Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jochen Weck

"Für Wirtschaftskriminalität sind typische Signale kaum zu finden"

Verhaltenskodex sollte verbindliche Inhalte für Mitarbeiter festlegen

"Für Wirtschaftskriminalität sind typische Signale kaum zu finden"

– Herr Dr. Weck, der durch Wirtschaftskriminalität entstandene Schaden wird in Deutschland auf 8,3 Mrd. Euro geschätzt. Besonders betroffen sind Banken und Versicherungen. Wie können sich die Firmen aus dieser Branche schützen? Banken und Versicherungen werden immer häufiger Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen. Oftmals in der Form kollusiven Zusammenwirkens zwischen einem oder mehreren Mitarbeitern und einem externen Dritten. Um dem entgegenzuwirken, muss zunächst intern klargestellt werden, was erlaubt ist und was nicht. So banal diese Erkenntnis scheinen mag, so schwierig sind oft die Abgrenzungen im Einzelfall, bspw. bei der Annahme von Geschenken (Gefahr des Anfütterns für spätere Bestechungsdelikte) oder dem Umgang mit Arbeitsmitteln des Unternehmens. Sämtliche Regeln werden in einem so genannten Code of Conduct oder Verhaltenskodex festgelegt, den jeder Mitarbeiter erhält und dessen Inhalt als für ihn verbindlich gegenzeichnen muss. Hierdurch wird nicht nur gewährleistet, dass die Inhalte tatsächlich zur Kenntnis genommen werden, Verstöße gegen den Verhaltenskodex können so auch leichter durch arbeitsrechtliche Maßnahmen geahndet werden. In diesem Bereich ist gegenwärtig zu bemängeln, dass gerade bei Versicherungen die Mitarbeiter des Außendienstes oftmals von den Regelungen der Verhaltenskodizes ausgenommen sind. Um auf mögliche Delikte vorbereitet zu sein, ist in jedem Unternehmen zudem eine Schwachstellen- und Risikoanalyse erforderlich sowie ein Reaktionsplan für den Ernstfall. – Welche rechtlichen Bestimmungen gibt es, die in solchen Fällen greifen können? Hinsichtlich der rechtlichen Bestimmung ist zu unterscheiden zwischen denen, die Wirtschaftsdelikte unter Strafe stellen, und den Regelungen, die Anforderungen zur Sicherung an die Unternehmen stellen. In die erste Gruppe fallen neben den Delikten des Strafgesetzbuchs wie Betrug, Diebstahl, Geldwäsche oder Bestechung, um nur einige zu nennen, auch Regelungen des Geldwäschegesetzes, welches gerade bei Kreditinstituten besondere Beachtung finden sollte. Hinzu treten Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Neben Verlautbarungen zur Geldwäschebekämpfung gelten für Kreditinstitute auch die Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften. Hierin finden sich Vorgaben etwa zu Risikocontrolling- und Managementsystemen oder der personellen Trennung von Tätigkeiten beispielsweise im Handel einerseits und der Überwachung andererseits. – Was sind typische Signale, dass etwas im Unternehmen nicht stimmt?Allgemein gültige Signale sind kaum zu finden, weshalb auch die Aufdeckung solcher Delikte besonders schwer ist. Zu achten ist deshalb einerseits auf besondere Schwachstellen und Risiken, wie gerade dargestellt. Zur Entdeckung tatsächlicher Delikte muss auf die einzelnen Mitarbeiter geachtet werden. Dies ist eine vielschichtige und diffizile Angelegenheit, da Verhaltensmuster die auf den ersten Blick positiv wirken, auch der Verdeckung von Delikten dienen können. So kann der Verzicht eines Mitarbeiters auf jeglichen Urlaub weniger in einer besonderen Aufopferungsbereitschaft gegenüber seinem Arbeitgeber begründet sein als in der Angst, sein unerlaubtes Treiben könnte in seiner Abwesenheit entdeckt werden. Auch der Versuch, Kontrollmechanismen wie das Vier-Augen-Prinzip zu umgehen, mit Gründen wie besondere Eile oder geringe Bedeutung eines Projektes, kann auf Delikte hinweisen. Auch wenn die Täter in dieser Hinsicht immer geschickter werden, ist nach wie vor auch ein plötzlicher unerklärlicher Anstieg des Lebensstandards eines Mitarbeiters ein geeigneter Hinweis. – Worauf müssen Vorstände von börsennotierten Unternehmen besonders achten? Neben den genannten gesetzlichen Vorschriften ist besonders § 161 Aktiengesetz zu beachten. Dieser wurde durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz eingefügt und verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften, einen jährlichen Bericht zu verfassen, inwieweit sie den Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex gefolgt sind. Die Empfehlungen dieses Kodex enthalten unter anderem die Verpflichtung für den Vorstand, für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling zu sorgen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Einführung eines Verhaltenskodex und eine möglichst genaue Befolgung des Deutschen Corporate Governance Kodex nicht nur unter rechtlichen Aspekten interessant oder geboten sein kann. Immer mehr institutionelle Anleger achten bei der Auswahl ihrer Investments auf solche Kriterien.*) Dr. Jochen Weck ist Rechtsanwalt der Kanzlei Rössner in München. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.