Recht und Kapitalmarkt

Firmen im "Oil for Food"-Skandal am Pranger

Deutsche Unternehmer müssen keine Korruptionsstrafbarkeit fürchten - Volcker-Report zum Teil Mittel der Wirtschaftsförderung

Firmen im "Oil for Food"-Skandal am Pranger

Von André Große Vorholt *) Durchsuchungen und Ermittlungsverfahren gegen deutsche Firmen rücken den “Volcker-Bericht” wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. In dem nach dem früheren Präsidenten der US-Notenbank Paul Volcker benannten Bericht über die Untersuchungen des durch die UN eingesetzten “Independent Inquiry Committee (IIC)” werden weltweit ca. 2 200 Firmen Verstöße gegen das nach dem zweiten Golfkrieg gegen den Irak verhängte Embargo vorgeworfen. Die Firmen sollen unter Verstoß gegen die Bestimmungen des “Oil for Food”-Programms “Kick-back”-Zahlungen an ihre irakischen Vertragspartner bezahlt haben. KritisiertAuch deutschen Firmen wird vorgeworfen, sie hätten “Schmiergelder” an Saddam Hussein gezahlt und sich hierdurch der Korruption strafbar gemacht. Hierfür müssten sie zur Verantwortung gezogen werden, wobei wenigstens hinter den Kulissen die angeblich fehlende Verfolgungsbereitschaft deutscher Staatsanwälte angeprangert wird. Die internationale Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) ist gar der Ansicht, dass der “Oil for Food”-Skandal zum ersten Anwendungsfall für das Gesetz gegen Korruption im Ausland werden könnte, weil deutsche Staatsanwälte sich bisher nicht “getraut” hätten, dieses Gesetz anzuwenden – und stellt die betroffenen Firmen öffentlichkeitswirksam an den Internet-Pranger. Die UN drohen nunmehr jedenfalls einigen Beteiligten eine künftige Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von UN-Aufträgen an. InstrumentalisiertDiese Diskussion vernachlässigt wesentliche Gesichtspunkte und kommt dementsprechend zu unrichtigen rechtlichen wie politischen Schlussfolgerungen: Mit Korruption hat das “Oil for Food”-Problem nichts zu tun, von einer nicht sachgerechten Vorgehensweise deutscher Strafverfolgungsbehörden kann keine Rede sein. Zudem sprechen die nachstehend nur beispielhaft aufgeführten Hinweise dafür, dass mit großer Sicherheit davon auszugehen ist, dass die im IIC-Bericht beschriebenen Zahlungen sowohl der UNO als auch nationaler Regierungsstellen positiv bekannt gewesen sind. Es darf spekuliert werden, dass der IIC-Bericht letztlich als Instrument zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen benutzt wird. Die Praxis irakischer Behörden, eine Überfakturierung von 10 % zu verlangen, ist dem IIC schon seit langer Zeit bekannt, wie die englischsprachige Erläuterung der Phasen VIII bis X des “Oil for Food”-Programms nahe legt. Diese Hinweise wurden an die Vertragspartner des Programms ausgegeben. Dass die UNO zu keinem Zeitpunkt ein Exemplar dieses massenhaft verteilten Dokumentes erhalten haben will, ist fern liegend.Die schwedische Regierung hat inzwischen über den Sprecher des Außenministeriums mitteilen lassen, dass ihr die Verstöße gegen das Irak-Embargo bekannt und – mehr noch, dass man davon ausgegangen sei, dass diese Verstöße “allgemein bekannt” gewesen seien. Zudem wurden Güter von Firmen, die die geforderten Zahlungen nicht geleistet hatten, bei ihrer Anlieferung im Irak zurückgewiesen. Diese Vorgänge können der UNO, die die Gütereinfuhr in den Irak aus Gründen der Embargoüberwachung kontrollierte, nicht entgangen sein.Schließlich ist es bezeichnend, dass auch der gut 600-seitige IIC-Bericht keine tauglichen Erklärungsversuche dafür liefert, weshalb die UNO die Praxis erst jetzt bemerkt haben will. Es hat den Anschein, als sollten die vollständigen Hintergründe des Problems nicht erwähnt werden. UnbedenklichZahlungen an die irakischen Vertragspartner können aber bereits aus Rechtsgründen keine deutschen Korruptionsstraftatbestände erfüllen. Denn die Zahlungen wären – von anderen Argumenten einmal abgesehen – an die irakischen Vertragspartner und damit an den Geschäftsherren selbst geleistet worden. Solche Zahlungen sind, wie andere Rückvergütungen, Boni, Rabatte, Skonti und ähnliche Rückvergütungen, aus korruptionsstrafrechtlicher Sicht stets unbedenklich. Ein tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne von Korruptionsstraftatbeständen erfordert demgegenüber stets die Zuwendung eines Vorteils an einen Dritten, etwa an Mitarbeiter oder deren Verwandte, Gesellschafter oder sonstige Dritte. In den uns bekannten Fällen haben in Sachen “Oil for Food” daher bereits vier Staatsanwaltschaften, teilweise unter ausdrücklicher Zustimmung der jeweils zuständigen Generalstaatsanwaltschaft, diese Auffassung geteilt. Die im “Oil for Food”-Fall zu prüfenden Rechtsprobleme reduzieren sich daher auf die Frage, ob die Firmen durch die Anlieferung in den Irak gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben, wenn sie die geforderten “Kick-back”-Zahlungen – was keineswegs immer der Fall gewesen ist – nicht angegeben haben. Bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage ist es ein rechtserheblicher Gesichtspunkt, welchen Kenntnisstand die befassten internationalen und nationalen Behörden hatten. SachgerechtDenn anders als im Bereich des Korruptionsstrafrechts setzen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz in den hier maßgeblichen Varianten voraus, dass die durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu erteilenden Ausfuhrgenehmigungen auf unvollständigen oder falschen Tatsachenangaben beruhen. Kennt die Behörde in solchen Fällen einen eigentlich rechtswidrigen Zustand, und duldet sie ihn, führt dies, wie in anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Bereichen, vor allem im Produkt- und Umweltstrafrecht dazu, dass strafrechtliche Vorwürfe gegen den Betroffenen ganz entfallen oder deutlich geringer zu bewerten sind. Dass die Staatsanwaltschaften diesem Gesichtspunkt im Rahmen der bisherigen Verfahren Rechnung getragen haben, ist damit sach- und pflichtgerecht. Über die Motive, die UNO und die USA dazu veranlasst haben, die Verstöße gegen das Irak-Embargo zu dulden, mag man spekulieren. Die Erklärung dafür, warum im Zusammenhang mit dem “Oil for Food”-Programm ein wenig “corriger la vérité” betrieben wird, liegt allerdings nahe. Es hat den Anschein, als seien die Verstöße gegen die Embargobestimmungen deshalb stillschweigend hingenommen worden, weil man durch deren Unterbindung die Grundversorgung des Irak mit humanitären Hilfsgütern gefährdet hätte. In der damaligen Lage war es wohl die bessere Alternative, die Verletzung der Embargobestimmungen zu akzeptieren, als gegenüber der Weltöffentlichkeit erklären zu müssen, dass und weshalb im Irak eine Grundversorgung der Bevölkerung durch UNO und USA nicht sichergestellt werden konnte. AusgeschlossenEs dürfte auch kein Zufall sein, dass von amerikanischer Seite die Aufklärung des “Oil for Food”-Skandals angemahnt wird. Denn US-amerikanische Firmen wurden ausweislich des IIC-Berichtes durch den Irak im Rahmen des “Oil for Food”-Programms nur in vergleichsweise geringem Umfang als Vertragspartner ausgewählt. Sie teilten dabei das Schicksal der übrigen Kriegsgegner. Im Hinblick auf künftige UN-Aufträge liegt es daher durchaus im wirtschaftlichen Interesse US-amerikanischer Firmen, wenn Firmen, die gegen das “Oil for Food”-Programm verstoßen haben, von künftigen Auftragsvergaben durch die UN ausgeschlossen werden sollen. Mit Blick auf Transparency International ist anzumerken, dass es sich bei dem zur Begründung der mit einigem Marketing für die Organisation verbundenen Korruptionsvorwürfe zitierten “renommierten Rechtsexperten” Marc Pieth wohl um den Baseler Juraprofessor Prof. Dr. Mark Pieth handelt. Dieser hat im Jahr 2005 gemeinsam mit Paul Volcker ein Werk mit dem Titel “Independent Inquiry Committee” herausgegeben. Völlige Unbefangenheit wird er daher schwerlich für sich reklamieren können. *)Dr. André Große Vorholt ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München und Mannheim.