schmerz dieser renditelosen Anlage war bisher nicht groß, solange die Inflation sehr niedrig war. Das ändert sich aktuell gewaltig, da eine hohe Inflation zwar nicht direkt den Kontostand verringert. Jedoch verliert der zinslos angelegte Geldbetrag immer stärker an Kaufkraft, je höher die Inflation steigt.“
„Anleger stehen vor einer schweren Aufgabe“, so Wilhelms. „Auf der einen Seite versuchen sie eine möglichst hohe Rendite zu erzielen und auf der anderen Seite das Risiko zu reduzieren.“ Dabei könnten insbesondere Discount-Zertifikate eine interessante Alternative zum Direktinvestment darstellen. „Vor allem, wenn der Anleger das Risiko reduzieren möchte und gleichzeitig nicht mit stark steigenden oder stark fallenden Notierungen rechnet. Die Renditen können über die Auswahl der Aktie oder den Cap sowie die unterschiedlichen Laufzeiten beeinflusst werden. So ist es möglich, eine große Bandbreite an Möglichkeiten darzustellen“, erklärt der Zertifikateprofi.
Euro Stoxx 50 statt Dax
In den Vorjahren hat Matthias Hüppe, Head of Derivatives Public Distribution bei HSBC Deutschland, immer Produkte auf den Dax favorisiert. Nun stellt er den Euro Stoxx 50 als Basiswert in den Vordergrund. „Wurde der Index in der Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt, konnte er in den letzten zwölf Monaten den Dax doch deutlich schlagen. Und das, obwohl es sich gegenüber dem Dax beim Euro Stoxx 50 um einen Kursindex handelt, der die Dividenden nicht einrechnet“, erläutert Hüppe. „Besonders europäische Banktitel, Konsumwerte und Technologietitel haben den Index beflügelt und zeigen, wie wichtig eine Diversifikation im Portfolio ist.“
Ausgewählt hat der Zertifikateprofi ein konservativ ausgestaltetes Capped-Bonus-Zertifikat auf den Euro Stoxx 50 (DE000TT70TZ5), das mit einer Barriere von 3.000 Punkten ausgestattet ist, die mehr als 30% unter dem aktuellen Indexstand liege. Der Cap liegt bei 4.400 Punkten. Durch ein negatives Aufgeld erhalte der Investor einen Discount von 5% gegenüber einem Direktinvestment in den Euro Stoxx 50. Die maximale Rendite betrage 4,3% im Jahr.
Marcus Landau, Derivate-Sales-Experte der DZ Bank, sieht insbesondere bei den Halbleiteraktien Chancen. „Mit dem Trend zu gehen, ist für Investoren in den meisten Fällen die klügere Entscheidung. Eine der aktuell stärksten Branchen ist mit Sicherheit die Halbleiterindustrie. Rohstoffmangel, der schwelende Konflikt zwischen China und USA, die anhaltende Coronakrise und ein rasanter Nachfrageanstieg führen zu anhaltenden Spannungen auf dem Chip-Markt“, erklärt Landau. „Die realwirtschaftlichen Konsequenzen sind weitreichend, doch aus Anlegersicht bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, um von diesen Entwicklungen zu profitieren.“
„Wer hier mit klarer Strategie agiert und konsequentes Risikomanagement betreibt, für den könnten Endlos Turbos Long auf trendstarke US-Halbleiterwerte interessant sein“, sagt der Zertifikateprofi. „Ebenfalls vielversprechend sieht die Gemengelage für Branchenausrüster wie etwa die niederländische ASML Holding aus, die quasi die gesamte Branche zu ihren Kunden zählt.“
Nach Meinung von Alessandro Capuano, Head of Exchange Traded Products bei IG, tritt die Corona-Pandemie zunehmend weiter in den Hintergrund, doch die daraus resultierenden wirtschaftlichen Verwerfungen würden uns noch bis weit ins Jahr 2022 hinein verfolgen. „Anleger müssen sich weiterhin auf anhaltende Störungen der Lieferketten sowie divergierende Inflations- und Wachstumsraten einstellen“, sagt Capuano. „Das fundamentale Umfeld dürfte durch geld- und fiskalpolitische Unterstützung noch immer sehr positiv für weitere Preissteigerungen von Vermögenswerten bleiben.“ Dennoch sei davon auszugehen, dass sich die Volatilität an den Märkten auf einem überdurchschnittlichen Niveau bewegen werde. In einem solchen Umfeld sei Handlungsfähigkeit das A und O, um bei Bedarf schnell und zielgerichtet auf aktuelle Marktentwicklungen reagieren zu können. Hierbei müssten sich Trader auf die von ihnen gehandelten Produkte und deren Anbieter verlassen können, um in jeder Situation einen kühlen Kopf zu bewahren.
„Ein weiterer Aspekt ist die Handlungsfähigkeit auch über die gewöhnlichen Börsenhandelszeiten hinaus, die durch Produkte wie die Turbo24-Zertifikate von IG geboten wird“, erklärt Capuano. „Denn wie wir alle wissen, werden viele kursrelevante Veröffentlichungen erst nach Börsenschluss getätigt.“
„Sinnvolles Nachhaltigkeitsthema“
Sebastian Bleser, Director für Sales und Media Relations bei der Unicredit Bank, favorisiert für 2022 ein Open-End-Zertifikat seines Hauses auf den ESG Global Anti Plastic Index (DE000HVB5PL7). Das Zertifkat sei ein Produkt mit einem absolutem Alleinstellungsmerkmal sowie einem wirklich sinnvollen Nachhaltigkeitsthema. Der Anti Plastic Index bildet die Kursentwicklung von bis zu 25 Unternehmen ab, die Technologien zur Reduzierung, Wiederverwendung oder zum Recycling von kunststoffbasierten Produkten entwicklen, anwenden und/oder vermarkten.
Kemal Bagci von BNP Paribas favorisiert für 2022 ein ETC auf Öl. „Unsere Analysten haben die Inflationsphasen der Vergangenheit ausgewertet und kommen zu dem Ergebnis, dass insbesondere Rohstoffe in Phasen hoher Inflation eine Outperformance generieren. Darunter allen voran Gold und Öl“, erläutert der Experte. „Der Ölmarkt profitiert derzeit von einer hohen Nachfrage aus Asien und Europa, während das Angebot weiter knapp ist. Die OPEC plus hält an ihrem Fahrplan der langsamen Produktionserhöhung fest und das Schieferöl hat große Finanzierungsschwierigkeiten.“ Anleger, die am Ölmarkt partizipieren wollen, finden laut Bagci im RICI Enhanced Brent ETC (DE000PB6R1B1) ein geeignetes Instrument, mit dem sich Rollverluste reduzieren lassen.