Asset Management - Interview mit Klaus Dauner, Allianz Pension Consult

"Ein Spagat für die Vermögensanlage"

Stiftungen können Finanzkrise nicht aussitzen - 10 Prozent der Gelder sind für wohltätige Zwecke verloren - Aktien dauerhaft reduziert

"Ein Spagat für die Vermögensanlage"

Im Gegensatz zu anderen institutionellen Investoren können Stiftungen nicht abwarten, bis sich Verluste bei Wertpapieren wieder neutralisieren. Sie müssten permanent Erträge aufbringen, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen, sagte Klaus Dauner, Geschäftsführer der Allianz-Beratungstochter Allianz Pension Consult , im Interview der Börsen-Zeitung. Neben einer drastischen Reduzierung der Aktienbestände hätten viele wohltätige Organisationen als Lehre aus der Krise – enttäuscht über Verluste und falsche Ratschläge – ihre Vermögensverwalter ausgetauscht.- Herr Dr. Dauner, Sie beraten als Geschäftsführer von Allianz Pension Consult unter anderem Stiftungen bei ihrer Vermögensanlage. Was ist das Besondere bei dieser institutionellen Investorengruppe?Es gibt für Stiftungen zwei schwer zu vereinbarende Regeln. Auf der einen Seite müssen sie erreichen, dass das Vermögen mindestens nominal, besser real erhalten bleibt. Auf der anderen Seite müssen sie den Stiftungszweck erfüllen und die Erträge zu einem großen Teil, nämlich zwei Dritteln, auch tatsächlich ausgeben. Das ist ein Spagat für die Vermögensanlage.- Inwiefern?Sie können nicht ohne weiteres warten, dass sich die Situation an den Märkten wieder verbessert, da ständig der Stiftungszweck erfüllt werden muss. Der Zustrom von laufenden Erträgen ist für Stiftungen also existenziell. Das Volatilitätsrisiko durch Ausschläge an den Märkten oder starke Zinsschwankungen ist für Stiftungen daher viel schlimmer als für andere Institutionelle.- Wie haben sich vor diesem Hintergrund die Stiftungen in der Finanzkrise im Vergleich zu früheren, normalen Zeiten geschlagen?Nach Berechnungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen haben die Stiftungen in den Jahren 2006 und 2007 im Schnitt eine Nettorendite von 4,4 % erzielt. Die Nettorendite entspricht dem Ergebnis der Kapitalanlage, also laufende Erträge und realisierte Gewinne und Verluste abzüglich der Aufwendungen. Bis Ende 2008 ist dann das Vermögen aller deutschen Stiftungen, das etwa geschätzte 100 Mrd. Euro umfasst, im Vergleich zu Ende Juli 2007 um 10 % zurückgegangen. Dabei handelt es sich zum Teil um realisierte Verluste, zum Teil um stille Lasten, wenn die Wertpapier-Verluste nicht realisiert wurden.- Haben die meisten Stiftungen die Verluste realisiert?Das ist sehr unterschiedlich. Wir wissen von einigen großen Stiftungen, dass sie ihre Anlagen umgeschichtet und daher auch die Verluste realisiert haben. Bei kleineren Stiftungen ist kaum statistisches Datenmaterial vorhanden. Aber bei den Kleineren gehen wir eher davon aus, dass die Verluste nicht realisiert worden sind. Wir halten es ebenso wie übrigens der Bundesverband für wahrscheinlich, dass die Nettorendite 2008 auf etwa 3,5 % bis 4 % zurückgegangen ist. Das heißt somit, dass bei weitem nicht alle Verluste bei den Stiftungen realisiert worden sind. Der Rückgang der Nettorendite bedeutet, dass es 1 Mrd. Euro Ertrag weniger gibt als zuvor. Das bedeutet, dass mit diesem geringeren Ertrag die Stiftungszwecke erfüllt werden müssen. Also deutlich weniger Geld für Bildung, Kultur, Wissenschaft oder Umwelt.- Wie sehen die ersten Indikationen für 2009 aus?Es ist schwierig, bereits Aussagen für dieses Jahr zu treffen. Immerhin gab es eine leichte Erholung an den Aktienmärkten, bei den Festverzinslichen gab es unterschiedliche Trends. Bei den Unternehmensanleihen gab es eher wieder rückläufige Spreads und damit Kursgewinne, wobei das Zinsniveau derzeit eher volatil ist. Wie die Renditen der Stiftungen derzeit aussehen, lässt sich somit nicht abschätzen.- Woran lag es denn genau, dass die Stiftungen in der Krise so gebeutelt wurden?Das ist ähnlich wie bei allen langfristigen institutionellen Anlegern. Die Stiftungen waren investiert wie alle anderen auch: etwa 80 % Festverzinsliche und 20 % Aktien. Da ist der Wertverlust auf die Aktien – seit September 2008 etwa 40 % – voll durchgeschlagen. Damit lässt sich umgerechnet fast der komplette Vermögensverlust von 10 % bei den Stiftungen erklären. Daneben leiden die Stiftungen unter der großen Steilheit der Zinskurve, da die kurzfristigen sehr weit unter den langfristigen Zinsen liegen. Das ist ein Dilemma, denn wegen der hohen Inflationserwartungen wollen die Stiftungen wie die anderen Institutionellen nicht in langlaufende Papiere gehen, weil sie sich vor Abschreibungen fürchten. Aber im kurzfristigen Bereich gibt es nur eine extrem niedrige Rendite.- Wie haben die Stiftungen auf die hohen Verluste bei Aktien reagiert?Da muss man zwischen den Großen und den Kleinen unterscheiden. Es gibt insgesamt etwa 33 000 Stiftungen in Deutschland. Davon etwa die Hälfte sind rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts. Von diesen haben mehr als 70 % ein Vermögen von weniger als 1 Mill. Euro. Bei den wenigen größeren Stiftungen war in der Krise zu verzeichnen, dass sie teilweise rechtzeitig, teilweise etwas zu spät aus den Aktien rausgegangen sind. Die Quote ist auf 10 bis 15 % zurückgegangen. Kleinere Stiftungen sind fast ausschließlich in Investmentfonds investiert und teilen damit überwiegend das Schicksal dieser Fonds.- Hatten die meisten Stiftungen den richtigen Riecher zum rechtzeitigen Ausstieg aus Aktien?Sehr unterschiedlich. Es gibt auch welche, die offen zugegeben haben, dass sie Verluste gemacht haben.- Wen hat die Aktientalfahrt denn voll erwischt?Die Hertie-Stiftung etwa spricht von einer Jahresperformance auf das Gesamtvermögen von – 9 % für das Jahr 2008.- Wem ist der rechtzeitige Ausstieg gelungen?Vermutlich der VW-Stiftung. Dort ging die Nettorendite zwar auch zurück, aber sie war mit 4,03 % noch ordentlich.- Wo haben die Stiftungen aufgestockt, als sie aus Aktien herausgingen?Im Rentenbereich. Dort gibt es einen Trend zu Unternehmensanleihen, teilweise sind es nun sogar direkte Engagements und nicht mehr über Fonds. Da besteht jedoch trotz der attraktiven Rendite ein gewisses Adressrisiko. Zudem gibt es einen Trend zu Immobilien wegen deren Inflationssicherheit, und zwar als direktes Engagement oder über Fonds.- Waren die Umschichtungen bei den großen Stiftungen nur eine kurzfristige Reaktion, oder ist es sogar eine Änderung der langfristigen Strategie?Ich gehe davon aus, dass es sich bei vielen Stiftungen um eine dauerhafte Strategieänderung im Aktienbereich handelt. Nach unseren Untersuchungen haben sie sich ähnlich verhalten wie die Lebensversicherer. Bei den Lebensversicherern war die Reduzierung der Aktien nicht nur eine taktische, sondern eine strategische Veränderung. Wir bei Allianz Leben zum Beispiel haben unsere strategische Aktienquote von mehr als 20 unter 10 % reduziert, wobei unsere langfristige strategische Aktienquote bei 15 % liegt.- Sind die Stiftungen auch in neue Assetklassen gegangen? Vielleicht in Forst oder Kunst?Davon habe ich nichts gehört. Aber ein Trend ist sicherlich der Drang zu stärkerer Sicherheit und zu mehr Transparenz. Alles, was kompliziert oder schwer verständlich wie ein Zertifikat ist, wird nun eher gemieden. Die einfachen und direkten Investitionen, bei denen man genau weiß, wie sie funktionieren, haben zugenommen. Als Beispiel hierfür ist etwa der Inflationsschutz über den permanenten direkten Einkauf von zehnjährigen Staatsanleihen und damit des aktuellen Zinses statt über eine komplizierte Derivate-Konstruktion zu nennen. Der Schutz des Vermögens vor Inflation ist für Stiftungen immens wichtig.- Es gab viel Kritik an Vermögensverwaltern und Fondsmanagern im Zuge der Krise. Haben die Stiftungen daraus Konsequenzen gezogen?Ich denke schon, denn laut einer Umfrage des Bundesverbands haben sich viele Stiftungen darüber beklagt, dass die Anlageempfehlungen von Beratern zu interessengeleitet waren. Die Skepsis ist somit größer geworden, die Vermögensverwalter wurden vielfach ausgetauscht. Für die Kleineren ist das aber schwierig. Im Bereich der Anlage ist es gar nicht so leicht, eine gute Beratung für den Betrag von 1 Mill. Euro zu bekommen. In diesem Bereich gibt es häufig nur Beratung von der Stange.—-Das Interview führte Silke Stoltenberg.