INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: RAYMOND MA, FIDELITY

"Für den Export rechne ich mit einer Belebung"

Fondsmanager erwartet nach dem Führungswechsel in China zahlreiche Reformen - Aktienmarkt ist niedrig bewertet

"Für den Export rechne ich mit einer Belebung"

– Herr Ma, in China hat sich das Wirtschaftswachstum zuletzt abgeschwächt. Hat das vierte Quartal die Wende gebracht?Genau wie von mir Anfang 2012 prognostiziert, hat die chinesische Wirtschaft dank der weiterhin lockeren Geldpolitik im dritten Quartal die Talsohle durchschritten. Seit kurzem gibt es Anzeichen dafür, dass Chinas Wirtschaft langsam wieder an Fahrt gewinnt und sich 2013 leicht erholen dürfte. Unter anderem weist der Einkaufsmanagerindex nach oben, und die Lage am Häusermarkt stabilisiert sich. Auch für den Export rechne ich mit einer Belebung, da sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone und den USA zu stabilisieren scheint. Hinzu kommt die wieder steigende Kreditvergabe in China. Sie dürfte ein Übriges zur Belebung der Investitionen tun, insbesondere in die Infrastruktur. Der wieder spürbare Anstieg der Investitionsnachfrage wird der Industrieproduktion meines Erachtens neuen Schwung verleihen. Und schließlich werden Beschäftigungs- und Lohnwachstum auch den Konsum und die Einzelhandelsumsätze beflügeln.- Welche Wachstumsrate erwarten Sie im Schnitt für 2013?Für das Jahr 2013 wird für China mit einem Wachstum von 7 bis 8 % gerechnet. Das ist zwar weniger, als wir in der Vergangenheit gewohnt waren. Es ist aber eine gesunde und verglichen mit den Industrieländern immer noch beneidenswerte Wachstumsrate.- Muss das Wachstum mit geldpolitischen Maßnahmen gestützt werden?Ich gehe davon aus, dass Peking in nächster Zeit an seiner lockeren Geldpolitik festhalten wird, um das Wachstum zu unterstützen. Die chinesische Zentralbank wird 2013 voraussichtlich nicht an der Zinsschraube drehen, solange die Inflation moderat ist.- Wann wird es neue umfangreiche Programme zur Belebung der Wirtschaft geben?Ich erwarte keine groß angelegten Stimulierungsmaßnahmen, denn die chinesische Wirtschaft hat ja bereits im dritten Quartal 2012 die Talsohle durchschritten. Während der weltweiten Finanzkrise 2008 / 2009 verabschiedete die Regierung ein 4 Bill. Renminbi (rund 480 Mrd. Euro) schweres Konjunkturankurbelungspaket. Zahlreiche in diesem Zeitraum in Angriff genommene Investitionsprojekte wurden von chinesischen Banken finanziert. Aus einem Großteil davon sind inzwischen notleidende Kredite geworden, mit deren Rückzahlung chinesische Banken wohl kaum in den nächsten fünf bis sieben Jahren rechnen können. Viele dieser Projekte haben überdies in zahlreichen Branchen zu problematischen Überkapazitäten geführt. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die chinesische Regierung erneut ein umfangreiches Konjunkturpaket auflegen wird.- Lässt die Zusammensetzung des neuen Politbüros des Zentralkomitees Rückschlüsse darüber zu, wie es mit dem Umbau bzw. der Reformierung des Landes in den kommenden Jahren weitergehen wird?Nach dem Führungswechsel rechne ich mit zahlreichen Reformen, die die Wirtschaft im Reich der Mitte spürbar verändern werden. Vor allem die Deregulierung in diversen Branchen wie Finanzen, Telekommunikation und Energie dürfte das Monopol der Staatsbetriebe aufbrechen und den Weg zu mehr Wett bewerb ebnen. Das dürfte dem Privatsektor neue Impulse geben. Auch die beschleunigte Urbanisierung und eine gerechtere Verteilung der Einkommen dürften stärker in den Mittelpunkt rücken. Insgesamt ist mit einer konsumfreundlicheren Politik zum Ankurbeln der Binnennachfrage zu rechnen, die den Konsumbranchen auch künftig zugute kommen wird.- Analysten aus dem Westen befürchten eine Immobilienblase. Sind die Immobilienpreise immer noch überhöht?Auf der Nachfrageseite erholt sich der Immobilienmarkt zusehends. Verschiedene Maßnahmen im letzten Jahr haben der Spekulation am Markt weitgehend die Grundlage entzogen. Starke Verkaufszahlen wurden in den vergangenen Monaten für Neu- und Gebrauchtimmobilien gemeldet. Ursache hierfür ist die bessere Marktstimmung angesichts von Zinssenkungen und der gelockerten Kreditvergabe. Und dank der steigenden Löhne – sie sind in den vergangenen zwei Jahren um rund 20 bis 30 % gestiegen – können sich heute mehr Chinesen eine eigene Wohnung leisten. Auf der Angebotsseite hat sich ebenfalls etwas getan. So war die Zahl der Baubeginne im ersten Halbjahr 2012 rückläufig. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird es daher wohl zu einem Angebotsengpass am chinesischen Immobilienmarkt kommen.- Wie schätzen Sie den chinesischen Aktienmarkt ein, und wie ist Ihr Ausblick für 2013?Momentan werden chinesische Aktien vor allem durch attraktive Bewertungen und die anhaltende Aufhellung des Konjunkturausblicks beflügelt. China-Aktien werden aktuell mit einem 12-Monats Forward-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von 10,7 gehandelt. Das macht China zum zweitbilligsten Markt in der Region Asien-Pazifik ohne Japan nach Korea. Ich bin überzeugt, dass es zu einer Neubewertung chinesischer Aktien kommen wird, sobald sich der Ausblick für die Weltwirtschaft weiter aufhellt. Bereits seit dem vierten Quartal des vergangenen Jahres, in dem die Einkaufsmanagerindizes zu steigen begannen, ziehen chinesische Aktien ihren Pendants aus anderen Teilen der Region davon. Die Regierung wird voraussichtlich an ihrer unterstützenden Politik festhalten. Die Wende am Immobilienmarkt scheint ebenfalls in Sicht. Daher wird das Wachstum im verarbeitenden Gewerbe im kommenden Jahr voraussichtlich weiter an Schwung gewinnen. Ich gehe davon aus, dass sich die Einkaufsmanagerindizes sowie andere Konjunkturbarometer langsam weiter nach oben bewegen werden. Damit dürfte sich auch die Stimmung der Investoren weiter bessern.- Welche Prioritäten setzen Sie in den Portfolien Ihrer Fonds? Bevorzugen Sie Titel aus dem chinesischen Festland oder aus den übrigen Regionen?Ich bin im vergangenen Jahr zu einer aggressiveren Strategie übergegangen. Seit dem dritten Quartal 2012 habe ich den Fonds angesichts besserer Liquiditätsbedingungen und des Konjunkturaufschwungs in Erwartung einer Erholung positioniert. Zum Beispiel habe ich das Engagement bei kleinen und mittleren Werten aufgestockt, die im letzten Jahr überverkauft waren und von einer Neubewertung profitieren dürften. Verstärkt habe ich auch das Engagement bei chinesischen Finanzwerten, vor allem angesichts der besseren Liquidität. Und schließlich habe ich A-Aktien zugekauft, weil diese aus meiner Sicht am stärksten von den besseren Liquiditätsbedingungen profitieren dürften. Im Gegenzug habe ich die Bestände in defensiveren Branchen wie Telekommunikation und Verbrauchsgüter etwas zurückgefahren.- Welche Branchen halten Sie für die interessantesten?Optimistisch bin ich wie gehabt, was die Entwicklung chinesischer Versicherungsaktien anbelangt. Lebensversicherer profitieren von den wieder steigenden Kursen an den A-Aktienmärkten, denn die meisten von ihnen haben über 10 % ihres Anlagebuchs in A-Aktien investiert. Zudem hinken chinesische Versicherungswerte seit drei Jahren dem Gesamtmarkt hinterher und dürften von einer Neubewertung als Folge ihres aufgehellten Geschäftsausblicks profitieren. An der Übergewichtung der chinesischen Glücksspielbranche halte ich fest. Im Jahr 2013 dürfte eine Neubewertung der Branche anstehen. Denn das strukturell bedingte Wachstum des Massenmarkts wird sich vor dem Hintergrund einer kräftigeren Belebung im VIP-Bereich bemerkbar machen und bei allen Betreibern die Gewinne stärker sprudeln lassen. Schließlich zählen zu meinen Favoriten auch erstklassige chinesische Internetaktien. Grund hierfür sind die soliden Geschäftsmodelle und das sichtbare Gewinnwachstum unter den aktuellen Marktbedingungen.- Wie schätzen Sie die Wirtschaft in Taiwan ein?Taiwans Exportindustrie weht auch weiter ein rauer Wind entgegen. Die jüngste Stabilisierung des Handels in der Region und der chinesischen Wirtschaft haben das Wachstum jedoch beflügelt. In den nächsten Quartalen wird Taiwan wohl nicht in die Rezession abgleiten. Vor dem Hintergrund des erwarteten baldigen Produktionsanstiegs hat das produzierende Gewerbe im November wieder verstärkt Arbeitskräfte eingestellt. Und der Geldbeutel der Verbraucher sitzt bislang unverändert locker, wobei das Vertrauen durch die recht stabile Lage am Arbeitsmarkt gestützt wird. Daran dürfte sich in nächster Zeit kaum etwas ändern, sofern sich die Lage am chinesischen Aktien- und Arbeitsmarkt nicht eintrübt und sich die aktuell leicht steigende Nachfrage aus dem Westen fortsetzt.—-Das Interview führte Armin Schmitz.