Asset Management - Offene Immobilienfonds in der Krise - Serie "Zukunft der offenen Immobilienfonds" (Teil 2)

Gefahr einer Fluchtwelle wird durch Gesetzentwurf nur vertagt

Keine Lösung für Massenabkehr von Großinvestoren - Privatanleger brauchen größeres Entgegenkommen - Mehrheit der offenen Immobilienfonds funktioniert

Gefahr einer Fluchtwelle wird durch Gesetzentwurf nur vertagt

Von Hans Joachim Reinke *)Seit der Bekanntgabe, dass drei Produkte von verschiedenen Wettbewerbern abgewickelt werden, ist die mediale Berichterstattung zur Lage der offenen Immobilienfonds (OIF) schriller geworden. Stand vorher die sachliche Analyse im Vordergrund, aus der unter anderem hervorging, dass einige Anbieter offensichtlich völlig unbehelligt von den Problemen blieben, die bei anderen Kapitalanlagegesellschaften zur Aussetzung der Anteilsscheinrücknahme in ihren OIF führten, so steht nun die ganze Anlageklasse am Pranger. Einige Kommentatoren gehen bereits so weit, das Ende “eines deutschen Sonderwegs” auszurufen.Dies ist aus zweierlei Gründen erstaunlich. Erstens machen die anhaltenden Mittelzuflüsse deutlich, dass Anleger nach wie vor Vertrauen in OIF haben. So konnten branchenweit im bisherigen Verlauf des Jahres bis Ende September knapp 2,4 Mrd. Euro abgesetzt werden; 1,4 Mrd. Euro entfielen davon allerdings allein auf Produkte von Union Investment. Zweitens hat eine im August 2010 veröffentlichte Studie der Professoren Lutz Johanning (WHU Otto Beisheim School of Management) und Bernd Rudolph (Ludwig-Maximilian-Universität München) nachgewiesen, dass OIF in einem Portfolio das Chance-Risiko-Verhältnis der gesamten Vermögensanlage verbessern können. Ein Ergebnis der Studie lautet, dass zum Beispiel Anleger mit einer geringen Risikobereitschaft das Risiko eines defensiv ausgerichteten Depots durch die Beimischung von OIF um 18 % senken könnten – und das bei einem gleichbleibenden Renditeziel. Produkte sind sicherIch behaupte: OIF sind sicher, wenn eine wirksame Liquiditäts- und Mittelzuflusssteuerung betrieben wird. Wir bei Union Investment haben aus der OIF-Krise 2005/06 gelernt. So vollziehen wir seit Jahren eine klare Trennung zwischen Privatkunden und institutionellen Investoren. Unsere OIF-Publikumsfonds sind nur für Retailkunden, unsere OIF-Spezialfonds nur für institutionelle Anleger geöffnet.Des Weiteren haben wir eine Ampelsystematik eingeführt, um einen übermäßigen Anstieg der Liquidität zu verhindern. Fließen mehr Kundengelder in unsere OIF, als wir derzeit an profitablen Investmentmöglichkeiten sehen, so stoppen wir unverzüglich die weitere Ausgabe von Anteilsscheinen, bis wieder genügend Immobilien angekauft wurden. Wir verzichten hier zugunsten unserer Anleger bewusst auf den schnellen Euro. Gegenüber institutionellen Investoren verfügt Union Investment längst über geeignete Steuerungsmechanismen. So sieht beispielsweise unser institutioneller OIF “ImmoInvest” einen 2 %igen Rücknahmeabschlag für diejenigen Verkäufe vor, die nicht mindestens 18 Monate vorher vom institutionellen Kunden angekündigt wurden.Die Probleme einiger OIF beruhen häufig auf Managementfehlern. In der Regel begann alles in einer guten Marktphase, als Neugelder ungesteuert angenommen wurden. Rabatte auf Ausgabeaufschläge verstärkten die Neigung institutioneller Anleger, OIF als kurzfristige Parkstation und Geldmarktfondsersatz mit höheren Renditeaussichten zu missbrauchen. Zudem erfolgte in den besagten Fonds gerade keine Trennung von Privatkunden und institutionellen Investoren. Auch wurden institutionelle Investoren beim Abzug größerer Summen nicht eingeschränkt, obwohl dies vertraglich möglich gewesen wäre.Die Schließung mehrerer OIF führten zu den bekannten Reaktionen des Gesetzgebers. Der Regierungsentwurf vom 22. September 2010 durchläuft derzeit den parlamentarischen Beratungsprozess. Intensive Diskussionen führten dazu, dass der Regierungsentwurf gegenüber dem ursprünglichen Diskussionsentwurf des BMF vom 3. Mai 2010 einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. So wurde bekanntermaßen der 10 %ige Bewertungsabschlag gestrichen, vorgesehene Kündigungsfristen wurden durch Mindesthaltefristen ersetzt, auf die Verpflichtung zur Börsennotierung der OIF wurde verzichtet und Privatanlegern eine Rückgabemöglichkeit ihrer Fondsanteile von bis zu 5 000 Euro pro Monat ermöglicht. Zentraler SchwachpunktDennoch enthält der jetzige Gesetzentwurf des Bundeskabinetts etliche Mängel, von denen wir hoffen, dass die meisten im Verlauf des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens noch korrigiert werden. Kündigungsfristen in Kombination mit Rücknahmeabschlägen für institutionelle Investoren sind verursachungsgerecht und risikoadäquat. Genau hier liegt der zentrale Schwachpunkt des Regierungsentwurfs: Dieser schafft nämlich lediglich eine Problemvertagung, weil er nach zwei Jahren den institutionellen Anleger nach Beendigung der Mindesthaltefrist wieder gänzlich frei über seine Mittel verfügen lässt. Die Möglichkeit, ohne Einschränkung große Mittel auf einen Schlag abziehen zu können, muss regulatorisch dauerhaft unterbunden werden.Die Rückgabemöglichkeit von Anteilsscheinen für Privatanleger sollte von 5 000 auf 20 000 Euro pro Monat angehoben oder alternativ auf 60 000 Euro pro Jahr verändert werden. Eine konsequente Trennung zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren sollte es auch bei den Rücknahmeabschlägen geben. Entgegen dem Gesetzentwurf, der im dritten Jahr einen Rücknahmeabschlag von 10 und im vierten Jahr von 5 % vorsieht, plädieren wir bei Privatanlegern für eine Halbierung dieser Sätze, da diese bereits einen Ausgabeaufschlag beim Erwerb von Fondsanteilen gezahlt haben. Auch setzen wir uns für eine Halbierung der allgemeinen Mindesthaltefristen von zwei Jahren auf ein Jahr ein, da die Immobilienmärkte volatiler geworden sind.Der vorgesehene monatliche Bewertungsturnus aller von den OIF gehaltenen Immobilien durch die Sachverständigen sollte durch eine praxistaugliche Regelung ersetzt werden. Die Branche selbst benötigt eine längere Übergangsfrist zumindest bis Ende 2012, da umfangreiche Programmierarbeiten bei den Produktgebern etabliert werden müssen. Zu guter Letzt muss sichergestellt sein, dass Auszahlpläne auch nach Rücknahmeaussetzungen von OIF jederzeit weiter bedient werden können, da diese einen wichtigen Teil der privaten Altersvorsorge vieler Fondssparer darstellen.Mein Fazit lautet: Erstens, OIF sind seit über 40 Jahren sicher und werden es auch bleiben. Die jetzt anstehende Marktbereinigung ändert daran nichts. Es zeigt sich im Gegenteil, dass die Mehrheit des Marktes gut funktioniert. Die vier größten Anbieter, die ihre OIF jederzeit geöffnet halten konnten, vereinen mehr als 60 % des Gesamtmarktes auf sich. ManagementfehlerZweitens, die Probleme der OIF, die geschlossen wurden bzw. abgewickelt werden, beruhen oft auf Managementfehlern und nicht auf fehlender rechtlicher Regulierung. Wer am Markt auf Dauer erfolgreich sein möchte, sollte drei Dinge mitbringen: einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit OIF, gute Expertise bei der Durchführung sauberer Prozesse und ein solides Liquiditätsmanagement mit differenzierten Produkten für unterschiedliche Anlegergruppen. Drittens, der jetzige Regierungsentwurf stellt gegenüber dem ursprünglichen Diskussionsentwurf des BMF einen Schritt in die richtige Richtung dar. Viertens gilt es jedoch noch etliche Mängel des Entwurfs im Verlauf des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens zu korrigieren. Dafür werden wir uns bei Union Investment im Sinne unserer Anleger einsetzen.—-*) Hans Joachim Reinke ist Vorstandsvorsitzender der Union Asset Management Holding.Zuletzt erschienen:- “Den offenen Immobilienfonds neues Leben einhauchen” von Georg Allendorf (16.11.)