ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Die neue Regulierung in Großbritannien wirft ihre Schatten voraus

Börsen-Zeitung, 28.8.2012 In den vergangenen Wochen hat London die Blicke der Welt auf sich gezogen. Teils aus erfreulichen Gründen, wie den Olympischen Spielen in London. Weniger erfreulich ist dagegen der angerichtete Imageschaden durch die...

Die neue Regulierung in Großbritannien wirft ihre Schatten voraus

In den vergangenen Wochen hat London die Blicke der Welt auf sich gezogen. Teils aus erfreulichen Gründen, wie den Olympischen Spielen in London. Weniger erfreulich ist dagegen der angerichtete Imageschaden durch die Manipulation des Libor und den Geldwäscheskandal.Schon vor Bekanntwerden der jüngsten Fehltritte war der Unmut der Menschen über die Finanzdienstleister groß. Nach zwei Bärenmärkten innerhalb eines Jahrzehnts steht vor allem die Investmentbranche vor der Aufgabe, Anleger von den Vorzügen einer Geldanlage zu überzeugen. Und die wird nicht eben leichter dadurch, dass die Gebühren der Manager an den ohnehin mageren Erträgen zehren.Seit geraumer Zeit sieht es deshalb die britische Finanzaufsicht FSA als ihre Pflicht an, das angeschlagene Vertrauen wiederherzustellen. Das war auch die treibende Kraft hinter einer neuen Richtlinie mit dem sperrigen Namen “Retail Distribution Review”, kurz RDR. Im Kern ist es die Generalüberholung des Beratergeschäfts der britischen Finanzdienstleistungsbranche.Parallel dazu arbeitet die Europäische Union (EU) an einer Novellierung der Richtlinie für Märkte für Finanzinstrumente – kurz Mifid II -, mit der so genannte “Restricted Advisers”, die nur Vorschläge zu bestimmten Produkten und Anbietern unterbreiten, weiter Provisionen erheben dürfen. EU will TransparenzDass ihm nicht an einem vollständigen Provisionsverbot gelegen ist, sondern an mehr Transparenz und besserer Information für Privatanleger, hat das EU-Parlament klar zum Ausdruck gebracht. KIID, Beratungsprotokoll, Informationsblatt und Vereinfachter Verkaufsprospekt unterstreichen das. Ganze sechs Jahre hatte die FSA an der Richtlinie laboriert. Jedoch drang erst gegen Ende eine Flut von Details an die Öffentlichkeit. Um die Auswirkungen der RDR zu verstehen, muss man sich das Modell des Privatkunden-Investmentmarktes in Großbritannien vor Augen führen. Anders als im übrigen Europa, wo Anlageprodukte über große Vertriebskanäle wie Banken vertrieben werden, nehmen Anleger in Großbritannien hierzu die Dienste eines Finanzberaters in Anspruch. Ausgerichtet an ihren finanziellen Zielen berät er über die für seine Kunden am besten geeigneten Investmentprodukte.Begünstigt wurde dieses Modell in Großbritannien durch verschiedene Faktoren. Etwa durch die Tradition des Aktienbesitzes, wodurch Wertpapierhändler seit Jahrzehnten zum Geschäftsleben dazugehören. Seit Langem verbreitet sind auch Investmentfonds, die über Lebensversicherungen und unabhängige Vermögensverwalter angeboten werden. Zudem hat die private Altersvorsorge für die Briten einen weit höheren Stellenwert als anderswo. Durch die vergleichsweise niedrigen staatlichen Renten im Vereinigten Königreich sind Menschen gezwungen, privat vorzusorgen und sich professionell beraten zu lassen.Während Honorarberater für ihre Leistung ein Honorar in Rechnung stellen, werden die Berater beim Provisionsmodell aus den Gebühren für die jeweiligen Produkte bezahlt. Hierzu gehören der Ausgabeaufschlag und die Bestandsprovision, die sich in der Regel auf bis zu 0,5 % der Anlagesumme belaufen. Beim Provisionsmodell, so befürchtete die britische Finanzaufsicht, könnte Anlegern entgehen, dass sie nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Beratung bezahlen. Zudem könnten durch die Provision bestimmte Anlageprodukte bevorzugt empfohlen werden.Die Bestimmungen der neuen Richtlinie sehen deshalb vor, dass ab 2013 Beratergebühren nicht mehr als Teil der Provisionen über die Produktkosten abgerechnet werden dürfen. Kritiker hegen die Befürchtung, dass Berater künftig nur schwerlich Kunden mit kleinem Anlagevermögen erreichen. Ein Beispiel: Wer bislang ohne mit der Wimper zu zucken 25 Pfund pro Jahr an Bestandsprovisionen auf eine Anlagesumme von 5 000 Pfund gezahlt hat, könnte sich von einer Beratungsgebühr in Höhe von sagen wir 200 Pfund abschrecken lassen.Folglich wird damit gerechnet, dass viele Finanzberater der Branche den Rücken kehren. Eine im Auftrag der FSA von Deloitte durchgeführte Untersuchung schätzt, dass sich künftig nur ein Drittel der Kunden, die bislang die Dienste provisionsabhängiger Berater in Anspruch genommen haben, eine Honorarberatung leisten werden. Viele Banken haben bereits die Zahl ihrer Finanzberater für den Massenmarkt deutlich reduziert. Sie werden sich in Zukunft verstärkt vermögenden Privatkunden zuwenden, die eher bereit sein dürften, ein Beratungshonorar zu zahlen. Dass die Finanzaufsicht eines ihrer ursprünglich mit der RDR verfolgten Ziele aufgegeben hat – besserer Zugang zu Finanzberatung -, spricht da Bände. Eine der Herausforderungen für die Investmentbranche besteht also darin, die Kommunikation mit den Anlegern zu verbessern. Wir prüfen deshalb, wie wir unsere Marketingkanäle umstrukturieren und damit besser auf die Bedürfnisse unserer vielschichtigen Kundschaft reagieren können. Kosten separat ausweisenDas separate Ausweisen der Beratungskosten macht die Gebührenstruktur transparenter und dürfte für mehr Wettbewerb und sinkende Kosten sorgen. Berater werden ihr Augenmerk noch stärker auf den Erfolg der Anlageprodukte richten. Für die Produktanbieter dürfte das den Druck erhöhen, mit ihren Anlageprodukten eine starke Performance zu erzielen, um die Verwaltungskosten zu rechtfertigen. Fonds mit dauerhaft schwacher Performancebilanz werden vom Markt verschwinden.Auch die mit der neuen Richtlinie verbundenen betrieblichen Anforderungen haben es in sich. Um eine neue Gebührenstruktur aufzusetzen, mussten die Produktanbieter neue Anlageklassen ohne Provisionen, “saubere Anlageklassen”, auflegen. Auch Anbieter von außerhalb der Insel müssen künftig sicherstellen, dass in Großbritannien an Privatanleger vertriebene Produkte über eine saubere Anlageklasse verfügen. Wir arbeiten an der Schaffung sauberer Anlageklassen für unsere Kunden in den Niederlanden, denn der dortige Beratungsmarkt weist Ähnlichkeiten mit dem britischen auf. Niederlande folgtIn den Niederlanden soll Anfang 2014 ein Provisionsverbot eingeführt werden. In Erwartung, dass dieses Verbot eintreten wird, haben die größten Banken bereits entsprechende Investmentprodukte eingeführt. Das Provisionsverbot in den Niederlanden wird auch den Versicherungsmarkt betreffen, womit der Wirkungsbereich weit größer sein wird als in Großbritannien.Die FSA hat mit ihrer neuen Richtlinie den normativen Weg beschritten. Vermutlich weil der Aufsichtsbehörde bewusst war, dass der auf reinen Prinzipien basierende Regulierungsansatz zunehmend in die Kritik geraten ist. Letztlich wird sich zeigen, wie sich die provisionsabhängigen Gebührenstrukturen im Rest Europas weiterentwickeln. In der Zwischenzeit dürften die anderen europäischen Länder mit großem Interesse die Entwicklungen in Großbritannien und den Niederlanden verfolgen.