Investmentfonds - Interview mit Richard Urwin, Blackrock

"Die Krise ist nicht gelöst, aber sie verschärft sich auch nicht"

Der Investment-Chef der Treuhandsparte hält im kommenden Jahr zweistellige Renditen bei Aktieninvestments für möglich - Niedriges Inflationsrisiko

"Die Krise ist nicht gelöst, aber sie verschärft sich auch nicht"

Die niedrigen Zinsen und die angespannte Lage bei Anleihen könnten dafür sorgen, dass sich die Aktien nächstes Jahr ebenso positiv entwickeln wie im Jahr 2010, sagt Richard Urwin, Head of Investment des für Treuhandmandate zuständigen Teams bei Blackrock.- Herr Urwin, welche großen Trends erwarten Sie für den Aktienmarkt im kommenden Jahr?Die Aktienrenditen 2011 werden stark vom globalen Wirtschaftszyklus abhängen. Wir glauben, dass Aktien konservativ gepreist sind. Diese Bewertung spiegelt die Befürchtung der Investoren wider, dass der Aufschwung schwach oder kurz ausfallen wird. Eine fortgesetzte wirtschaftliche Erholung würde diese Ängste nehmen und der Rally zusätzlichen Schwung verleihen. Wir glauben, dass diese Erholung kommt, aber sie hängt sehr stark vom Wachstum in den Schwellenländern ab. Weitere wichtige Faktoren werden weiterhin niedrige Inflationsraten und Zinssätze in den entwickelten Volkswirtschaften sein. Diese könnten einige Investoren dazu bewegen, größere Risiken einzugehen.- Erwarten Sie, dass die Schwellenländer 2011 besser abschneiden werden als die Industrienationen?Gemessen in den Lokalwährungen haben die Schwellenländer die Industrienationen in diesem Jahr outperformt, aber nur sehr moderat. Es besteht ein sehr starker Konsens darüber, dass die Schwellenländer auch weiterhin outperformen. Aber diese Sichtweise berücksichtigt nicht ihre sehr hohe Bewertung gegenüber den entwickelten Märkten. Die Schwellenländer werden wahrscheinlich ein höheres Wirtschaftswachstum und ein höheres Gewinnwachstum aufweisen. Aber sie werden Gegenwind in Form von stärkerem Inflationsdruck und einer strafferen Geldpolitik bekommen. Indem wir diese beiden Entwicklungen gegeneinander abwägen, erwarten wir zwar eine Outperformance der Schwellenländer. Diese wird aber nicht substanziell sein.- Welche Rolle wird denn Ihrer Meinung nach die Schuldenkrise der Eurozone spielen?Die Verschuldungskrise wird kurzfristig nicht beseitigt werden. Die Befürchtungen, dass kleine europäische Staaten insolvent werden, werden bestehen bleiben. Dies wird wiederum das Vertrauen in die Stabilität des Bankensektors negativ beeinflussen. Allerdings war die Antwort der Politik robust und würde noch robuster ausfallen, sollte sich die Krise verschärfen. Im Augenblick sehen wir einen Stillstand. Die Krise ist nicht gelöst, aber sie verschärft sich auch nicht. Sollte es zu keiner weiteren Zuspitzung kommen, glauben wir, dass die Krise die Anleihe- und Aktienmärkte 2011 nicht so stark beeinflussen wird wie in diesem Jahr.- Wie stark wird, auch angesichts der Schuldenkrise, die Risikoscheu der Anleger das Jahr dominieren?Wir sind der Überzeugung, dass die Stimmung der globalen Investment Community nach wie vor risikoaver s ist. Dies drückt sich in den niedrigen Anleiherenditen und den konservativen Aktienbewertungen aus. Viele Investoren sind nach wie vor vorsichtig positioniert. Es gibt kaum einen Hinweis auf irrationale Übertreibungen bei den risikobehafteten Assetklassen. Bei niedrigen Zinsen und fortgesetzter wirtschaftlicher Erholung werden die Investoren im kommenden Jahr bereit sein, wieder mehr Risiken zu nehmen.- Risikoaversion, niedrige Zinsen, positive Gewinnerwartungen – das klingt alles wie die Prognosen für das Jahr 2010. Was wird denn 2011 anders?Wir halten die Erwartungen in Bezug auf Unternehmensgewinne für realistisch, aber sie werden 2011 im Vergleich zu 2010 schwieriger zu übertreffen sein. Vielmehr sind wir skeptischer im Hinblick darauf, dass die Bondrenditen niedrig bleiben. Denn während die langfristigen Inflationserwartungen – wie wir meinen – fair eingepreist sind, halten wir die Realzinsen für ungewöhnlich niedrig. Hier würden wir für 2011 einen leichten Anstieg erwarten, obwohl die Möglichkeit eines Ausverkaufs am Bondmarkt beschränkt ist, wenn die Zentralbanken die Zinsen auf niedrigem Niveau halten.- Ist es denn angesichts des Niedrigzinsumfelds derzeit sinnvoll, in Anleihen zu investieren?Wir erwarten, dass Aktien mit hohem Ertragspotenzial Bonds outperformen werden. Wie bereits eben gesagt halten wir die Bewertungen von Bonds für angespannt, während die Aktienbewertungen eher attraktiv sind. In einem Umfeld langsamer steigender Unternehmensgewinne könnte die nachhaltige Erzielung der Gewinne eine stärkere Rolle spielen. Dies wiederum könnte bedeuten, dass Aktien mit einem höheren Ertragspotenzial outperformen. Gleichwohl werden solche High-Yield-Aktien, die ihr höheres Ertragspotenzial aus höheren Risiken speisen, wohl etwas schlechter gestellt sein.- Welche Rolle wird das Thema Inflation 2011 spielen?Wir glauben, dass das Inflationsrisiko in den meisten entwickelten Industrienationen im kommenden Jahr niedrig bleibt und allgemein die Ziele der Zentralbanken eher unterschreitet. Dies spiegelt die Existenz hoher Überkapazitäten wider und den fehlenden Boom, um sie abzubauen.- Droht eine Deflation?Das Risiko einer Deflation bleibt gering, nicht zuletzt wegen des anhaltenden Wirtschaftswachstums. Darüber hinaus ist der Kernaspekt eines deflationären Prozesses der, dass die Preise über eine breite Palette von Gütern und Dienstleistungen nicht fallen, ein Preisverfall aber nach wie vor erwartet wird. Derzeit sind die Inflationserwartungen ganz klar positiv und allgemein übereinstimmend mit den Inflationserwartungen der Zentralbanken.- Was werden die Notenbanken tun?In einigen Ländern der Schwellenmärkte ist das Inflationsrisiko nicht unerheblich. Allgemein gibt es in diesen Wir tschaften viel weniger freie Kapazitäten, das Wachstum ist stärker und der Einfluss höherer Lebensmittelpreise größer. Wir erwarten, dass Bedenken über die steigende Inflation in Schwellenländern 2011 zu Leitzinserhöhungen in diesen Ländern führen. Für England, die USA und die Eurozone erwarten wir das für das kommende Jahr aber nicht.- Mit welchen Renditen ist 2011 an den Aktienmärkten zu rechnen?Unser Basisszenario für Aktien ist eine Wiederholung der diesjährigen Ergebnisse. Aktienmärkte drehen bei hoher Volatilität höher, das wird auch durch Ausverkäufe betont. Hohe Renditen im ein- bis zweistelligen prozentualen Bereich sind möglich. Ein stärkerer Anstieg würde auf einem größeren Vertrauen in längere Perioden niedrigerer Zinsen und wirtschaftlicher Erholung basieren. In einem solchen Szenario könnten die Aktienrenditen sich um die 20 % bewegen.- Was erwarten Sie von den Rohstoffmärkten, wird die Rally anhalten?Die Spotpreise der Rohstoffe werden wahrscheinlich weiter steigen. Ein Schlüsselfaktor in diesem Zusammenhang ist die weiter zunehmende ökonomische Kraft in den Schwellenländern, insbesondere in China, und ein Angebot, das nicht so schnell ausgeweitet werden kann, wie die Nachfrage steigt.—-Das Interview führte Martin Hampel.