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Fonds mit der Lizenz zu Leerverkäufen

Schweizer Produkte können Short-Positionen eingehen - Aber nur einige erzielen damit zusätzliche Rendite

Fonds mit der Lizenz zu Leerverkäufen

Von Andreas Kälin, Zürich In der Schweiz können sich auch traditionelle, nicht alternative Anlagefonds die Möglichkeit zu Leerverkäufen einräumen lassen. Doch das Setzen auf fallende Kurse ist eine schwierige Kunst. Wer Leerverkäufe nicht für klar umrissene Zwecke nutzt, sondern damit Markt-Timing betreiben will, kann böse Überraschungen erleben. Anlagevehikel, die sich nach schweizerischem Recht in der Kategorie “Übrige Fonds für traditionelle Anlagen” registrieren lassen, dürfen auch die in der Finanzkrise stark in Verruf geratene Technik der Leerverkäufe (Short Selling) anwenden. Mit anderen Worten: Sie dürfen auch Aktien ausleihen und “leer” verkaufen, in der Erwartung, die Titel nach einem Kursrückgang billiger zurückkaufen und so einen Gewinn einstreichen zu können. Einfacher gesagt als getanAngesichts der Kurseinbrüche hätten Fonds, die derartige Short-Positionen eingehen dürfen, in den vergangenen zwei Jahren die Vorteile eigentlich auf ihrer Seite gehabt. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Als 2008 der Schweizer Aktienmarkt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) über 34 % verlor, erlitt auch der AMG Substanzwerte Schweiz (CH0019597530), der in Deutschland nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassen ist, eine Einbuße, wenn auch von “nur” 21 %.Der Fonds darf Leerverkäufe eingehen. Er sei aber nicht mit einem hochspekulativen Hedgefonds zu vergleichen, betont der verantwortliche Anlageberater Erhard Lee. Derivate und Leerverkäufe dürfen nicht zu einer Abweichung vom Anlageziel führen. Jenes besteht darin, durch Investitionen in kleinere Substanzwerte einen steten Wertzuwachs zu generieren. Solche Substanzwerte geraten meist erst am Schluss einer Baisse, wenn Panik herrscht und “die Anleger wahllos alles abschießen”, stark unter Druck, so Lee. Liquidität beschaffenLeerverkäufe dienen für ihn darum zwei Zwecken: Wenn es an den Börsen runtergeht und verunsicherte Investoren ihr Geld vom Fonds abziehen wollen, muss er seine teils illiquiden Substanzwerte im Portfolio nicht im dümmsten Moment verkaufen. Stattdessen holt er sich die benötigte Liquidität durch den Verkauf der Short-Positionen, deren Wert in der Baisse zugelegt hat.Zweitens nutzt Lee Leerverkäufe, um die Volatilität (die Kursschwankungen) und das Beta des Fonds zu reduzieren. Das Beta gibt an, wie stark eine Anlage im Verhältnis zum Markt schwankt. Um es im Fonds niedrig zu halten und die Wertentwicklung zu glätten, tätigt Lee Leerverkäufe von Aktien, die, wenn der Markt fällt, in der Regel überdurchschnittlich viel verlieren. Lee shortet meist die gleichen Aktien, wie die des Personalvermittlers Adecco, des Technologieunternehmens Kudelski oder der Finanzdienstleister wie UBS. Fällt der Markt, hält sich der Fonds dank der Wertsteigerung solcher Short-Positionen vergleichsweise stabil.Der Erfolg bestätigt Lee: Nicht nur stieg der Wert des AMG Substanzwerte Schweiz seit der Lancierung im November 2004 bis Ende September dieses Jahres mit 100,9 % stärker als der SPI Small & Mid Cap Index, der knapp 53 % zulegte.Die Entwicklung des Fonds verlief auch stetiger als in der Benchmark, wie das niedrige Beta von 0,2 anzeigt. Nicht überall werden Short-Positionen aber so zielgerichtet und erfolgreich eingesetzt. Fokussierung auf Small CapsZu den Nebenwertespezialisten zählen auch die Anlageverwalter von Rieter Fischer Partners. Der von ihnen geführte RFP Swiss Equity Plus (CH0023449892) konzentriert sich indes nicht auf kleinere und mittlere Werte, sein Universum ist der Swiss Performance Index. Ende 2008 waren die drei größten Fondspositionen schlicht die gewichtigsten Schweizer Blue Chips: Roche, Novartis und Nestlé. Vertreten waren auch die großen Finanzwerte wie UBS, Credit Suisse oder Swiss Re.Ein kreatives Element bleibt, dass der Fonds Short-Positionen eingehen kann. Laut dem Prospekt dürfen zur Erzielung von Erträgen “in einem erwarteten Umfeld fallender Kurse” in beschränktem Umfang auch Leerverkäufe getätigt werden. Auf eine Anfrage zu Details dazu reagierten die Anlageverwalter leider nicht. Offenbar hatte der Fonds im Sommer 2008 umfangreiche Short-Positionen aufgewiesen, doch Anfang des folgenden September löste er sie im Wesentlichen auf – etwa eine Woche bevor die US-Bank Lehman Brothers Insolvenz anmeldete und die Börsenkurse in den Keller rauschten. Der Chart der Wertentwicklung bestätigt das missglückte Timing: Der RFP Swiss Equity Plus, der auch in Deutschland nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassen ist, hielt sich 2008 bis zum Herbst besser als der Markt. Doch dann, nachdem die Short-Positionen zum ungünstigsten Zeitpunkt aufgelöst worden waren, brach sein Wert synchron zu den Börsen ein. Allein im Oktober verlor er 14,3 % und über das ganze vergangene Jahr 29,7 %.Das Beispiel zeigt, wie schwierig das Markt-Timing ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch das Dilemma der Manager, dass ein Short Selling zum falschen Zeitpunkt die Fondsperformance stark beeinträchtigen kann. Der Prospekt bei RFP Swiss Equity Plus warnt denn auch, dass beim Leerverkauf von Effekten “ein theoretisch unbegrenztes Risiko” bestehe: Je stärker die Kurse der Titel danach steigen, desto mehr muss der auf fallende Preise spekulierende Leerverkäufer draufzahlen.