Recht und Kapitalmarkt

Freiwillige Aufsichtsräte genießen kein Haftungsprivileg

Urteil des OLG Brandenburg hat erhebliche praktische Bedeutung

Freiwillige Aufsichtsräte genießen kein Haftungsprivileg

Von Michael Bormann *)Auch Mitglieder freiwilliger Aufsichtsräte haften für Pflichtverletzungen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (Urteil vom 17. Februar 2009 – 6 U 102/07) entschieden. Dem Urteil kommt grundsätzliche Bedeutung zu, da es in diesem Bereich keine klare gesetzliche Regelung gibt. Das GmbH-Gesetz verweist insoweit nur für den Fall auf die aktienrechtlichen Vorschriften, dass der Gesellschaftsvertrag keine anderweitige Regelung vorsieht. Ob ein ausdrücklicher Haftungsausschluss indes überhaupt möglich wäre, hat das Oberlandesgericht jedoch offengelassen. PflichtverletzungDie praktische Bedeutung dieser Entscheidung dürfte erheblich sein. Freiwillige Aufsichtsräte sind weit verbreitet. Sie finden sich etwa aufgrund entsprechender gemeinderechtlicher Vorschriften regelmäßig in kommunalen Unternehmen, insbesondere aber auch in Familien- und Joint-Venture-Gesellschaften, bei denen sie der Steuerung der Gesellschaft dienen.In dem entschiedenen Fall hatten die von einer Kommune in den Aufsichtsrat einer Stadtwerke-GmbH entsandten Mitglieder es unter anderem unterlassen, auf die Geschäftsführer einzuwirken, den – nach den Feststellungen des Gerichts überfälligen – Insolvenzantrag zu stellen. Hierdurch hätten die Aufsichtsratsmitglieder ihre im Gesellschaftsvertrag begründete Überwachungspflicht verletzt und sich schadenersatzpflichtig gemacht.Die Haftung ergebe sich aus der gesetzlichen Verweisung auf die aktienrechtlichen Vorschriften, die jedenfalls dann gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht. Da der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche Haftungsfreistellung enthielt, konnte das Oberlandesgericht dahinstehen lassen, ob eine solche Regelung überhaupt wirksam gewesen wäre. Mit Blick auf die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung hat das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.Da künftig mit einer verstärkten Inanspruchnahme von Aufsichtsratsmitgliedern zu rechnen ist, sollten betroffene Unternehmen über Alternativen zum Aufsichtsrat nachdenken. Gerade bei Familiengesellschaften, bei denen häufig die Gesellschafter selbst im Aufsichtsrat vertreten sind, dürften die Aufsichtsratsmitglieder über ein größeres Vermögen – und damit über eine größere Haftungsmasse – verfügen als die (Fremd-)Geschäftsführer. Zudem haben Gesetzgeber und Rechtsprechung die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats jüngst erweitert, insbesondere in Bezug auf den Leistungsaustausch zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern und die damit verbundenen Risiken eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften. Letztlich verschärft sich in einer Krise der Gesellschaft die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, so dass es im aktuellen Marktumfeld leichter zu Pflichtverletzungen kommen kann. Begrenzte MöglichkeitenDie Möglichkeiten, eine solche Haftung zu vermeiden – so dies denn aus Sicht der Gesellschafter gewollt ist -, sind begrenzt. Ob ein ausdrücklicher Ausschluss der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder im Gesellschaftsvertrag einer gerichtlichen Prüfung standhält, ist offen. Möglich ist es allerdings, den Haftungsmaßstab zu reduzieren. Die Ersetzung des freiwilligen Aufsichtsrats durch einen Beirat dürfte nur dann haftungsrechtliche Erleichterungen zur Folge haben, wenn es dem Beirat tatsächlich nicht obliegt, die Geschäftsführung zu überwachen. Steht dem Beirat indes – wie häufig – das Recht zu, bestimmte Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig zu machen oder den Jahresabschluss zu prüfen, handelt es sich in der Sache um einen Aufsichtsrat.Damit verbleibt letztlich nur die Möglichkeit, auf die Einsetzung eines freiwilligen Aufsichtsrats zu verzichten und bestimmte Überwachungsaufgaben, wie die Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Geschäften und die Prüfung des Jahresabschlusses, bei den Gesellschaftern zu belassen. Dies führt zwar nicht zu einer vollständigen Eliminierung des Haftungsrisikos, dürfte aber eine erhebliche Reduzierung des Risikos zur Folge haben.—-*) Dr. Michael Bormann ist Partner der Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf.