Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Henning Starke

"Es wird auch künftig Fondsschließungen geben"

Aufsichtsrechtlich sind Neubewertungen gesicherte Vorgänge - Zivilrechtlich sieht die Welt anders aus

"Es wird auch künftig Fondsschließungen geben"

– Herr Dr. Starke, jüngst hat der dritte offene Immobilienfonds seine Abwicklung bekannt gegeben. Betreten wir dabei rechtlich Niemandsland?Nein, im Grundsatz haben wir es mit einem Vorgang zu tun, der im Investmentgesetz ausdrücklich geregelt und auch regelmäßig für andere Typen von Sondervermögen beschritten wird: Die Kapitalanlagegesellschaft kündigt die Verwaltung des Fonds und das Sondervermögen geht zur Abwicklung auf die Depotbank über, die die Anleger dann auszahlt. Dabei wird in der Regel versucht, die Vermögensgegenstände des Fonds bereits vor Übergang auf die Depotbank zu veräußern. Natürlich stellen sich nun bei einem Immobilien-Publikumsfonds einige Aspekte anders dar, aber “no man’s land” ist das nicht.- Warum dann die große Aufmerksamkeit bei diesen ersten Fondsabwicklungen?Auch wenn wir Juristen uns das häufig anders wünschen: Es sind doch selten die rechtlichen Aspekte, die breite Aufmerksamkeit erregen, sondern die wirtschaftlichen. Und da ist bemerkenswert, dass jetzt erstmalig Schließungen von Immobilien-Publikumsfonds in deren Abwicklung übergehen.- Daher schaut der Markt genau hin?Ja. Was wird aus den anderen Fonds, die seit 2008 geschlossen sind und bald wieder “öffnen” müssten? Geben ihnen die Anleger eine Chance oder werden sie von Rücknahmeanträgen überflutet, sodass sie auch in die Abwicklung gehen müssen? Welche Abwertungen drohen? Und welche Auswirkungen wird all dies auf das Vertrauen der Anleger haben, die mit 90 Mrd. Euro in solchen Fonds investiert sind?- Was schätzen Sie, wird es weitere Abwicklungen geben? Gibt es einen nachhaltigen Vertrauensverlust?Zwei Wellen von Fondsschließungen innerhalb weniger Jahre und, tatsächlich wichtiger, hohe Abwertungen sind ein Problem. Immobilienfonds sind als offen und als konservatives Investment verkauft worden und haben dann Schlagzeilen als geschlossen und verlustträchtig produziert. Und ich erwarte weitere Abwicklungen, Abwertungen und enttäuschende Nachrichten für einzelne Fonds. Aber, und zum Glück scheinen die Anleger das auch zu sehen, es sind ja keineswegs alle Fonds betroffen. Ich glaube daher nicht, dass ein nachhaltiger Vertrauensverlust in die Anlageform selbst eingetreten ist.- Der offene Immobilienfonds nimmt täglich Anteile zurück, kann aber im Ernstfall seine Immobilien nur mit Verzögerung veräußern. Ist das ein Geburtsfehler, der zu korrigieren ist?Das wird in der Tat häufig so gesehen, ich bin da jedoch anderer Auffassung. Immobilien sind nicht täglich verwertbar, und wenn ein Fonds es im Regelfall dennoch schafft, täglich Anteile zurückzunehmen, ist das doch ein fabelhafter Vorteil für den Anleger. Dieser muss lediglich wissen – und das sollte ihm nach unserer Beratungslinie bei der Anlageberatung und im Verkaufsprospekt auch ausdrücklich gesagt werden -, dass es unweigerlich Zeiten geben wird, in denen diese tägliche Liquidität nicht gewährt werden kann. Dann haben wir ein hervorragendes Produkt für den mündigen Anleger. Das heißt aber nicht, dass erkannte Schwächen nicht behoben werden sollten.- Erfüllen die Reformpläne des Gesetzgebers denn diesen Anspruch?Nun, das Finanzministerium scheint mal wieder knapp die Kurve zu bekommen. Die irreal anmutende Vorstellung eines Bewertungsabschlags von 10 % ist vom Tisch. Der jetzt vorliegende Regierungsentwurf scheint mir im Kern vernünftig zu sein, auch wenn die Methodik der Mikroregulierung fortgesetzt wird: Anleger müssen Anteile an Immobilienfonds mindestens zwei Jahre halten. In den beiden darauf folgenden Jahren unterliegt eine Rückgabe dann einem Abschlag von 10 bzw. 5 %. Privatanleger sollen allerdings monatlich Anteile im Wert von bis zu 5 000 Euro abschlagsfrei zurückgeben dürfen.- Ist damit ein wesentliches Problem gelöst?Ja – Nutzung und Destabilisierung von Immobilienfonds für die kurzfristige Anlage von institutionellen Geldern. Gegen einen Run von Privatanlegern bleibt man natürlich weiter nicht gefeit, und es wird sicher auch in Zukunft Fondsschließungen geben. Aber, wie gesagt: großer Vorteil sticht kleinen Nachteil.- Sie sprachen Abwertungen an. Ergeben sich hier rechtliche Risiken?Aufsichtsrechtlich sind Neubewertungen von Anlagegegenständen und entsprechende Anpassungen des Fondspreises grundsätzlich gesicherte Vorgänge. Zivilrechtlich sieht die Welt anders aus. Nicht alles, was von der Aufsicht BaFin toleriert wird, muss auch zulässig sein. Hier stellen uns jetzt institutionelle Anleger zum ersten Mal die Frage, ob Abwertungen in nennenswert zweistelliger Prozenthöhe nicht darauf hindeuten, dass bei der Verwaltung des Fonds Fehler gemacht wurden. Hat man zur Unzeit die falschen Immobilien zu überhöhten Preisen erworben? Hat man unzureichende Liquiditätsvorsorge betrieben? Sind Bewertungen richtig beauftragt, durchgeführt und gewürdigt worden? Hieraus werden sich meiner Meinung nach die dauerhaftesten Folgen von Schließungen und Abwicklungen für die Branche ergeben.—-Dr. Henning Starke ist Partner bei SJ Berwin in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.