Finanzen persönlich

Historische Renditen sagen wenig über die Zukunft

Zentraler Maßstab für die Asset-Allokation ist die Diversifikation über alle Anlageklassen

Historische Renditen sagen wenig über die Zukunft

Von Dietmar Hillebrand *) Die Frage nach einer sinnvollen Allokation des Vermögens treibt zurzeit viele Privatanleger um. Neben den herkömmlichen Asset-Klassen wie Aktien der Industrieländer, Staats- und Unternehmensanleihen sowie Immobilien stehen dem Investor auch Aktien und Anleihen der Emerging Markets, Rohstoffe, Währungen, Hedgefonds, Private Equity oder die in vergangener Zeit in Verruf geratenen Kreditderivate als Anlageklassen zur Verfügung. Diese Vielfalt stellt den Anleger vor die schwierige Aufgabe, die Gewichte der einzelnen Klassen in seiner Asset-Allokation festzulegen. Alte EmpfehlungenHäufig werden direkt oder indirekt die historischen Renditen als Grundlage dieser Entscheidung gewählt. So wurde im Jahr 2000 nach 20 sehr guten Aktienjahren häufig die Meinung vertreten, langfristige Investments allein in Aktien zu halten oder sich sogar zu verschulden, um eine noch höhere Aktienquote eingehen zu können – mit bekanntem Ausgang. Und auch heute wird wiederum empfohlen, Anlageklassen wie Rohstoffe, Hedgefonds, Private Equity oder Emerging Markets sehr hoch zu gewichten, die in den vergangenen Jahren eine außerordentliche Performance aufwiesen. Im Weiteren sollen kurz einige einfache statistische Grundlagen beleuchtet werden, die solche Einschätzungen problematisch erscheinen lassen.Grundlage der Asset-Allokation sollten die erwarteten Renditen und die erwarteten Risikokennzahlen wie Volatilität und Korrelationen sein. Diese Kennzahlen müssen jedoch deutlich von der mittleren historischen Rendite und den historischen Risikokennzahlen unterschieden werden. Die mittlere Rendite der Vergangenheit stellt lediglich einen Schätzer der erwarteten Rendite dar. Die wesentliche Frage lautet, wie gut dieser Schätzer ist.Der Unterschied soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Bekanntlich beträgt die Wahrscheinlichkeit, mit einem normalen Würfel eine Sechs zu werfen, ein Sechstel. Wäre uns diese Tatsache unbekannt, könnten wir versuchen, durch Würfeln die Wahrscheinlichkeit zu schätzen. Fiele bei zehnmaligem Würfeln viermal die Sechs, so wäre die relative Häufigkeit vier Zehntel. Dies ist offensichtlich ein schlechter Schätzer des wahren Wertes ein Sechstel.Die Statistik lehrt uns, dass wir nur genügend häufig würfeln müssten, um die Wahrscheinlichkeit beliebig genau bestimmen zu können. Diese Freiheit besteht an den Kapitalmärkten hingegen nicht. Häufig liegen nur einige Jahre an Daten vor, mit denen Renditekennzahlen geschätzt werden können. Außerdem muss vorausgesetzt werden, dass sich im Schätzzeitraum die Verteilung nicht ändert oder, um im Beispiel zu bleiben, nicht zwischendurch zu einem gezinkten Würfel gewechselt wird. Auch mit dieser Annahme stellt sich heraus, dass häufig die Schätzfehler so groß sind, dass die historischen Renditen kaum Aufschluss über die erwarteten Renditen geben. In der Tabelle sind die mittleren Renditen einiger Indizes verschiedener Asset-Klassen dargestellt. Außerdem ist das 95 %-Konfidenzintervall angegeben, das heißt, jener Bereich, in dem der “wahre” Erwartungswert mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % liegt. Die volatileren Aktien- und Rohstoffmärkte weisen sehr große Konfidenzintervalle auf, die allesamt eine negative untere und eine zweistellige obere Grenze zeigen. Trotz der wesentlich schlechteren Performance des Nikkei in den vergangenen Jahren können wir statistisch weder in der Vergangenheit noch für die Zukunft auf eine niedrigere erwartete Rendite dieses Index schließen. Auch für die boomenden Rohstoffmärkte können wir zum Beispiel die These, dass diese in Zukunft keine positive Renditeerwartung verheißen, nicht ablehnen.Aufgrund der niedrigeren Volatilität können die Erwartungswerte der Rentenmärkte besser, aber auch nicht auf einen Prozentpunkt genau abgeschätzt werden. Nun könnte man argumentieren, dass wie beim Wurf nur mehr Daten ausgewertet werden müssten. Aber auch mit einer Historie von 111 Jahren für den Dow Jones Industrial Index und der in diesem Fall sicherlich diskutierbaren Annahme, dass sich die Verteilung seit 1896 nicht geändert hat, liegt das 95 %-Konfidenzintervall immer noch bei 2 bis 8 %.Dies macht die begrenzte Aussagekraft der Schätzung auch für lange Historien deutlich. Eine Gestaltung der Asset-Allokation auf Basis historischer Renditen – zum Beispiel die Empfehlung eines sehr hohen Rohstoffgewichtes aufgrund der überragenden Performance in diesem Segment in den letzten Jahren – ist daher nicht zweckdienlich.Da erwartete Renditen kaum zu schätzen sind, drängt sich die Frage auf, nach welchen Kriterien die Asset-Allokation gestaltet werden sollte. Die klare Antwort lautet: Diversifikation. Anstatt sich aufgrund wenig aussagekräftiger historischer Renditen stark in einzelnen Asset- Klassen zu engagieren, sollte ein gut diversifiziertes Portfolio mit ausgewogenen Gewichten in allen Asset- Klassen als Grundlage der Asset-Allokation dienen. Verluste in einem Bereich können so durch Gewinne in einem anderen ausgeglichen werden. Die Performance des Portfolios wird dadurch geglättet und weist weniger starke Rückschläge auf. Von dieser strategischen Position kann dann – falls informationshaltige Prognosen vorliegen – in einem strukturierten Investmentprozess abgewichen werden.Der wesentliche Performance-Treiber wird aber immer das gut diversifizierte Basisportfolio bleiben. Aus dieser Sichtweise heraus liegt es nahe, auch die zu Beginn genannten alternativen Asset-Klassen wie Rohstoffe, Emerging Markets, Währungen oder Hedgefonds in die Asset-Allokation aufzunehmen, jedoch nicht wegen ihrer beachtlichen, aber fast aussagelosen Renditen der Vergangenheit, sondern aufgrund ihres positiven Beitrags zur Diversifikation des Gesamtvermögens. *) Dr. Dietmar Hillebrand ist quantitativer Analyst im Asset Management Research der Landesbank Berlin AG.