INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: LUCA PAOLINI, PICTET AM

"Es gibt kein nachhaltiges Verschuldungsproblem"

Schwellenländer zeigen bessere Fundamentaldaten

"Es gibt kein nachhaltiges Verschuldungsproblem"

Die Staatsschuldenkrise und die niedrigen Zinsen haben die Schwellenländer in den Fokus des Anlegerinteresses gerückt. Milliardenbeträge fließen in die Emerging-Markets-Bonds. Im Interview der Börsen-Zeitung beschreibt Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Management (AM), wieso die Rahmenbedingungen für ein Investment in Schwellenländeranleihen günstig sind.- Herr Paolini, in Europa, den USA und Japan haben wir eine Überschuldung der Staatshaushalte. Wie sieht die Verschuldung in den Schwellenländern aus?Die fiskalischen Fundamentaldaten sind in den Emerging Markets wesentlich besser als in entwickelten Märkten, und es gibt insgesamt kein nachhaltiges Verschuldungsproblem. In den letzten zehn Jahren wuchs die Verschuldung in entwickelten Märkten um circa 50 % und fiel gleichzeitig in derselben Größenordnung in den Schwellenländern. In den entwickelten Märkten beträgt die Verschuldungsrate zum Bruttoinlandsprodukt 114 %, und der Staatshaushalt ist mit – 4 % im Defizit. In Schwellenländern beträgt die Verschuldungsrate 35 % bei ausgeglichenen Haushalten. Die bessere steuerliche Situation beruht auf einem stärkeren Wachstum, besseren demografischen Daten, geringeren Wohlfahrtsleistungen und dem Fehlen von Bankenrettungsaktionen in der Krise.- Welche Folgen wird das Anwerfen der Notenpresse durch die Notenbanken in den USA und Europa für die Industrieländer haben?Das sogenannte Quantitative Easing (QE) bietet aus Investorensicht eine Art Preisuntergrenze für Finanzanlagen, insbesondere nachdem die Intervention nun mehr oder weniger unlimitiert vonstatten geht, bis die angestrebten Ziele, eine niedrigere Arbeitslosenquote in den USA sowie niedrige Zinsen in der Eurozone, erreicht sind. QE hat zudem durch verschiedene Vermögenseffekte eine unterstützende Wirkung auf die Weltwirtschaft. Steigende Preise von Finanzanlagen führen dazu, dass Konsumenten konsumfreudiger werden und der Bankensektor in die Lage versetzt wird, mehr Kredite zu vergeben. Dies sehen wir bereits in den USA, jedoch noch nicht in Europa. QE bedeutet aber auch eine höhere Inflationserwartung, was wiederum Realwerte wie Immobilien, Gold und Rohstoffe unterstützt. Alles in allem ist QE zwar nicht die Lösung des Problems, aber ein notwendiger Schritt, um den Prozess des Schuldenabbaus zu glätten und das sogenannte Fat Tail Risk eines Zusammenbrechens der Finanzmärkte zu reduzieren.- Und für die Schwellenländer?Emerging Markets benötigen QE nicht, da ihre Zinsraten ja nicht annähernd null sind, und es gibt selbstverständlich auch noch weitere Beispiele, die man hier anführen könnte. Dennoch beeinträchtigt das QE in entwickelten Märkten die Volkswirtschaften in den Schwellenländern in zweifacher Hinsicht. Zum einen übt es einen Druck auf das Ansteigen der Währungskurse, zum anderen Aufwärtsdruck auf die Rohstoffpreise und Realwerte der Schwellenländer aus. Da Nahrungsmittel- und Energiepreise einen wesentlich höheren Anteil am Verbrauchswarenkorb in den Emerging Markets ausmachen, steigt der Inflationsdruck. Des Weiteren ist das Zinsniveau in den Emerging Markets durch das niedrige Zinsniveau in den entwickelten Märkten sehr attraktiv und unterstützt die Kapitalzuflüsse, die bis zu einem gewissen Punkt positiv zu sehen sind.- Wird über die Geldpolitik der Industrieländer nicht auch Inflation in die Schwellenländer exportiert?Das hängt von der Währungsaufwertung ab, welche die Emerging Markets tolerieren werden. Wir erwarten Aufwertungen von 10 bis 20 % in den nächsten fünf Jahren, welche den Inflationsdruck reduzieren würden. Wenn die Schwellenländer jedoch in Währungskriege einsteigen und gegenseitig Abwertungen anstreben würden, dann könnte eine Kombination aus steigenden Rohstoffpreisen und kaum vorhandenen Produktionslücken ein Ansteigen der Inflation herbeiführen. Aber das ist nicht unser gängiges Szenario.- Sind die Anleihenmärkte der Schwellenländer eine Alternative?Ja, sie verfügen über bessere Fundamentaldaten, wie zum Beispiel ein niedrigeres Kreditrisiko und höhere Zinsen. Auch erwarten wir weiterhin Nachfrage auf Investorenseite. Wenn man dann noch die erwarteten Währungssteigerungen in Betracht zieht, bieten sie einen guten Mix aus Ertrag und Kurssteigerung.- Welche Länder haben bei einem Anleiheninvestment ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis?Wir würden auf mittlere Sicht “AAA”-Staatsanleihen meiden und glauben, dass manche Schwellenländer mit starken Fundamentaldaten bei attraktiven Zinsniveaus am interessantesten sind. Mexiko ist dafür ein Beispiel. Es gewinnt an den Weltmärkten Marktanteile gegenüber China und wird von der Erholung in den USA profitieren. Zudem hat die neue Regierung Reformprogramme angekündigt.- Bei welchen Währungen in den Schwellenländern sehen Sie Aufwertungspotenzial?Kurzfristig sehen wir sehr gutes Potenzial für Brasilien, da der Real gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat. Auch einige Frühindikatoren weisen in eine gute Richtung. Mittelfristig sehen wir auch China positiv, da die Regierung bestrebt ist, den Wandel von einer export- zu einer konsumorientierten Wirtschaft voranzutreiben. Schließlich noch Indien, da die Rupie nach unseren Berechnungen eine der am meisten unterbewerteten Währungen repräsentiert.—-Das Interview führte Armin Schmitz.