Immobilien

"Eine Flut abstruser Accounting-Standards"

Nur ganz wenige Immobilien-AGs finden IAS 40 positiv - Ergebnisneutrale Alternative schon veraltet

"Eine Flut abstruser Accounting-Standards"

Von Ulli Gericke, BerlinDie Umstellung auf die IFRS-Bilanzierung hat alle Unternehmen in allen Industriezweigen bewegt. Wohl kaum eine Branche wurde dadurch aber so gebeutelt wie die Immobilienwirtschaft, deren börsennotierte Firmen erst Aufwertungsgewinne zeigen konnten, nur wenig später dann aber jahrelang unter heftigen Abwertungen litten. Kein Wunder, wenn in einer Umfrage des ZIA Zentralen Immobilien Ausschusses vor wenigen Wochen nur gut ein Fünftel aller Immobilien-AGs die mit IAS 40 verbundene Fair-Value-Bilanzierung positiv wertet.Begründet wird dieses Votum allermeist mit der hohen Ergebnisvolatilität, die je nach Konjunktur zu übergroßen Ausschlägen in beide Richtungen führt. Von “erratischen Signalen” spricht Alexander Dexne, der Finanzvorstand des SDax-Konzerns Alstria Office, wenn sich weder die Mieterträge noch die Mietlaufzeiten und auch nicht der Cash-flow verändert haben, aber Neubewertungen ein ordentliches operatives Ergebnis in tiefrote Zahlen umfärben – “das ist keinem Kleinaktionär zu vermitteln”.Dennoch wenden inzwischen drei Viertel aller Immo-AGs den Fair-Value-Ansatz nach IAS 40 an, ergab die ZIA-Umfrage weiter. Das restliche Viertel bucht “at cost” zu Anschaffungskosten mit jährlichen gleichbleibenden Abschreibungen (wie früher bei HGB), angereichert mit Anhangsangaben. Während diese Rechnungslegung G+V-Schwankungen vermeidet, lässt die Fair-Value-Bewertung der jeweiligen Bestandsimmobilien die Ergebnisse pendeln – und zwar parallel zum Konjunkturverlauf. Schlechte operative Ergebnisse werden damit noch schlechter, gute aber auch noch besser. Alternative UK-GAAPÜblich in Deutschland sei dabei eine jährliche Gutachterbeurteilung, die in den Quartalsberichten durch eine mit Wirtschaftsprüfern abgestimmte Managementbewertung ergänzt wird.Eine Lösung könnte die britische GAAP Generally Accepted Accounting Practice sein. Immobilienfirmen jenseits des Kanals erfassen Wertänderungen zwischen den einzelnen Perioden in einer Neubewertungsrücklage, womit die jährlichen Auf- oder Abwertungen nicht die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen, sondern sich in einer Veränderung des Eigenkapitals niederschlagen. Satte 75 % der deutschen Immobilienfirmen fänden diese Alternative hilfreich, ergab die jüngst durchgeführte ZIA-Erhebung. “Werden nichts bewegen”Realistischerweise “werden wir jedoch nichts bewegen können”, urteilt Dexne. Und zwar nicht deswegen, weil sich die Bundesregierung taub stellen würde bei den Wünschen der Branche. Sondern weil die Entwicklung schon wieder weiter ist als erhoffte Alternativen. Alstria und ZIA-Geschäftsführerin Tanja Wiebe berichten, dass der Londoner Standardsetter IASB dabei ist, die herkömmliche Gewinn- und Verlustrechnung zu einer Gesamtbetriebsergebnisrechnung (“comprehensive income”) weiterzuentwickeln – in die die Wertschwankungen der Investment Properties eingerechnet werden sollen. Damit hätte sich auch die UK-GAAP überholt samt deren erfolgsneutraler Neubewertungsrücklage. “Zu lange zu passiv”Und die Alternative ist keine, betont Dexne. Denn was bisher “at cost” bilanziert wurde, müsse künftig mit dem neuen Lease-Accounting-Standard verbucht werden, der allerdings so komplex und schwierig sei, dass er alle Immobilien-AGs “in den IAS 40 treiben” werde.Die Immobilienunternehmen würden “von einer Flut von abstrusen Accounting-Standards überschüttet”, klagt der Alstria-CFO – nicht ohne einzuräumen, dass die Branche “zu lange und zu passiv” das Thema IAS 40 verschlafen habe. “Wir müssen dichter an den IASB ran”, lautet denn auch die Erkenntnis für die Immobilienwirtschaft.