Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jochen Kindermann

EU-Vorstoß gegen alternative Investmentfonds trifft Private Equity

"Verzerrung des Wettbewerbs" - Auch offene Immobilienfonds "gefährdet"

EU-Vorstoß gegen alternative Investmentfonds trifft Private Equity

– Herr Kindermann, die Verbände laufen derzeit Sturm gegen den Richtlinienentwurf zu den Managern alternativer Investmentfonds. Worum geht es in dem Vorhaben?Die EU-Kommission hatte bei der Ursachenforschung zur Finanzkrise festgestellt, dass bestimmte Hedgefonds die aufgetretenen Marktturbulenzen verstärkt haben könnten, und sie damit als systemisches Risiko identifiziert. Da eine umfassendere Aufsicht der Hedgefonds ohnehin seit längerer Zeit auf der Agenda stand, wurde kurzfristig ein Richtlinienentwurf erarbeitet. Der vorgelegte Entwurf hat bereits zu erheblichen Reaktionen insbesondere des englischen Finanzmarktes geführt, der eine Abwanderung der Hedgefonds befürchtet.- Welche Anlage- bzw. Fondsgesellschaften sind betroffen?Tatsächlich geht der Entwurf weit über die Hedgefonds-Regulierung hinaus und erfasst sämtliche Fonds, die nicht bereits als sogenannte OGAW-Fonds nach der EU-Investmentdirektive harmonisiert sind. Mit diesem Ansatz finden sich auf einmal Fonds, die weder im weitesten Sinne der Kategorie Hedgefonds zuzuordnen sind, noch als systemisch relevant einzustufen wären, im Zentrum der Regelung wieder. Nur um einige aufzuzählen: Private- Equity-Fonds, offene Immobilienfonds, Spezialsondervermögen und geschlossene Fonds würden nach dem Richtlinienentwurf als “alternative Investmentfonds” erfasst und folglich einer umfassenden Aufsicht unterstellt.- Wie weitreichend wären die hierzulande erforderlichen Änderungen?Die erforderlichen Änderungen unterscheiden sich je nach Art des Fonds. Noch am wenigsten betroffen wären deutsche Hedgefonds, die schon heute umfassend reguliert sind. Für sie dürften die erheblichen Transparenz- und Organisationspflichten vor allem zu neuen Kosten führen. Anders sieht dieses für Private Equity und geschlossene Fonds aus. Diese würden den gesamten Katalog der Neuregelung spüren und unter umfassende Aufsicht gestellt. Für den Private-Equity-Bereich resultiert daraus auch eine Verzerrung des Wettbewerbs, denn Private- Equity-Fonds wären durch die erheblichen Mehrkosten gegenüber anderen nicht erfassten Marktteilnehmern, etwa Family Offices oder Gesellschaften aus Nicht-EU-Ländern, erheblich benachteiligt.- Würden denn die Kunden von den Regelungen profitieren?Kaum. Geschlossene Fonds müssten nach dem Entwurf vor allem organisatorische Vorkehrungen treffen, deren Mehrwert für den Kunden sehr fraglich ist. Spezialsondervermögen wiederum unterliegen auch heute bereits einer umfassenden Aufsicht. Der Richtlinienentwurf sieht eine Vielzahl von Pflichten vor, die für diese Fonds aufgrund ihrer Ausrichtung am institutionellen Kunden im Grunde keine Relevanz haben. Und bei den offenen Immobilienfonds ist sogar das Geschäftsmodell gefährdet.- Inwiefern?Sie dürften nur noch an professionelle Kunden vertrieben werden, was faktisch dem Gegenteil ihrer heutigen Ausrichtung auf Privatkunden entspricht. Die Auswirkungen auf die einzelnen Produktkategorien machen deutlich, dass der dem Entwurf zu Grunde liegende Ansatz des “one size fits all” nicht geeignet ist, die Risiken der unterschiedlichen Produkte sachgerecht zu erfassen.- Welche Reaktionen sind im deutschen Markt zu erwarten?Der Markt hat zum Teil bereits reagiert, und es liegen erste Stellungnahmen der Verbände vor. Angesichts der Fragmentierung des deutschen Marktes überrascht es jedoch nicht, dass die Reaktionen verglichen mit denen der englischen Industrie geradezu verhalten sind. Die dortige Industrie ist in Aufruhr, sieht in dem Entwurf einen Angriff auf die englische Hedgefonds-Industrie und betreibt dagegen umfassendste Lobbyarbeit.- Hilft die Richtlinie, einen EU-Binnenmarkt für alternative Investmentfonds zu entwickeln?Es stellt sich die Frage, warum die Richtlinie überhaupt national bewährte Produkte, wie die deutschen offenen Immobilienfonds, erfasst. Eine systemische Relevanz ist nicht erkennbar. Insgesamt bedarf es einer weit größeren Differenzierung auf Grundlage einer Risikoeinschätzung, um nicht falsche Signale zu setzen. In der vorliegenden Form hilft der Entwurf keinesfalls, zukünftige Finanzkrisen zu vermeiden.—-Jochen Kindermann ist Partner im Frankfurter Büro von Simmons & Simmons. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.