RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: THOMAS WINZER

Groko plant Änderungen in der Befristung von Arbeitsverträgen

Parteien wollen auch die betriebliche Mitbestimmung stärken

Groko plant Änderungen in der Befristung von Arbeitsverträgen

– Herr Winzer, die Groko hat sich im Koalitionsvertrag eine Reihe arbeitspolitischer und -rechtlicher Maßnahmen vorgenommen. Welche werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer am stärksten spüren?Praktisch besonders relevant werden die geplanten Änderungen des Befristungsrechts und das Recht auf befristete Teilzeit sein. Die unternehmerische Freiheit wird dadurch stark eingeschränkt. Ob es positive Effekte für Beschäftigte gibt, ist zweifelhaft. Die Einschränkung von Befristungsmöglichkeiten führt nicht zwangsläufig zum Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge, sondern kann im Gegenteil ein Einstellungshindernis sein. Kritikwürdige Gestaltungen sind im Übrigen gerade im öffentlichen Dienst zu finden – Unternehmen können es sich in Zeiten des Fachkräftemangels gar nicht erlauben, Arbeitnehmer von einer Befristung in die nächste zu schicken. – In welchen Fällen werden Unternehmen in Zukunft noch befristet einstellen können?Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung soll für Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten eingeschränkt werden. Sie dürfen nur noch höchstens 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet beschäftigen. Unabhängig von der Mitarbeiterzahl wird die Gesamtdauer der sachgrundlosen Befristung von 24 auf 18 Monate verkürzt. Dies schränkt eine wichtige Flexibilisierungsmöglichkeit stark ein, ohne dass hierfür ein Bedarf bestand. Eine Befristung mit Sachgrund soll nur noch bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren möglich sein. Dies bedeutet im Kern ein Verbot von Kettenbefristungen. – Die betriebliche Mitbestimmung soll gestärkt werden, etwa indem die Gründung von Betriebsräten erleichtert und deren Initiativrecht ausgeweitet wird. Wie ist das zu bewerten?Gegen eine Vereinfachung der Betriebsratswahl spricht nichts, solange demokratische Wahlgrundsätze gewahrt sind. Insoweit halte ich die Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens durchaus für gut. Es bleibt aber abzuwarten, ob allein dies zu mehr Betriebsräten führt. Nach meinem Eindruck entscheidet nicht das Verfahren darüber, ob ein Betriebsrat gewählt wird. Positiv ist, dass die Koalition das Thema Digitalisierung in den Blick nimmt und die Notwendigkeit der Weiterbildung betont. Dass hierfür Rechte des Betriebsrats ausgeweitet werden müssen, wie von der Koalition geplant, sehe ich allerdings nicht. – Flexible Arbeitszeiten sind schon heute ein großes Thema in den Betrieben. Was sagt der Koalitionsvertrag hierzu?Wichtig ist, dass die Koalitionspartner Fragen der selbstbestimmten und flexiblen Arbeitszeit angehen wollen. Es soll Öffnungsklauseln im Arbeitszeitgesetz geben, die Sozial- und Betriebspartner nutzen können. Für Euphorie besteht jedoch kein Anlass. Wenn die Überlegungen des Arbeitsministeriums im Weißbuch Arbeiten 4.0 weiter gelten, wird es wohl nur eine Flexibilisierung in homöopathischen Dosen geben. Auch bleiben die Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie bestehen, wobei es schon ein erster Schritt wäre, wenn Deutschland den Rahmen der Richtlinie ausnutzte. Grundlegende Anpassungen des Arbeitszeitrechts müssten aber von Brüssel ausgehen. – Der “Brexit” wird zur Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb Europas führen. Gibt es arbeitspolitische Maßnahmen, die den Börsen- und Bankenstandort Frankfurt in dem Zusammenhang stärken könnten?Helfen könnten die geplanten Änderungen im Kündigungsschutzrecht. Dass die Koalition die Risikoträger im Sinne der Institutsvergütungsverordnung hier den leitenden Angestellten im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gleichstellen will, wenn ihr Grundgehalt das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, ist zu begrüßen. Faktisch bedeutet das eine erleichterte Trennung gegen Zahlung einer Abfindung. Allerdings springt die Politik hier zu kurz. Erleichterungen sollten für alle Wirtschaftszweige gelten. Rechtlich stellt sich die Frage, ob die Begrenzung auf den Finanzsektor überhaupt möglich ist. Zu hoffen ist aber, dass sich die Bedenken großer internationaler Finanzinstitute im Hinblick auf den deutschen Kündigungsschutz relativieren. —-Dr. Thomas Winzer ist Partner der Kanzlei Gleiss Lutz in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.