Fondsvertrieb ohne Provisionen Paradigmenwechsel im Privatkundengeschäft?
Provisionen gelten als das Schmieröl im Getriebe des Fondsvertriebs. Für viele Marktteilnehmer ist ein Vertrieb ohne Provisionen daher nur schwer vorstellbar. Die gängige Vergütungspraxis gerät aufgrund einer Vielzahl regulatorischer Treiber unter starken Druck. Ein Vertrieb ohne Anreizzahlungen wird daher auch in Deutschland zunehmend realistisch. Daraus ergeben sich zwei zentrale Fragen für die Fondsbranche: Wie wird ein solches Verbot konkret ausgestaltet sein? Und: Welche Optionen sichern Asset Managern auch künftig einen erfolgreichen Fondsabsatz? Ein Blick in die Niederlande und nach Großbritannien zeigt, wie ein Provisionsverbot im Fondsvertrieb aussehen kann. In unserem Nachbarland gilt das Verbot derzeit primär für Versicherungsprodukte und wird ab 2014 auf Fondsprodukte ausgeweitet. In Großbritannien hingegen besteht durch den Retail Distribution Review (RDR) seit Jahresbeginn ein umfassendes Provisionsverbot für beratendes Neugeschäft in nahezu allen Anlage- und Versicherungsprodukten. Stark rückläufiger VertriebGut ein halbes Jahr nach Einführung des RDR lassen sich in Großbritannien drei wesentliche Entwicklungen beobachten: Erstens ist der Fondsvertrieb an Privatkunden seither stark rückläufig. Beleg hierfür ist das in Bezug auf den Nettoabsatz schlechteste erste Quartal seit vielen Jahren. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ging diese Kennzahl um ein Drittel zurück. Im Rest Europas ist der Fondsvertrieb an Privatkunden dagegen um fast 50 % gestiegen. Zweitens ist eine deutliche Umverteilung von beratendem hin zu beratungsfreiem Geschäft erkennbar. Privatkunden erwerben Fonds also zunehmend ohne vorherige Anlageberatung direkt bei Fondsplattformen und -gesellschaften. Drittens deutet sich ein Strukturwandel unter den Marktteilnehmern an. Dieser betrifft insbesondere unabhängige Vertriebe, sogenannte Independent Financial Advisors (IFA) und Fondsplattformen. Exemplarisch hierfür stehen die Übernahme der größten unabhängigen Fondsplattform (Cofunds) durch einen großen Versicherer (L&G) sowie Fusionen und Marktaustritte einzelner Vertriebsgesellschaften. Inwieweit diese Trends nachhaltig sind, wird sich zeigen. Unmittelbare Rückschlüsse auf die deutsche Fondsbranche sind nur eingeschränkt möglich. Denn die Vertriebsstrukturen in Großbritannien und Deutschland unterscheiden sich stark voneinander. Beratungsfreie ZoneEine andere Erkenntnis aus dem Ausland ist jedoch unmittelbar auf den deutschen Markt übertragbar: Die Honorarberatung als Alternative zur provisionsgestützten Anlageberatung erreicht nicht alle Kundensegmente. So ist der Großteil der Privatanlegern vor allem Anleger mit kleinen bis mittleren Vermögen entweder nicht gewillt oder in der Lage, für Anlageberatung zu bezahlen. Zudem sind Honorarberatungsmodelle aus Sicht vieler Vertriebe erst für vermögende Privatkunden rentabel. Daher wird das Massengeschäft de facto zur beratungsfreien Zone. Diese Entwicklung ist sicher nicht im Interesse des Gesetzgebers. Zusätzlich zu verschärften nationalen Regeln werden derzeit im Rahmen der Mifid II die Mindestanforderungen an ein EU-weites Provisionsverbot verhandelt. Der zuständige Ministerrat hat dem im Kommissionsentwurf vorgesehenen Provisionsverbot für die unabhängige Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung weitgehend zustimmt. Das Europäische Parlament hingegen fordert explizit ein Wahlrecht. Dieses Wahlrecht soll den Mitgliedstaaten erlauben, ein generelles und umfassendes Verbot einzuführen.Ein Blick auf Deutschland zeigt, dass das Thema Provisionsverbot auch hierzulande hochaktuell ist. So wurde das Honoraranlageberatungsgesetz im Juli verabschiedet und wird nach einer zwölfmonatigen Übergangsfrist Mitte 2014 Realität. Das Gesetz legt fest, dass Honorarberater keine Provisionen von Produktanbietern oder Dritten behalten dürfen, deren Produkte sie vermitteln. Für den Kunden soll dadurch transparent werden, ob die Anlageberatung durch Provisionen des Produktanbieters oder nur durch das Honorar des Kunden finanziert wird. Zwei SzenarienWas bedeutet das für den deutschen Fondsmarkt? Zwei Szenarien scheinen realistisch: Einerseits ist eine Koexistenz der honorarbasierten und provisionsgestützten Anlageberatung denkbar. Dieses Szenario begünstigt insbesondere Asset Manager, die ihre Produkte primär über Vertriebskanäle im Konzernverbund absetzen, und unterstützt daher das aktuelle Vertriebsmodell.Darüber hinaus wäre allerdings auch ein umfassendes Provisionsverbot für alle Formen der Anlageberatung und Finanzprodukte vorstellbar. Bei einem solchen Szenario käme es zu dramatischen Einbrüchen bei den Nettoabsätzen: PwC-Analysen prognostizieren, dass sich das für Privatkunden verwaltete Fondsvermögen in Deutschland in diesem Fall innerhalb von fünf Jahren halbiert selbst bei einem moderaten Marktwachstum von etwa 4 % pro Jahr. Die Auswirkungen eines umfassenden Verbots in Deutschland wären also noch dramatischer als in Großbritannien. Grund hierfür ist unter anderem die vergleichsweise deutlich schwächere aktive Nachfrage nach Fonds durch private Anleger. Der Absatzeinbruch im Neugeschäft könnte demnach nicht in gleichem Maße durch eine Umverteilung hin zu beratungsfreiem Geschäft kompensiert werden. Zudem werden einige Vertriebe die Fondsbestände ihrer Kunden in konkurrierende Anlageformen überführen: Denn das Provisionsverbot in Deutschland wird vermutlich erst später auch für Versicherungsprodukte gelten. Die Ergebnisse von Asset Managern mit einem privatkundenlastigen Ertragsmix würden besonders stark einbrechen. Großes AufholpotenzialEs gibt jedoch auch gute Nachrichten. Asset Manager haben eine Vielzahl an Handlungsoptionen, um die drohenden Ertragsrückgänge zu kompensieren. Aufgrund der unterschiedlichen Vertriebskanalstrukturen gibt es zwar kein Patentrezept, jedoch kann eine Kombination aus innovativen Lösungsansätzen dabei helfen, das gegenwärtige Ertragsniveau zu großen Teilen nachhaltig zu sichern. In Abhängigkeit des jeweiligen Geschäfts- und Distributionsmodells sind zum Beispiel finanzielle Beteiligungen von Vertrieben an Asset Managern, vermögensverwaltende Ansätze sowie Formen des Direktvertriebs denkbar. So bieten insbesondere neue Medien eine interessante Möglichkeit des direkten Kundenzugangs. Gerade deutsche Asset Manager zeigen hier im internationalen Vergleich großes Aufholpotenzial.—-Dr. Peter Seethaler (Partner, Head of Asset Management, PwC), Christian Gürtler (Director, PwC) und Florian Giesecke (Manager, PwC)