Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Till Grewe

"Fairness Opinions werden am Kapitalmarkt immer wichtiger"

Mehr als nur ein Instrument zur rechtlichen Risikoabsicherung

"Fairness Opinions werden am Kapitalmarkt immer wichtiger"

– Herr Dr. Grewe, gibt es eine rechtliche Grundlage für Fairness Opinions in Deutschland?Nein, bisher gibt es für Fairness Opinions – das sind fachliche Stellungnahmen zur Angemessenheit finanzieller Konditionen einer Unternehmenstransaktion – keine. Einzig die DVFA hat Grundsätze zu Fairness Opinions publiziert, die auf Transaktionen im Rahmen des Übernahmegesetzes (WpÜG) abzielen. Der aktuell vorliegende Entwurf des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) ist hingegen allgemeiner gehalten.- Wann benötigt man eine Fairness Opinion, und wer erarbeitet sie?Die Erstellung ist freiwillig. Fairness Opinions dienen vor allem Organen von Bieter- als auch Zielunternehmen zur rechtlichen Absicherung ihrer Entscheidungen im M & A-Prozess. Diese müssen vor dem Hintergrund der Business Judgement Rule (§93 AktG) Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Aktionären nachkommen, etwa bei Unternehmenskauf und -verkauf oder wenn bei Übernahmeangeboten (§27 WpÜG) eine Stellungnahme der Zielgesellschaft zur Gegenleistung verlangt wird.- Wer beauftragt die Fairness Opinion?Das Management lässt sie meist von Externen wie Investmentbanken, Wirtschaftsprüfern oder Unternehmensberatern anfertigen. Dabei ist es notwendig, Interessenkonflikte zu vermeiden. Der Verfasser sollte unabhängig sein und nicht bereits beratend involviert sein.- Ist es nicht bedenklich, dass der Nutznießer der Fairness Opinion auch Auftraggeber ist: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?Direkte Adressaten sind grundsätzlich die Auftraggeber, meist Vorstand und Aufsichtsrat. Diese beauftragen aber auch gutachtliche Bewertungen und schlagen den Jahresabschlussprüfer vor, insofern sehe ich hier keine Besonderheit. Im Einzelfall können sie natürlich konträre Interessen zu Dritten, z. B. ihren Aktionären haben. Die Fairness Opinion ersetzt aber gerade nicht die eigenverantwortliche Beurteilung des Transaktionspreises.- Welche Rolle spielt der aktuelle Entwurf des IDW-Standards zu Grundsätzen für die Erstellung von Fairness Opinions (IDW ES 8)?Der Entwurf des IDW legt Grundsätze dar, nach denen Wirtschaftsprüfer Fairness Opinions erstellen sollen. Natürlich können sich auch Berater an ihm orientieren. Ziel ist es, ein Regelwerk zu verabschieden, das Vorgehensweise und Dokumentation definiert, um so Transparenz und Vergleichbarkeit von Fairness Opinions zu ermöglichen, unabhängig davon, wer sie verfasst.- Wie muss man sich eine Fairness Opinion inhaltlich vorstellen?Nach dem IDW ES 8 besteht sie aus zwei Teilen: Der Opinion Letter beinhaltet eine kurze, zusammenfassende Beschreibung und Beurteilung der Transaktion und nennt die verwendeten Informations- und Bewertungsgrundlagen. Das Valuation Memorandum verdeutlicht, auf Basis welcher Verfahren und Informationen die Angemessenheit des Transaktionspreises beurteilt wurde – optional können zudem im Factual Memorandum zugrunde liegende Daten zusammengestellt werden.- Ist die Fairness Opinion nicht eigentlich eine reine Bewertung?Sie ist kein Instrument zur Ermittlung des Unternehmenswerts wie die gutachtlichen Unternehmensbewertungen von Wirtschaftsprüfern nach IDW S 1, sondern liefert eine weitere Meinung zur finanziellen Angemessenheit einer Transaktion bzw. eines Angebots. Ihre Erstellung unterliegt oft großen zeitlichen Restriktionen. Zudem ist der Zugang zu nichtöffentlichen Informationen meist eingeschränkt. Daher werden bei Fairness Opinions nach IDW ES 8 abweichend zu Bewertungen nach IDW S 1 neben ertragswertorientierten auch marktpreisorientierte Verfahren auf Basis von Börsenkursen oder Multiplikatoren verwendet.- Welche Rolle werden Ihres Erachtens Fairness Opinions künftig am Kapitalmarkt spielen?Sie haben zwar ihre Wurzeln auf den angelsächsischen Kapitalmärkten, werden aber auch hierzulande immer wichtiger. Verbindliche Standards vermeiden Interessenkonflikte und erhöhen Aussagekraft und Glaubwürdigkeit. Ich bin überzeugt, dass Fairness Opinions mehr als nur ein Instrument zur rechtlichen Risikoabsicherung des Managements sein sollten. Sie müssen auch dem Abbau von Informationsasymmetrien an den Kapitalmärkten im M & A-Prozess dienen und so Mehrwert für Aktionäre leisten. Dazu muss aber der Anteil freiwillig publizierter Opinions steigen, so das anlassbezogen rechtlich möglich ist.—-Dr. Till Grewe, MBA ist Dozent für M & A an der Munich Business School und Berater für Deloitte. Die Fragen stellte Walther Becker.