ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Einen kühlen Kopf bewahren

Börsen-Zeitung, 9.8.2011 Der Handel mit offenen Immobilienfonds an der Börse offenbart einmal mehr, dass die Lehre von effizienten Märkten ein Märchen ist. Irrationalitäten wie bei vielen Aktien prägen den Handel mit Fondsanteilen - vor allem mit...

Einen kühlen Kopf bewahren

Der Handel mit offenen Immobilienfonds an der Börse offenbart einmal mehr, dass die Lehre von effizienten Märkten ein Märchen ist. Irrationalitäten wie bei vielen Aktien prägen den Handel mit Fondsanteilen – vor allem mit jenen Fonds, deren Anteilsrücknahme von den Gesellschaften vorübergehend ausgesetzt wurde.Der Handel beschränkt sich dabei auf die Regionalbörse Hamburg-Hannover sowie minimale Umsätze an anderen Börsenplätzen. Wieso, bleibt ein spannendes Rätsel. Aber bereits dieses Faktum belegt, dass es mit der Effizienz hapert. Sechsstellige Beträge kommen bei Fonds zusammen, die ein milliardenschweres Volumen verwalten. Selbst die Verbraucherschützer äußern sich skeptisch im Hinblick auf die Preisfeststellungen der offenen Immobilienfonds an der Börse. Denn ob ein Fonds geschlossen oder offen ist, hat nichts mit der Werthaltigkeit seiner Assets zu tun. Starke PreisschwankungenDie preisfeststellenden Market Maker sind von der geltenden Liquiditäts- und Ausführungsgarantie befreit. Trotzdem stellen sie den Kurs. Dadurch entstehen zum einen starke Preisschwankungen. Bereits wenige Transaktionen bewegen die Kurse deutlich. Zum anderen kommt es zu übertriebenen Abschlägen von bis zu 20 % zu den täglich gemeldeten Anteilspreisen der Fondsgesellschaften. Diese Abschläge sind nicht nachvollziehbar.Ähnliche Abschläge hatten Reits vor gar nicht allzu langer Zeit, die Korrektur kam bald darauf. Der Unterschied zu den üblicherweise an den Börsen gehandelten indirekten Immobilienanlagen ist, dass es zu Recht eine Liquiditätsprämie für Fondsanteile geben muss, deren Rückgabe an die Gesellschaft ausgesetzt wurde. Die Höhe des Abschlags kann aber den liquiden Handel wieder in Frage stellen. Verkäufe zu diesem Preis werden nur verzweifelte oder völlig unkundige Privatanleger akzeptieren.Inzwischen haben sich die Kurse etlicher Fonds wieder leicht erholt Bei den Direktbanken zählen offene Immobilienfonds zu den Bestsellern. Ein Zeichen dafür, dass die starken Abschläge übertrieben waren.Ängste werden geschürt, die weniger auf die Werthaltigkeit der im Fonds befindlichen Immobilien abzielen als vielmehr auf die Verfügbarkeit des Kapitals. Berater sind auf Provisionen angewiesen, und volatilere Anlagen werden in der Regel häufiger umgeschichtet als eine wertstabile Position im Portfolio. Nun sollten sie aber nicht ohne Not Anleger zu verlustreichen Verkäufen drängen, wenn sich erstmals ein Grund dafür anbietet. Ist der Immobilienfonds qualitativ gut, sollte der Anleger dabei bleiben. Konservative EntwicklungOffene Immobilienfonds sind eine Langfristanlage. Und viele Kunden sind seit Jahren mit der durch regelmäßige Ausschüttungen stabil konservativen Wertentwicklung zufrieden. Denn öffnet die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) morgen wieder ihre Rücknahmen, verschwindet auch die 20 %ige Liquiditätsprämie. Die Börse kann als Chance gesehen werden. Selten bietet sich eine ähnlich offensichtliche Möglichkeit, Fondsanteile derart günstig einzukaufen und gleichzeitig noch den Ausgabeaufschlag zu sparen.Insbesondere langfristige Investoren können ihren Einstiegspreis dramatisch verringern, ohne dass dies zulasten des eingegangenen Risikos geht. Gerade die Fonds, die über Jahre unter Beweis gestellt haben, dass sie eine konservative Anlagepolitik fahren und auf hohe Einnahmen durch qualitativ gute Mieter setzen, gerade diese Fonds sollte man hier kaufen.Natürlich sollten Investoren das Underlying, also den Immobilienbestand, prüfen. Daneben sollten Anleger prüfen, ob Investmentphilosophie und Anlagepolitik übereinstimmen und zu der eigenen Zielsetzung passen. Im Zuge dessen wird man konservative Fonds entdecken, die beispielsweise die Hälfte ihres Portfolios im soliden deutschen Gewerbeimmobilienmarkt mit besten Objekten, erstklassigen Mietern und in Toplagen haben. Diese Fonds können ihre Bestände oberhalb des Net Asset Value verkaufen und haben eine sehr gute Chance, noch in diesem Jahr wieder zu öffnen. Genau das sind die Schnäppchen, bei denen ein Liquiditätsabschlag in zweistelliger Höhe irrational ist. Liquidität fehltOffene Immobilienfonds haben in den letzten Jahren eine hohe Diversifikation erfahren. Produkte kamen an den Markt, die mehr Risiken durch häufigeres Trading, höheres Leverage oder gar Währungsspekulationen in Kauf nahmen. Einige der hochspekulativen Fonds kamen in Schieflage, weil sie zu teuer gekauft und mit zu hohen Fremdkapitalhebeln agiert haben. Abwertungen und gar Abwicklungen waren die Folge. Doch selbst qualitativ hochwertige Fonds haben als Geldmarktersatz institutioneller Investoren oder Dachfonds gelitten und konnten die Liquiditätsabflüsse nicht ohne Schließung bewältigen, wenn sie verbleibende Fondsanleger schützen wollten. Märkte im AufwindMittlerweile sehen wir anziehende Immobilienmärkte. Seit dem vergangenen Herbst hat sich die konjunkturelle Stimmung aufgehellt. Die Prognosen gehen von einer Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs aus – eine gesunde Basis für gute Aussichten an den Immobilienmärkten.Offene Immobilienfonds werden von den positiven Tendenzen an den Immobilienmärkten profitieren. Die günstige Lage kann für Verkäufe genutzt werden, um die Liquiditätsseite des Fonds zu stärken, was die Chancen auf Wiedereröffnung der geschlossenen Fonds erhöht.Die Belastungen an den Mietmärkten sind vorüber. Selbst wenn die Mieten insgesamt noch nicht die Vorkrisenniveaus erreicht haben, ziehen sie derzeit an, und die Objektpreise steigen.Im Börsenhandel spiegelt sich diese positive Entwicklung jedoch nicht wider, denn es gibt keinen effizienten Handel. Eventuell ist die Liquiditätsprämie der Börse selbst geschuldet, und hätten wir einen liquideren Börsenhandel, würden wir auch realistischere Kurse sehen. Noch ist dies reine Spekulation.Ein liquider Zweitmarkt für den Börsenhandel von Fondsanteilen ist wünschenswert und notwendig. Dazu sollte mindestens eine weitere Börse, zum Beispiel die Börse Frankfurt, den Handel mit offenen Immobilienfonds erheblich verstärken. Solange es den funktionierenden Zweitmarkt noch nicht gibt, gilt für alle Anleger nur eins: einen kühlen Kopf zu bewahren.