Fresenius-Urteil erhitzt die Gemüter
– Herr Dr. Manger, in welchem Rahmen dürfen Beratungsaufträge oder Mandate an Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften vergeben werden?Aktiengesellschaften dürfen Mandate an Aufsichtsratsmitglieder vergeben, wenn und soweit der Gegenstand der Beratung außerhalb der Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds liegt. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gehören zur Beratungsaufgabe und damit zur Organpflicht des Aufsichtsrats, Fragen spezieller Art, insbesondere des Tagesgeschäfts, sind hingegen zulässiger Gegenstand des Beratervertrages. Gerade bei Rechtsanwälten sind die Grenzen oft fließend, nach meiner Erfahrung wird hier im Zweifel jedoch die aufgewandte Zeit eher als Aufsichtsratstätigkeit denn als Beratung verbucht. Für Anwälte hat der Bundesgerichtshof (BGH) beispielsweise entschieden, dass die Beratung der Gesellschaft bei dem Abschluss von Beteiligungs- und Unternehmenskaufverträgen, bei der Eingehung strategischer Allianzen und der Beratung zu Finanzierungsmodellen zur Ausstattung der Gesellschaft mit liquiden Mitteln (Kapitalerhöhungen, Schuldverschreibungen und Kreditverträge) Gegenstand eines Beratervertrages mit einem Aufsichtsrat sein kann.- Welche Informationspflichten/Dokumentationen sind damit verbunden?Der Abschluss eines Beratungsvertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied bedarf der Zustimmung des gesamten Aufsichtsrats. Im Zustimmungsverfahren nach § 114 Aktiengesetz gilt nach herrschender Meinung ein umfassendes Transparenzgebot: Die Art der Tätigkeit im Detail muss Bestandteil des Beschlusses sein. Nicht ausreichend ist zum Beispiel “Beratung in allen Angelegenheiten, die nicht in den Aufgabenbereich eines Aufsichtsratsmitglieds gehören”. Die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages muss sich für den Aufsichtsrat aus der darin formulierten Art der Tätigkeit unmittelbar ergeben.- Das heißt?Neben der Art der Tätigkeit muss die vereinbarte Vergütung (zum Beispiel Stundensätze oder RVG, Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) feststehen. Hierbei reicht kein Verweis auf “die üblichen Stundsätze” oder gar das Verlagern der Honorarbestimmung in das Ermessen des jeweiligen Aufsichtsrats. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus üblich, dass das entsprechende Aufsichtsratsmitglied nach Abschluss des jeweiligen Beratungsmandats über die Ergebnisse der Beratung und deren Gesamtkosten berichtet.- Nach einem neuen Urteil des OLG Frankfurt ist es unzulässig, dass Honorare erst nachträglich vom Gesamtaufsichtsrat genehmigt werden. Dies scheint unter Juristen umstritten zu sein?Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main im Fall Fresenius kann nach meiner Auffassung keineswegs als Grundsatzurteil missverstanden werden, sondern muss streng auf diesen speziellen Fall bezogen betrachtet werden. Grundsätzlich verlangt das Aktienrecht in § 114 Abs. 1 Aktiengesetz die Zustimmung des Aufsichtsrats zu dem Beratervertrag. Zustimmung bedeutet jedoch nach § 184 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entweder vorherige Einwilligung oder nachträgliche Genehmigung. Zudem sieht § 114 Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz ausdrücklich vor, dass Honorare zurückzuzahlen sind, die auf Grundlage eines Beratungsvertrages gezahlt worden sind, dem der Aufsichtsrat nicht zugestimmt hat, wenn der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist aus meiner Sicht daher nur schwer mit dem Wortlaut des § 114 Aktiengesetz vereinbar.- Mit dieser Einschätzung stehen Sie nicht allein da?Auch die herrschende Meinung im Aktienrecht geht von einer Genehmigungsfähigkeit der Beraterverträge mit aus. Die einzige mir bekannte abweichende Entscheidung ist ebenfalls vom OLG Frankfurt im Jahr 2005 ergangen. Im vorliegenden Fall hat Fresenius Presseberichten zufolge Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt; es bleibt zu hoffen, dass der BGH dieser Beschwerde stattgibt und hierzu bald eine höchstrichterliche Entscheidung erlässt.- Was bedeutet das OLG-Urteil für die Unternehmenspraxis?Das OLG-Urteil wird sicher dazu führen, dass die eine oder andere Aktiengesellschaft ihre “Dokumentationsdisziplin” im Bereich der mit Aufsichtsratsmitgliedern geschlossenen Beraterverträge verbessern wird. Darüber hinaus werden auch die Vorstände gerade der börsennotierten Aktiengesellschaften die Unternehmenspraxis bei der Vergabe von Beratungsmandaten an Aufsichtsratsmitglieder überprüfen, um nicht in der nächsten Hauptversammlung dieses Thema im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über ihre Entlastung mit den kritischen Aktionären diskutieren zu müssen oder gar ihre Entlastung Gegenstand einer entsprechenden Anfechtungsklage sein wird. Es bleibt aber dabei, dass viele Aktiengesellschaften die vom Vorstand geschätzten Berater nicht nur als Berater im Tagesgeschäft verpflichten, sondern diese auch als organschaftliche Berater in strategischen Fragen im Aufsichtsrat vertreten sehen wollen. Das Aktiengesetz regelt diese Doppelfunktion aus meiner Sicht mit der gebotenen Strenge, sodass einer Tätigkeit in beiden Rollen nichts entgegensteht.—-Dr. Robert Manger ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.