Immobilien

Hollands Immobilienboom geht zu Ende

Preise im internationalen Vergleich sehr hoch - Rodamco agiert in schwierigem Umfeld

Hollands Immobilienboom geht zu Ende

Von Helmut Hetzel, Den Haag In Velsen, rund 20 Kilometer nordwestlich von Amsterdam, steht ein freistehendes Einfamilienhaus zum Verkauf. Es hat eine Wohnfläche von 120 Quadratmetern und einen eigenen Garten. Der ist 40 mal 70 Meter groß. Das Haus kostet 1,7 Mill. Euro. Vor 23 Jahren, 1983, konnte man das gleiche Haus für 45 000 Euro kaufen. Das Beispiel zeigt: Die Niederlande sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein Eldorado für Immobilien-Investoren gewesen, ähnlich wie heute Spanien. Kräftiger PreisanstiegDie Preise sowohl für Geschäfts- und Büroräume als auch für Wohnungen und Privathäuser stiegen und stiegen. “Allein in der Dekade zwischen 1991 und 2001 haben sich die Preise in den Niederlanden verdoppelt”, hält Raymond van der Putten von BNP Paribas in einer Studie fest. Seither hat sich der Anstieg zwar verlangsamt, er hält aber immer noch an. Nun aber droht endgültig das Ende des holländischen Booms. Denn in einem steigenden Zinsumfeld verliert die Immobilie für Investoren immer mehr an Attraktivität. Die Immobilie ist für konservative Anleger nicht mehr quasi automatisch die bessere Anlage gegenüber einer Obligation. “Innerhalb von zwei Monaten stiegen die Zinsen um 80 Basispunkte. Es ist mit weiteren Zinssteigerungen zu rechnen. Immobilien sind Spätzykliker und aufgrund der zurückliegenden starken Preisanstiege in den Niederlanden sehr, sehr teuer”, meint Ward Kastrop, Analyst bei der Amsterdamer Effektenbank Kempen & Co. Das würden auch börsennotierte Immobilienfonds zu spüren bekommen. In der Tat scheint die Luft aus der holländischen Blase zu entweichen, auch wenn mit einem Knall nicht zu rechnen ist. Eine sanfte Landung auf dem Boden der neuen ökonomischen Realität ist wahrscheinlich, heißt es. Die Theorie der sanften Landung wird damit begründet, dass derzeit die Wirtschaft in den Niederlanden wieder kräftig wächst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Oranjestaates wird den Prognosen zufolge in 2006 um 2,7 % zulegen. Hollands Wirtschaft ist trotz des hohen Ölpreises und des teuren Euro wieder in Schwung gekommen. Das im europäischen Vergleich relativ hohe Wirtschaftswachstum in den Niederlanden soll sich auch im kommenden Jahr mit derselben Geschwindigkeit fortsetzen, meinen die Wirtschaftsweisen. Das wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Büroräumen wieder steigt und der Wunsch, ein Eigenheim zu kaufen, wächst. Schon jetzt ist festzustellen, dass sich der Leerstand an Büro- und Geschäftsräumen um 7 % auf 13 % verringert hat. Immobilienaktien profitierenVon diesem eher positiven Trend werden Immobilienaktien wie die des Marktführers Rodamco Europe, die der börsenkotierten niederländischen Immobilienfonds Corio, Wereldhave, Vastned, Euro Commercial Properties und Nieuwe Steen Investment zweifellos profitieren können. Er wird möglicherweise sinkende Wertsteigerungen des Anlagevermögens und der Mieten teilweise kompensieren. Am Markt wird festgehalten: Das Wachstum, auch das Gewinnwachstum dieser Fonds wird sich voraussichtlich verlangsamen. “Wir haben errechnet, dass für die Rodamco-Aktien beim aktuellen Börsenkurs von 75,50 Euro derzeit auf Basis des tatsächlichen Wertes noch eine Prämie von 30 % bezahlt wird”, sagt Immobilienanalyst Ward Kastrop. Rodamco-Vorstandschef Maarten Hulshoff vertritt jedoch die Meinung, “dass sich mit Immobilienanlagen auch in Zukunft gut Geld verdienen lässt”. Im ersten Quartal 2006 steigerte die Rodamco-Gruppe das Anlageresultat gemäß dem gerade publizierten ersten Quartalsbericht 2006 jedenfalls um 11,4 % auf 93,7 Mill. Euro. Allerdings war der Anstieg der Mieteinnahmen geringer als vor einem Jahr. Gefahr durch NeuwahlenNegativ beeinflusst wird der niederländische Immobiliensektor aber zusätzlich von politischen Unsicherheiten. Es ist vor allem die Unsicherheit darüber, ob die Hypothekenzinsen für Privathäuser auch in Zukunft voll und ganz von der Steuer absetzbar sein werden oder nicht. Denn vor allem die derzeit noch oppositionellen Sozialdemokraten (PvdA) wollen diese Steuervergünstigung abschaffen. Im Frühjahr 2007 finden in den Niederlanden Parlamentswahlen statt. Wenn man den Demoskopen Glauben schenkt, dann sieht es momentan ganz danach aus, dass die PvdA 2007 in Den Haag wieder mitregieren wird. Nicht nur für Eigenheimbesitzer, sondern für den gesamten Immobilienmarkt wäre das ein Fiasko. Denn viele Haushalte haben sich wegen der steuerlich attraktiven Absetzbarkeit der Hypothekenzinsen hoch verschuldet. Nach den USA und Großbritannien weisen die Niederlande den höchsten Verschuldungsgrad der Privathaushalte auf. Sollte die Absetzbarkeit der Hypothekenzinsen von der Steuer ganz oder auch nur teilweise wegfallen, wird sich dies aller Voraussicht nach auch negativ auf die Kaufkraft der Bevölkerung und damit auf das Konsumverhalten der Bürger auswirken.Hinzu kommt, dass es für junge Familien immer schwieriger wird, sich überhaupt noch ein Eigenheim leisten zu können. Der Durchschnittspreis für eine Eigentumswohnung oder ein kleines Eigenheim mit einer Wohnfläche von 100 Quadratmetern beträgt in den Niederlanden derzeit 230 000 Euro. Um ein solches Eigenheim mit einer Hypothek finanzieren zu können, muss nach Vorgaben der Banken ein Haushalt mindestens über ein jährliches Bruttoeinkommen von 50 000 Euro verfügen. Auch dieser Umstand wird dazu beitragen, dass sich der rasante Preisanstieg im niederländischen Markt deutlich verlangsamt. Viele Niederländer bauen sich ihre neuen Häuser daher inzwischen jenseits der Grenze. In Deutschland und in Belgien, wo die Preise im Vergleich noch erschwinglich sind. Lokaler MarktführerZurück zu Rodamco. Das Portfolio des niederländischen Marktführers in der Branche und AEX-Fonds Rodamco umfasste Ende 2005 ein Volumen von 9,1 Mrd. Euro und ist außer in den Niederlanden hauptsächlich in Spanien, Frankreich, Skandinavien und in Mitteleuropa angelegt. Für das zurückliegende erste Quartal 2006 meldete die Rodamco-Gruppe einen um 12 % auf 1,05 Euro je Aktie gestiegenen Nettogewinn. Das Anlageportefeuille wurde um 172 Mill. Euro aufgewertet. Allerdings wird im jüngsten Rodamco-Quartalsbericht auch darauf hingewiesen, dass die Ertragseffekte des einstigen Wachstums- und Gewinnbringers wie etwa der Neuentwicklung des Stadtzentrums der Amsterdamer Vorstadt Amstelveen “in 2006 wegfallen werden”. Das schlägt sich bereits im Wachstum der Mieteinnahmen nieder, die im zurückliegenden Quartal nur noch um 2,5 % zulegten, während sie im ersten Quartal 2005 noch um 3,9 % stiegen. Auch das zeigt, der holländische Immobilienboom kühlt sich ab.