Immobilien

Handelsimmobilien gehen weg wie warme Semmeln

Atisreal: Kaufpreise pendeln sich auf hohem Niveau ein - Beteiligungsbeschränkung macht Reits für Einzelhändler unattraktiv

Handelsimmobilien gehen weg wie warme Semmeln

Von Annette Becker, Düsseldorf Die Rahmenbedingungen des deutschen Einzelhandels sind alles andere als prickelnd. Seit Jahr und Tag kämpft die Branche in einem gesättigten Markt gegen den Umsatzverfall und liefert sich dabei einen halsbrecherischen Preiskampf. Der Anteil des Einzelhandels am privaten Konsum liegt nach einer Studie der DB Research nur noch bei 30 %, Anfang der 1990er Jahre waren es noch 40 %. Zugleich setzt sich die Flächenexpansion, wenn auch mit abnehmender Geschwindigkeit, fort. Die logische Konsequenz: Die Flächenproduktivität nimmt ab und mit ihr die Mieten.Dennoch zählen deutsche Einzelhandelsimmobilien unter den Gewerbeimmobilien zu den begehrtesten Objekten bei Immobilieninvestoren. Von den Investments von gut 18 Mrd. Euro im ersten Halbjahr dieses Jahres entfielen nach Angaben des Gewerbeimmobilienberaters Atisreal Deutschland rund 10,3 Mrd. Euro oder 57 % auf Einzelhandelsimmobilien. Zwar werde die Statistik von der milliardenschweren Transaktion von KarstadtQuelle verzerrt – die Essener hatten ihre Warenhausimmobilien Ende März in eine gemeinsam mit dem Goldman-Sachs-Fonds Whitehall geführte Gesellschaft ausgegliedert -, doch selbst ohne diesen Deal lägen die Investitionen in Einzelhandelsimmobilien in den ersten sechs Monaten 2006 um 270 % über dem Vorjahreswert, schreibt Atisreal im jüngsten “Retail Market Report”. Hoher AnlagedruckEin Ende des Booms ist nach Einschätzung von Branchenkennern nicht in Sicht. Angeführt werden zwei Gründe: Zum einen beurteilen ausländische Investoren den deutschen Markt nicht so negativ wie die Deutschen selbst. Zum anderen herrscht unverändert ein hoher Anlagedruck. Institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherer sind praktisch gezwungen, Immobilien zu kaufen. Das machen sie vorzugsweise in Ländern mit stabiler Währung. Ein Beleg für die ungebrochene Kaufwut vor allem ausländischer Investoren sind die gestiegenen Preise. “Seit Anfang 2005 verzeichnen wir durchschnittliche Preissteigerungen von ein bis zwei Jahresmieten”, veranschaulicht Christoph Meyer, Mitglied der Geschäftsleitung von Atisreal. Seiner Einschätzung nach wird sich die Kaufpreisentwicklung jedoch beruhigen und somit für langsamer sinkende Renditen sorgen. Gerade bei Einzelhandelsimmobilien war es in jüngerer Vergangenheit zu starken Renditekompressionen gekommen. In besonders begehrten Lagen lägen die Mietrenditen derzeit nur noch bei knapp 5 %. Höhere Mieten lassen sich nach Einschätzung von Insidern dagegen kaum durchsetzen, zumal die “zweite Miete” (Nebenkosten, insbesondere Energiekosten) extrem gestiegen ist. Doch nicht jede Einzelhandelsimmobilie findet ihren Käufer. Gefragt sind nach Einschätzung von Meyer in erster Linie ShoppingCenter, Fachmärkte und Kaufhäuser. Beliebt seien Immobilienpakete mit einem Wert bis zu 500 Mill. Euro, teilweise auch bis 1 Mrd. Euro, heißt es im Einzelhandel. Für Portfolios in dieser Größenordnung lasse sich stets ein Dutzend Interessenten finden. Die Vermarktung von Immobilien in Stadtteillagen und von Einzelstandorten gestalte sich dagegen schwierig.Umgekehrt ist aber auch nicht jeder Einzelhändler zum Verkauf seiner Immobilien bereit. “Die Entscheidung basiert auf drei Faktoren: Lage, Lage, Lage”, verdeutlicht ein Immobilienmanager eines Handelskonzerns. Der Grund: Die Händler sind dem Vermieter bei der Neuverhandlung von Mietverträgen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, denn den Verlust eines Top-Standortes kann sich keiner leisten. Rein theoretisch könnte hier die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) Abhilfe schaffen. Allerdings nicht in der im Referentenentwurf geplanten Ausgestaltung. Denn die Regelung, dass kein Anteilseigner mehr als 10 % an einem Reit halten darf, wird in der Branche als K.-o.-Kriterium angesehen. NachholbedarfDer Grund für die Konzentration der Investoren auf großflächige Formate liegt gemäß DB Research in der Tatsache, dass Deutschland in diesen Formaten Nachholbedarf hat. Zwar gibt es nirgends in Europa so viel Einkaufsfläche pro Kopf wie in der Bundesrepublik, wo auf jeden Einwohner 1,4 Quadratmeter entfallen. Beim Angebot an Shopping-Center-Fläche hat Deutschland jedoch keineswegs die Nase vorn. Nach Angaben der Deutschen Bank kommen hierzulande auf 1 000 Einwohner 140 qm Shopping-Center-Fläche, in Spanien und Frankreich seien es 200 qm und in den Niederlanden 300 qm. Den Vogel schießt Schweden mit deutlich mehr als 300 qm ab.Auch der Trend, große Einkaufszentren nicht mehr auf der grünen Wiese aus dem Boden zu stampfen, sondern in die Innenstädte zurückzuverlagern, hat das Nachfrageverhalten verändert. “Ausländische Anleger fokussieren sich verstärkt auf gute bis sehr gute City-Immobilien”, weiß Meyer. Dabei rückten Immobilien in kleineren bis mittelgroßen Städten mit guter Kaufkraft und Zentralität – die “Hidden Champions” – zunehmend ins Visier der ausländischen Immobilienkäufer. Dort seien die gemessen an der Miete zu zahlenden Kaufpreismultiplikatoren noch relativ moderat und eröffneten Ertragssteigerungspotenziale, begründet Atisreal.Dem halten die Analysten von DB Research allerdings entgegen, dass steigende Mieten nur bei steigender Standortattraktivität erzielbar seien. Das wiederum setze voraus, dass das Flächenangebot am Standort langsamer wachse als die Nachfrage – eine Entwicklung, die zumindest in der Vergangenheit mit der Realität wenig zu tun hatte. In 85 von 100 westdeutschen Städten lägen die Mieten heute unter dem Niveau von vor zehn Jahren, ermittelte die Deutsche Bank. Im Durchschnitt würden aktuell pro Quadratmeter 15 % weniger gezahlt als 1995, in Ostdeutschland falle der Mietrückgang mit 25 % in Citylagen sogar noch prononcierter aus. Randlagen seien von dem Mietrückgang sogar noch stärker betroffen. Immerhin wird aber eine Bodenbildung bei den Mieten ausgemacht.Hatten sich nach Angaben von Atisreal in den vergangenen Jahren vor allem angelsächsische Investoren um deutsche Handelsimmobilien bemüht, wächst mittlerweile auch das Interesse inländischer Investoren. Das machten sich die Erstkäufer – in aller Regel Opportunity Funds – zunutze. Erste Mitnahmeeffekte durch schnellen Wiederverkauf seien zu beobachten.