ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Fondsgesellschaften brauchen ein integriertes Risikomanagement

Börsen-Zeitung, 2.8.2011 Nach den Erfahrungen der Finanzkrise sind viele regulatorische Maßnahmen getroffen worden, um die Risiken in der Finanzbranche zu reduzieren. Einer Studie des EDHEC-Risk Institute zufolge ist die Fondsbranche dennoch nur...

Fondsgesellschaften brauchen ein integriertes Risikomanagement

Nach den Erfahrungen der Finanzkrise sind viele regulatorische Maßnahmen getroffen worden, um die Risiken in der Finanzbranche zu reduzieren. Einer Studie des EDHEC-Risk Institute zufolge ist die Fondsbranche dennoch nur ungenügend auf sogenannte nichtfinanzielle Risiken – insbesondere Liquiditätsrisiken, Kontrahentenrisiken und operative Risiken – eingestellt. Somit stellt sich die Frage, inwieweit die deutsche Fondsbranche die Risiken aus Leverage und Derivateinsatz im Griff hat. Hohe AnforderungenNatürlich sind die Anforderungen an das Risikomanagement erheblich gestiegen. So wurden bereits durch die Einführung von Ucits III die Möglichkeiten, in derivative Instrumente zu investieren und Leverage einzusetzen, stark erweitert. Neben den finanziellen Risiken Marktpreis- und Ausfallrisiko hat hierdurch die Bedeutung weiterer Risikokategorien für Sondervermögen zugenommen. Neu gewonnene Freiheiten und Entwicklungen in der Produktpalette wie marktneutrale Strategien und Rohstofffonds sowie die verstärkte Nutzung von Derivaten zur synthetischen Replikation von Indizes haben diese Risiken weiter erhöht.Ebenfalls erhöht hat sich die Bedeutung des Kontrahentenrisikos durch einen vermehrten Einsatz von Derivaten. Da nur eine begrenzte Anzahl von Marktteilnehmern für eine Gesellschaft als Kontrahent zur Verfügung steht, wird dieser Effekt durch ein Interaktionsrisiko verstärkt. Bei vielen ETFs kann zudem eine synthetische Index-Replikation mit einer Besicherung, die den Basiswerten der eingesetzten Derivate nicht entsprechen muss, im Falle eines Ausfalls zu weiteren Schäden führen.Dies zeigen aktuelle Studien der Bank for International Settlements und des Financial Stability Board. Auf der Liquiditätsseite hat sich das Spannungsverhältnis von täglicher Anteilsscheinrückgabe und eingeschränkter Liquidität der Anlagen durch den Einsatz komplexer Instrumente weiter verstärkt. Hinzu kommt, dass Sondervermögen von institutionellen Investoren zunehmend zur kurzfristigen Anlage genutzt werden. Gesetzliche VorgabenGesetzliche Bestimmungen fordern die Messung und Steuerung der Liquidität, so dass stets ausreichende Mittel für die Bedienung von Anteilsscheinrückgaben zur Verfügung stehen. Eine Aussetzung der Anteilsscheinrückgabe ist ein zulässiges, aber letztes Mittel, sowohl aus regulatorischer Sicht als auch angesichts der Erwartungen der Anleger, täglich über ihre Anlagen verfügen zu können.Die operativen Risiken sind ebenfalls größer geworden. So wächst aufgrund erweiterter Investitionsmöglichkeiten die Gefahr, dass es bei nicht korrekter Abbildung komplexer Instrumente zu fehlerhaften Bewertungen kommt und dass Zulässigkeitsregeln und Anlagegrenzen nicht eingehalten werden.Da eventuelle Schäden aus nichtfinanziellen operationellen Risiken den Anlegern ersetzt werden müssen, besteht die Gefahr, dass solche Risiken sich über das Fondsvermögen hinaus auf das Kapital einer Gesellschaft auswirken. Die Gesellschaft selbst hat folglich ein starkes Interesse, nichtfinanzielle Risiken zu begrenzen. Verantwortung festlegenDaher empfiehlt es sich, zur Überwachung dieser und weiterer Risiken Prozesse mit einer Festlegung der Verantwortlichkeiten bis zur Unternehmungsleitungsebene aufzusetzen. Darüber hinaus sollte eine “Risk Management Policy” unternehmensweit die Rahmenbedingungen der Risikosteuerungs- und Controllingprozesse beschreiben, ergänzt durch eine Risikoberichterstattung und Eskalationsprozesse bis in die höchsten Unternehmensebenen.Darüber hinaus tragen regulatorische Entwicklungen nichtfinanziellen Risiken Rechnung. So werden Kontrahentenrisiken von InvMARisk und Derivateverordnung auf Fonds- und Gesellschaftsebene geregelt. Für Produkte wie offene Immobilienfonds führt die AIFM-Richtlinie neue Regelungen für die Anteilsscheinrückgabe mit Maximalbeträgen und Mindesthaltedauern ein.Für Geldmarktfonds wurden Laufzeitfächer für Investments bestimmt. Zur Reduktion operationeller Risiken wurden zudem durch die InvMARisk Anforderungen an Vergütungssysteme, das Engagement in neuen Märkten und Instrumenten sowie zum Outsourcing gestellt. Zusätzlich wurde den Kapitalanlagegesellschaften und deren Geschäftsführungen im Rahmen eines prinzipienorientierten Ansatzes die Verantwortung für die korrekte Erfassung und Limitierung aller relevanten Risiken auferlegt. Umfangreiche InvestitionenDie Branche hat sowohl den neuen regulatorischen Anforderungen als auch den Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise durch umfängliche Investitionen in die Risikomanagementsysteme Rechnung getragen. Ähnlich wie bei den finanziellen Risiken, wo es einige Zeit gedauert hat, bis sich ein Marktstandard auf dem heutigen Qualitätsniveau herausgebildet hat, wird sich auch beim Management von nichtfinanziellen Risiken erst im Laufe der Zeit eine branchenweite “Best Practice” herausbilden. Schon jetzt zeigt jedoch eine Studie von Ernst & Young, dass die Branche auf dem Weg zu einem integrierten Risikomanagement fortgeschritten ist. Neben Limitierungen und Messmethoden gewinnen tragfähige Handlungspläne und Risikomanagementsysteme an Bedeutung.Es wird nicht möglich sein, jegliche Risiken zu antizipieren. In Fällen nicht vorhersehbarer Ereignisse müssen im Unternehmen aber geeignete Verfahren bereitstehen, um die Folgen auf Sondervermögens- und Gesellschaftsebene unter Kontrolle zu halten. Ein prinzipienorientierter Ansatz ermöglicht und fordert die Wahl geeigneter Methoden durch die Kapitalanlagegesellschaften. AbbildungsfreiheitHierdurch besteht zwar eine bestimmte Freiheit in der Abbildung, andererseits werden Umgehungsstrategien für Detailregelungen vermieden. Die in der Studie des EDHEC-Risk Institute geäußerte Kritik berücksichtigt aus unserer Sicht weder die neuen Regularien noch den prinzipienorientierten Ansatz.Die Frage nach der Beherrschung von Risiken lässt sich allerdings nicht pauschal für die Fondsbranche beantworten. Während bei neueren Investmentvehikeln wie ETF mit synthetischer Replikation durchaus latente Illiquiditäts- und Kontrahentenrisiken zu beobachten sind, lassen sich diese bei klassischen aktiv gemanagten Fonds kontrollieren und managen. Die wachsenden Anforderungen an das Risikomanagement erfordern aber eine ständige Weiterentwicklung. Bisherige Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass sich Risiken durch die Definition genereller Prinzipien oftmals besser kontrollieren lassen als durch starre Regularien.