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Ewiges Katz-und-Maus-Spiel

Steuerzahlers Herz schlägt für Steuersparmodelle - Meist siegt aber der Fiskus im Wettlauf mit dem Anleger

Ewiges Katz-und-Maus-Spiel

Von Stefanie Schulte und Armin Schmitz, Frankfurt Steuervermeidung gehört zu den beliebtesten Hobbys der Deutschen. Denn nur wenige andere Themen sind hierzulande so emotional besetzt. Kein Wunder, muss doch der Bundesbürger nach Schätzungen der OECD Abgaben von rund 55 Prozent auf das erzielte Einkommen in Form von offenen oder verdeckten Abgaben leisten. Von dem Bedürfnis, dem Fiskus so wenig Geld wie möglich zu überlassen, leben der graue Kapitalmarkt und damit auch die Anbieter von geschlossenen Fonds glänzend. Da dies den Steuerbehörden verständlicherweise ein Dorn im Auge ist, gestaltet sich das Verhältnis zwischen Anbietern steueroptimierter Anlagen und geschlossener Fonds einerseits und den Finanzverwaltungen andererseits mitunter wie ein Katz-und-Maus-Spiel. Dem Fiskus sind die Produkte, die dem Steuerpflichtigen 100 % Abzugsfähigkeit der Fondsinvestitionen im Jahr der Anschaffung ermöglichen, ein Dorn im Auge. Die nebenstehende Grafik zeigt, dass allein im Markt für geschlossene Fonds seit 1999 jährlich durchschnittlich 8 bis 10 Mrd. Euro Eigenkapital in entsprechende Produkte investiert wurden. Besonders beliebt sind bei den Anlegern heute geschlossene Immobilienfonds, Schifffonds, Windkraftfonds und Private Equity. Welch unangenehme Überraschungen bei Engagements in vermeintlichen Steuersparmodellen drohen, mussten in der zurückliegenden Woche Investoren in bestimmten zwischen 1998 und 2005 aufgelegten Medienfonds feststellen. Einem Vorstoß der Bayerischen Finanzverwaltung zufolge müssen diese Anleger “mit erheblichen Einkommensteuernachzahlungen sowie Zinszahlungen” rechnen. So heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Helaba-Tochter Hannover Leasing, der zu LBBW und Nord/LB gehörenden LHI sowie der mehreren Banken gehörenden KGAL. Laut Medienberichten ist ein Anlagevolumen von mehreren Milliarden Euro betroffen, nicht nur in Fonds der genannten drei Gesellschaften. Gerichtliche Klärung Hintergrund sei, dass sogenannte Schuldübernahmeverträge von Medienfonds, bei denen Banken Zahlungsverpflichtungen aus Lizenzverträgen übernahmen, als “abstrakte Schuldversprechen” gewertet würden, so die Mitteilung. Dadurch könnten Anleger weniger steuerliche Verluste aus den Fonds geltend machen als gedacht. Eine gerichtliche Klärung, die die Fondshäuser für “unabdingbar” halten, müsse abgewartet werden. Die Finanzverwaltung habe angeboten, bis dahin die geänderten Steuerbescheide nicht umzusetzen. Die Beteiligung an Medienfonds gehörte in den neunziger Jahren und nach der Jahrtausendwende bei den Anlegern zu beliebten Formen der geschlossenen Fonds. Sie wurden meist als Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH und KG) konstruiert. Die Anleger nahmen dabei über eine unternehmerische Beteiligung indirekt an Filmproduktionen teil. Ein Teil dieser Filme war sehr erfolgreich. Filme wie “Herr der Ringe 2”, “Gangs of New York” oder “Der Pianist” konnten ohne die Gelder aus deutschen Filmfonds nicht entstehen. Deutsche investierten über Jahre in diese Fonds Milliardenbeträge in die Filmindustrie Hollywoods. Dort kreierte man den Ausdruck “Stupid German Money”, denn viele Produktionen waren ein Flop. Kaum cineastisches InteresseIn den meisten Fällen standen für die Investoren allerdings weniger der unternehmerische Erfolg oder ein cineastisches Interesse bei ihren Engagements im Vordergrund, sondern die hohen Verlustzuweisungen aus diesen Beteiligungen. Selten konnten sich die Anleger über einen pekuniären Erfolg freuen. Das war vielen Anlegern egal, hatten sie doch nur die Möglichkeit im Auge, auf diese Weise der Umklammerung des Steuerrechts entgehen zu können. Die Verlustzuweisungen konnten sie lange Jahre nicht nur den Einnahmen aus dem Filmgeschäft, sondern auch denen aus anderen Bereichen gegenüberstellen. Die Steuersparmöglichkeiten waren verständlicherweise den Finanzverwaltungen ein Ärgernis. Entgingen dem Fiskus doch Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Vor allem der Vorgänger des heutigen Finanzministers Peer Steinbrück, Hans Eichel, machte sich Ende der neunziger Jahre und Anfang des 21. Jahrhunderts als “Fondsjäger” einen Namen und dichtete dieses Steuerschlupfloch durch verschiedene Medienerlasse sukzessive ab. Mit der Einführung des § 15b EStG im November 2005 war dann das Ende der geschlossenen Medienfonds als Steuersparvehikel eingeläutet. Die Verluste aus “modellhaften” Gestaltungen zu Zwecken der Steuerstundung dürfen seitdem nur noch mit Einkünften aus derselben Einkommensquelle verrechnet werden. Nicht nur Medienfonds, sondern auch anderen steuermotivierten Produkten wie New-Energy-Fonds, Leasingfonds, Wertpapierhandelsfonds und mit Einschränkungen Schiffsbeteiligungen wurde die Attraktivität genommen. Der Markt ist allerdings nicht tot. Die Anbieter erfreuen sich hoher Zuflüsse. Der Fokus der Anleger hat sich freilich geändert. Das Verlangen der Deutschen nach einkommensmindernden Verlustzuweisungen wurde lange Zeit durch den Wunsch nach langfristig hohen Erträgen abgelöst. Nach Ansicht der Analysten der Ratingagentur Scope dürfte durch die Finanz- und Wirtschaftskrise im laufenden Jahr ein Paradigmenwechsel im Anlegerverhalten sichtbar werden. Sicherheitsaspekte für das Anlegerkapital werden eine wesentlich höhere Bedeutung als die Prognoserenditen der Beteiligungsmodelle gewinnen. Möglichkeiten eingeschränkt ³ Neben dem Medienerlass ist der sogenannte Bauherrenerlass ein weiteres Beispiel dafür, wie die Finanzverwaltungen durch Rechtsverordnungen in den zurückliegenden Jahren die Steuersparmöglichkeiten im Immobilienbereich stark eingeschränkt haben. In den siebziger und achtziger Jahren waren viele gut verdienende Bundesbürger für Abschreibungsprojekte und Bauherrenmodelle, ursprünglich auch Kölner Modelle genannt, empfänglich. Bei Letzterem tritt der Anleger nicht als Erwerber der Immobilie auf, sondern als Bauherr. Von den Anbietern dieser Modelle bekamen die Anleger einen Stapel von Verträgen, die zum Ziel hatten, möglichst viele Leistungen als sofort abzugsfähige Werbungskosten darzustellen. Damit konnte der Anleger sehr hohe Verlustzuweisungen in seiner Steuererklärung geltend machen und eine Verrechnung mit anderen Einnahmen vornehmen. Meist wurde eine gewerbliche Vermietungsgesellschaft zwischengeschaltet, sodass Umsatzsteuerbeträge von vornherein erstattet wurden. Wegen der enorm hohen weichen Kosten wie Konzeption, Prospektierung, Vertrieb oder Steuerberatung etc. endete die Beteiligung an diesen Bauherrenmodellen für eine Reihe von Anlegern mit einem finanziellen Desaster. Ein Ende dieser Form von Abschreibungsstrategien kam dann durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Jahr 1984, nach der Abschreibungsobjekte nur noch steuerlich anerkannt werden durften, wenn auch Gewinne angestrebt wurden, und nicht nur Verluste. In den folgenden Jahren wurden die Bauherrenerlasse durch das Bundesfinanzministerium mehrfach erneuert bzw. erweitert und auch auf geschlossene Fonds ausgedehnt. MillionärsfondsNoch gar nicht so lange her ist der Versuch, mit Hilfe von Spezialfonds in Luxemburg die seit Januar 2009 in Kraft getretene Abgeltungsteuer zu umgehen. Voraussetzung war zunächst, dass der Investor eine Eingabe von 125 000 Euro in den Fonds machte. Erst nach einem Jahr wurde dann das Fondsvolumen von 1,25 Mill. Euro fällig. Damit hätten vermögende Anleger die Abgeltungsteuer auf unbestimmte Zeit vermeiden können, solange sie ihr Kapital nicht aus den Fonds in andere Produkte umgeschichtet hätten. Nach Angaben der Finanzkommission CSSF des Nachbarlandes verfügten die Spezialfonds zeitweilig über ein Nettovermögen von mehr als 70 Mrd. Euro. Aus Angst davor, dass die Reichen noch mehr Gewinne am Fiskus vorbeischleusen könnten, strich der deutsche Gesetzgeber die Privilegien für private Spezialfonds-Investoren im November 2007 dann endgültig.