PORTFOLIO - GASTBEITRAG

Feste Regeln für Volatilitätsstrategien

Börsen-Zeitung, 7.9.2013 Bei der Portfolio-Allokation hat sich auf Investorenseite in den letzten Jahren eine gewisse Enttäuschung breitgemacht: Assetklassen, die als Diversifikatoren eingebaut wurden, erfüllten diesen Zweck zwar in freundlichem...

Feste Regeln für Volatilitätsstrategien

Bei der Portfolio-Allokation hat sich auf Investorenseite in den letzten Jahren eine gewisse Enttäuschung breitgemacht: Assetklassen, die als Diversifikatoren eingebaut wurden, erfüllten diesen Zweck zwar in freundlichem Marktumfeld hervorragend, diversifizierten also Gewinne. Ausgerechnet in den extremen Stress-Szenarien, in denen ein Streuungsnutzen erforderlich gewesen wäre, waren aber die vermeintlich diversifizierenden Assetklassen – genau wie viele (angebliche) “Absolute Return”-Produkte – oft mindestens so stark betroffen wie die traditionellen Portfolio-Bestandteile.Die Assetklasse “Volatilität” zieht daher aufgrund ihrer gerade in diesen Stress-Szenarien interessanten Korrelationseigenschaften das Interesse der Investoren auf sich. Wie muss eine Volatilitätsstrategie ausgestaltet sein, um einen sinnvollen Beitrag zur Portfolio-Allokation zu leisten? Absicherung und ErtragEine Volatilitätsstrategie sollte zwei Zielen gerecht werden, die grundsätzlich miteinander in Konflikt stehen. Zum einen soll sie eine Absicherung gegen Einbrüche am Aktienmarkt und zum anderen eine angemessene langfristige Wertentwicklung bieten.Dass zwischen dem Aktienmarkt und dessen Volatilität eine negative Korrelation besteht, die sich mit größerer Unsicherheit an den Märkten sogar stärker ausprägt, ist weithin bekannt. Daher lässt sich das erste Ziel eines Absicherungsnutzens einfach durch eine Volatilität-Long-Position erreichen.Der systematische Wertverlust, der durch langfristiges Halten einer solchen Position aufläuft, ist dagegen für den typischen Investor weniger einsichtig und überrascht gemeinhin deshalb, weil Volatilität in Investorenkreisen weitgehend als “Mean Reverting”, also um einen langfristigen Mittelwert schwankend, gilt. Dieser Eindruck wird durch den Blick auf die Charts der Volatilitätsindizes (etwa VIX und VStoxx) vermittelt, welche sich tatsächlich in langfristigen Schwankungen um ihre Mittelwerte bewegen.Aus einer Investmentperspektive ist der Blick auf einen solchen Chart jedoch wenig aussagekräftig, da die Volatilitätsindizes lediglich die erwartete Volatilität in einem Zeitpunkt anzeigen, diese Zeitpunktbetrachtungen sich aber nicht durch ein Investment ineinander überführen lassen.Deutlich aufschlussreicher ist die Betrachtung tatsächlich investibler Vehikel wie etwa Volatilitäts-Futures. Die vergangene Wertentwicklung einer Position, die jeweils im nächstfälligen Future-Kontrakt auf den Index investiert ist, zeigte in der Vergangenheit einen kontinuierlichen Wertverlust, der selbst in den Jahren 2008 und 2011 – in denen die Volatilitäten förmlich explodiert sind – kaum unterbrochen wird. Ein Investor, der im April 2004 einen Betrag von 100 Dollar in den nächstfälligen Future auf den amerikanischen Volatilitätsindex VIX (VIX-Futures sind seit April 2004 an der amerikanischen Terminbörse CBOE handelbar) investiert und diese Position jeweils bis heute beibehalten hätte, müsste nun feststellen, dass seine Position auf einen Wert von etwa 3 Cent geschmolzen ist. (Der Future muss jeden Monat bei Fälligkeit in den nächstfälligen Kontrakt gerollt werden). Rollverluste mindern WertVerantwortlich für diesen massiven Wertverlust von Volatilitäts-Long-Positionen sind sogenannte Rollrenditen: Langfristige Volatilität ist in der Regel teurer als kurzfristige. Beim Rollen eines fälligen Future-Kontraktes in den nächsten Future entsteht daher regelmäßig ein Verlust dadurch, dass der zu kaufende Future teurer ist als der fällige. Diese systematischen Kosten spiegeln die Prämie wider, die Investoren für die Absicherungseigenschaften von Volatilität zu bezahlen bereit sind. Sie sorgen dafür, dass Volatilität als investierbare Assetklasse eben nicht “Mean Reverting” ist, sondern im Gegenteil einen eindeutigen langfristig negativen Trend aufweist.Es ist daher offensichtlich, dass eine Volatilitätsstrategie dem zweiten Ziel, eine angemessene langfristige Wertentwicklung zu erzielen, nur gerecht werden kann, wenn sie so konstruiert ist, dass sie diese Rollrenditen nicht bezahlt, sondern vereinnahmt, also überwiegend Volatilitäts-short ist. Geld verdienenDer Short-Position kommt die Rolle zu, zumindest das Geld zu verdienen, welches für die Hedge-Komponente in Form der Long-Positionen langfristig aufgewendet werden muss. Die zentrale Herausforderung für eine Volatilitätsstrategie liegt darin, die Short-Positionen so weit dominieren zu lassen, dass eine zufriedenstellende Wertentwicklung erreicht wird, auf der anderen Seite aber auch hinreichendes beziehungsweise rechtzeitiges Long-Exposure aufgebaut wird, damit sich die Absicherungswirkung dann entfalten kann, wenn sie gebraucht wird.Wie lassen sich diese gegensätzlichen Positionierungen nun in einer Strategie vereinen? Jedem Investor ist wohl aus eigener schmerzhafter Erfahrung bekannt, dass sich Einbrüche am Aktienmarkt nicht zuverlässig und zeitgerecht vorhersagen lassen. Daher ist es ratsam, bei der jeweiligen Positionierung ein festes Regelwerk zumindest als Grundlage zu verwenden. Anzeigen von RisikenEin Ansatz besteht darin, die Volatilitäts-Terminkurve als Indikator zu verwenden und Long-Positionen dann aufzubauen, wenn kurzfristige Volatilität teurer wird als langfristige und somit Risiken in naher Zukunft anzeigt. Alternativ kann dauerhaft Sicherung vorgehalten werden, etwa in Form von Call-Optionen auf die Volatilität, welche bei sprunghaften Volatilitätsanstiegen Gewinne erzielen.Es stehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, um den Akzent zwischen den beiden Zielen der Renditeerzielung auf der einen und des Diversifikationsnutzens auf der anderen Seite zu verschieben. Eine konkrete Umsetzung muss aber vor dem Hintergrund des gesamten Portfolios festgelegt werden, um die beiden Ziele entsprechend den aus dem Portfolio-Kontext hervorgehenden Bedürfnissen auszubalancieren.—-Jörg Zimmermann, Portfolio Manager im Bereich Strukturierte Produkte bei HSBC Global Asset Management