Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Michael Abels

"Eine Lex MTU könnte Investoren schrecken"

Industriepolitik qua Kabinettsbeschluss - Deutsche Exportchancen betroffen

"Eine Lex MTU könnte Investoren schrecken"

– Herr Abels, die Bundesregierung hat durch Kabinettsbeschluss vom 5. September § 52 der Außenwirtschaftsverordnung erweitert und damit den Verkauf des Motorenherstellers MTU unter Genehmigungsvorbehalt gestellt. Was steckt dahinter? Die Vorschrift besagt, dass der Erwerb von 25 und mehr Prozent der Anteile an bestimmten deutschen wehrtechnikaffinen Unternehmen, direkt oder indirekt, durch ausländische Unternehmen von der Bundesregierung untersagt werden kann. Betroffenene Produkte waren bisher nur Kriegswaffen wie Panzer oder U-Boote. Jetzt erstreckt sich der Genehmigungsvorbehalt auch u. a. auf Dieselmotoren für Panzer – und da dürfte MTU Weltmarktführer sein. – Sie sehen das kritisch?Im konkreten Fall begrüße ich dies sicherheitspolitisch. Das ist konsequent nach dem Fall Howaldtswerke Deutsche Werft AG, der Anlass für die Einfügung des § 52 AWG war. Aber gleichzeitig macht diese Politik Investoren praktisch unvorhersehbar, ob eine beabsichtigte Akquisition, die bei Beginn nicht dem Untersagungsvorbehalt unterliegt, am Ende nicht doch von der Regierung untersagt werden kann, weil die Bundesregierung das Zielunternehmen als schützenswert erachtet – und diesen Schutz ohne Beteiligung anderer Verfassungsorgane durch schlichte Änderung seiner Rechtsverordnung blitzschnell umsetzen kann. Für Käufer kann das teuer werden. – Was kann man Investoren raten?Nichtdeutsche Interessenten sollten vor Einstieg in eine Transaktion im Kontakt mit der Bundesregierung, insbesondere dem Verteidigungsministerium, herausfinden, ob sie willkommen sind. Dadurch sparen sie Mühe und Geld. Das wird Investoren allerdings auch abschrecken – mit negativem Einfluss auf die Werte deutscher Unternehmen. Firmen, die rüstungsaffine Produkte herstellen, haben es ohnehin schwer genug. – Warum?Mit der Zahl der Krisenherde wächst die Bedeutung des sicherheitspolitisch gefärbten Außenwirtschaftsrechts. Hiervon betroffen sind nicht nur die Genehmigungen für Exporte in echte Krisengebiete. Die Regierung Schröder befürwortet zwar die Aufnahme der Türkei in die EU, hat aber den Nato-Partner Türkei zumindestens skeptisch betrachtet und etwa den Export von Panzern nicht zugelassen. Damit verkleinert sich die Exportchance deutscher Hersteller. Gravierend ist das derzeit: Über Ausfuhrerlaubnisse für Kriegswaffen entscheidet der Bundessicherheitsrat, d. h. ein Kabinettsausschuss. Solange es keine neue Regierung gibt, könnten manche Exporte auf Eis liegen. – Wo liegen die anderen Stolperfallen des Außenwirtschaftsrechts?Anders als in den USA ist es in Deutschland nahezu ein Grundrecht, Güter und Dienstleistungen exportieren zu dürfen. Diese Regel wird im Ausnahmefall durch Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechtes ausgehebelt. Deswegen wissen viele Unternehmen überhaupt nicht, dass sie Güter herstellen oder mit Gütern handeln, die Exportbeschränkungen unterliegen. Es geht auch nicht nur um Waffen und andere Wehrtechnik, sondern um Hightech in einem sehr weiten Sinn. Auch Gegenstände mit vor allem zivilem Nutzen sind gelistet, weil sie auch militärisch-strategische Bedeutung haben können – Dual-use. In vielen Fällen unterliegen auch deren Bestandteile einer Exportbeschränkung – Doch deutsche Unternehmen sind doch darauf vorbereitet?Einige ja, einige weniger, einige sind sehr naiv. Allen Geschäftsführungen ist zu empfehlen, durch sachgemäße Organisation, Fortbildung, intensive Kontrollen und Audits sicherzustellen, dass keine Exportkontrollverstöße begangen werden, die zumindestens drastische Konsequenzen für das Unternehmen und die Kundenbeziehungen haben können. – Zumindest innerhalb Europas dürfte ein Export aber kein Problem sein . . .In der Tat sind Dual-use-Produkte überwiegend europäisch harmonisiert. Innerhalb der EU gelten durchaus Erleichterungen, aber nicht für Wehrtechnik. Der Export von Rüstungsgütern ohne Erlaubnis bleibt ein ernstzunehmender Verstoß gegen Exportkontrollrecht, in der Regel ein schwerer Straftatbestand. – Was droht bei Verstößen gegen die einschlägigen Vorschriften?Haft- oder Geldstrafen, z. T. Mindeststrafen von zwei Jahren, und zwar allen am jeweiligen Exportvorgang beteiligten Mitarbeitern, insbesondere aber dem gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu benennenden Verantwortlichen auf Geschäftsleitungsebene. Er hat für unternehmensinterne Organisation Sorge zu tragen, die Verstöße gegen exportrechtliche Bestimmungen verhindert.Michael Abels ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro von Linklaters Oppenhoff & Rädler. Die Fragen stellte Walther Becker.