Recht und Kapitalmarkt

Finanzkrise erfordert Prüfung der Managerhaftung

Überwiegend besteht kein Regulierungsproblem, wohl aber die Schwierigkeit der Rechtsdurchsetzung

Finanzkrise erfordert Prüfung der Managerhaftung

Von Igsaan Varachia *) Die Finanzwelt befindet sich in einem dramatischen Umbruch. Die Beispiele IKB, Landesbanken und Hypo Real Estate belegen, dass in diesen Tagen selbst Großbanken nur durch konzertierte staatliche Stützungen vor dem finanziellen Kollaps bewahrt werden können. Begleitet werden diese Maßnahmen von Diskussionen darüber, wie künftig eine höhere Stabilität der Märkte gewährleistet werden kann.Im Fokus stehen dabei eine strengere Finanzaufsicht sowie strengere Kontrollen der Führungsorgane. Einhellig wird kritisiert, dass die Schäden zu einem erheblichen Teil von Managern an der Unternehmensspitze zu verantworten sind und diese nicht in angemessenem Maße zur Verantwortung gezogen werden. Dies wirft die Frage auf, welche praktisch relevanten Haftungsgrundlagen derzeit gegen Mitglieder der Führungsorgane bestehen und inwieweit ein bestehender Versicherungsschutz für entstandene Schäden in Anspruch genommen werden kann. Die GrundlagenVorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzen sie diese Sorgfaltspflicht, sind sie (ausschließlich) der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dabei haften sie unbegrenzt mit ihrem persönlichen Vermögen. Insofern ist die Forderung einer persönlichen Haftung für vorwerfbares Managerversagen bereits heute Gesetz. Bei der aktuellen Diskussion über eine persönliche Haftung von bis zu zwei Jahresgehältern kann es daher nur darum gehen, Managern ungeachtet eines bestehenden Versicherungsschutzes einen Selbstbehalt aufzuerlegen.Eine Haftung für unternehmerische Entscheidungen kommt allerdings nicht in Betracht, wenn der Vorstand auf Grundlage angemessener Information annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Diese sogenannte “Business Judgement Rule” verlangt im Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Entscheidung oder Handlung objektiv erkennbar sein muss, dass diese zu einem Schaden für die Gesellschaft führen wird. Die AbgrenzungBloße Fehlschläge und Irrtümer rechtfertigen möglicherweise personalpolitische Konsequenzen, eine persönliche Haftung kann daraus jedoch in der Regel nicht abgeleitet werden. Gerade die aktuelle Finanzkrise zeigt, wie schwer eine Abgrenzung im Einzelfall ist. Vorstandsmitglieder berufen sich regelmäßig darauf, dass die von ihnen getroffenen Maßnahmen aufgrund der Marktentwicklung und der damit einhergehenden Risiken nicht vorhersehbar waren. Angesichts der sich täglich überschlagenden Ereignisse ist das sogar ein Stück weit nachvollziehbar. Ein Freibrief ist dies aber nicht. Die Mitglieder des Vorstands sind vielmehr verpflichtet, eine umfassende Informationsbeschaffung und Risikoabwägung zu gewährleisten, bevor sie unternehmerische Entscheidungen treffen. Geschieht dies nicht, kann der Vorwurf des Organisationsverschuldens erhoben werden.Sofern die Geschäftsverteilung eine Ressortzuständigkeit einzelner Vorstandsmitglieder vorsieht, stellt sich die Frage, ob die übrigen Vorstandsmitglieder ebenfalls haftbar gemacht werden können. Prinzipiell entbindet eine Ressortverteilung die “unzuständigen” Vorstandsmitglieder nicht von ihrer Haftung. Sie sind also zum Einschreiten verpflichtet, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das zuständige Vorstandsmitglied seinen Pflichtenkreis nicht ordnungsgemäß erfüllt.Über die gesellschaftsrechtliche Haftung hinaus ist eine zivilrechtliche Haftung der Manager auf Schadenersatz gegenüber der Gesellschaft oder den Anlegern bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln denkbar. Ein Ersatz reiner Vermögensschäden, etwa erlittener Kursverluste, kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht. Obgleich eine steigende Tendenz solcher Klagen in den letzten Jahren zu erkennen ist, belegen die aktenkundig gewordenen Fälle, dass Aktionären die Darlegung und der Beweis von schuldhaften Pflichtverstößen des Managements erhebliche praktische Probleme bereitet. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Anteilseigner, anders als der Aufsichtsrat, nur sehr eingeschränkt Einblick in die Entscheidungsabläufe des Managements erhalten. Die Konsequenzen Strafrechtliche Konsequenzen für das Management sind denkbar, allerdings fallen diese im Vergleich zu den in den USA verhängten Freiheitsstrafen eher milde aus. Als Straftatbestände kommen dabei insbesondere Insolvenzverschleppung und Bilanzfälschung sowie – nach dem Strafgesetzbuch – Bankrott und Untreue in Betracht. Wie die aktuellen Untersuchungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zeigen, haben die Tatbestände des verbotenen Insiderhandels und der verbotenen Marktmanipulation für kapitalmarktorientierte Unternehmen eine besondere praktische Relevanz. Dabei können je nach Straftatbestand Geld- bzw. Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Die SchutzwesteNeben dem Vorstand kann auch der Aufsichtsrat für Schäden der Gesellschaft haftbar gemacht werden. Dabei tritt bei Aufsichtsratsmitgliedern die Überwachungsfunktion in den Vordergrund. Kommen sie dieser nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds nach, haften sie für den daraus entstehenden Schaden ebenfalls mit ihrem persönlichen Vermögen. Die Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstände obliegt dem Aufsichtsrat, die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Aufsichtsrat obliegt dem Vorstand. Nicht befriedigend gelöst ist die Frage der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft in Fällen, in denen sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat in vorwerfbarer Weise die ihnen obliegenden Pflichten verletzt haben. Gerade in Zusammenhang mit der Finanzkrise liegen Managementversagen und Aufsichtsversagen eng beieinander. Dass in solchen Fällen die Bereitschaft, Haftungsprozesse in die eine oder andere Richtung anzustrengen, gemindert ist, liegt nahe. Da Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich für den aus Pflichtverletzungen entstandenen Schaden unbegrenzt mit ihrem persönlichen Vermögen haften, schließen auch in Deutschland die meisten Unternehmen eine sogenannte “Directors and Officers Liability Insurance” – kurz D & O-Versicherung – ab. Manager von größeren Unternehmen nehmen Führungspositionen oftmals nur noch an, wenn das Unternehmen eine solche Versicherung zu ihren Gunsten abschließt. Die Prämien liegen häufig im sechsstelligen Bereich. Bei größeren, börsennotierten Unternehmen bewegen sich die Deckungssummen pro Vorstandsmitglied meist im hohen zweistelligen Millionenbereich. Versicherungsnehmer bei einer D & O ist die Gesellschaft, Versicherter ist der jeweilige Vorstand bzw. Geschäftsführer oder Aufsichtsrat. Die D & O-Versicherung deckt dabei meist sowohl Ansprüche ab, die die Gesellschaft gegen ihren Vorstand geltend macht, als auch Ansprüche Dritter, die gegen das Management vorgehen. Dabei übernimmt die Versicherung auch Kosten, die zu einer Abwehr der Ansprüche notwendig sind. Die GeltendmachungEine Managerhaftung für Schäden, die im Rahmen der Finanzkrise entstanden sind, kommt grundsätzlich in Betracht. Die Geltendmachung solcher Ansprüche ist häufig aber mit großen praktischen Hürden bei der Darlegung und dem Beweis von vorwerfbaren Sorgfaltspflichtverletzungen verbunden. Nicht befriedigend gelöst ist beispielsweise, wie bei korrelierendem Management- und Aufsichtsversagen Ansprüche durchgesetzt werden können. Hier besteht Regelungsbedarf. Als Vorbild könnte die Regelung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Rahmen der Sonderprüfung dienen, bei der die Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Hauptversammlung vorgesehen ist. Überwiegend besteht aber derzeit kein Regulierungsproblem, sondern ein Rechtsdurchsetzungsproblem. *) Igsaan Varachia ist Partner für Steuer- und Gesellschaftsrecht bei der Rechtsanwaltskanzlei Norton Rose LLP in München.