Recht und Kapitalmarkt

Holprige Wege zum "deutschen Reit"

Erhebliche steuerrechtliche Hürden - Wettlauf um angloamerikanische Investoren - Vorteile gegenüber Fonds

Holprige Wege zum "deutschen Reit"

Von Matthias Hoppe *) Seit Mitte 2003 wird über die Einführung eines deutschen Real Estate Investment Trust (Reit) diskutiert. Hierbei handelt es sich um eine Sonderform einer Immobilienaktiengesellschaft, die als Anlageform neben offene Immobilienfonds treten könnte. Insbesondere die in der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) zusammengeschlossenen Finanzinstitute und Verbände befürworten die Schaffung eines neuen Anlageinstruments. Die Pläne hierzu waren durch den Regierungswechsel ins Stocken geraten, sie haben nicht zuletzt durch die Entwicklungen der krisengeschüttelten offenen Fonds der Deutschen Bank und KanAm wieder an Schwung gewonnen. Zyklische VerstärkungEin Vergleich der Anlageformen verdeutlicht es: Der Deutsche-Bank- Fonds Grundbesitz-Invest (GI) wurde vom Handel ausgenommen, weil durch Bewertungsabschläge mit einem Kursverfall zu rechnen war, der drohte, zu einer existenzgefährdenden Rückgabewelle zu führen. Bei offenen Fonds werden die Immobilien durch Gutachter bewertet, deren Ergebnisse in den Rückgabewert umgesetzt werden. Dies führt zu verzögerten zyklischen Verstärkungen. Steigen Immobilien im Wert und damit auch in der Begutachtung, legen weitere Anleger ihr Geld in offenen Immobilienfonds an. Die Fonds müssen das Geld bei steigenden Immobilienpreisen im Markt investieren. Umgekehrt geben Anleger bei fallenden Immobilienpreisen ihre Anteile zurück. Der Fonds muss wegen seiner Rücknahmeverpflichtung bei fallenden Preisen zusätzlich Objekte veräußern. Fallen der Gutachterwert und der am Immobilienmarkt zu realisierende Wert der Objekte auseinander, kommt es zu einem Schreckensszenario zunächst für die Fondsgesellschaft – dann für die Anleger.Nach der Konzeption der Reits würden diese zyklischen Verstärkungseffekte nicht eintreten. Denn bei einem Reit kauft der Anleger eine Aktie, deren Wert durch die Börse bestimmt wird. Hat eine Reit-Gesellschaft erfolgreich in Immobilien investiert, steigt der Wert ihrer Aktien. Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, weiteres Anlegergeld bei steigenden Preisen zu investieren bzw. bei fallenden Preisen Objekte zu veräußern. Wäre der GI-Fonds als Reit strukturiert, so hätte er nicht vom Handel ausgesetzt werden müssen, sondern sein Kurs wäre gefallen. Der Anleger hätte zwar für seine Aktie weniger erhalten, er wäre jedoch nicht über mehrere Wochen von seinem Vermögen abgeschnitten worden und in Unsicherheit geblieben, welchen Vermögenswert sein Anteil darstellt. Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei den Reit-Gesellschaften um an einer Börse notierte Aktiengesellschaften handeln soll, die auf der Ebene der Gesellschaft keine Steuern entrichten, also körperschaftsteuerbefreit sind, deren Ausschüttungen in Form der Dividende aber auf Ebene der Aktionäre besteuert werden. In diesem Grundkonzept besteht Einigkeit; der Teufel steckt im Detail, insbesondere bei der Besteuerung ausländischer Aktionäre. Der Finanzminister befürchtet erhebliche Steuerausfälle.Nicht umsonst ist als Name für deutsche Immobilienaktiengesellschaften der amerikanische Begriff Reit vorgeschlagen. Er soll dazu dienen, ausländische Investoren auf den deutschen Immobilienmarkt zu locken. Kauft z. B. eine ungarische Gesellschaft Aktien an einer deutschen Reit-Gesellschaft, beunruhigen die steuerlichen Folgen das Finanzministerium. Ähnlich wie in Frankreich soll die Übertragung von Immobilienbeständen der Unternehmen steuerlich begünstigt werden, so dass der Zeitpunkt der hauptsächlichen Gewinnrealisierung in die Zeit der Reit-Gesellschaft fällt. OECD-MusterabkommenAuf Ebene der Reit-Gesellschaft werden die Mieterträge, Veräußerungsgewinne o. Ä. nicht besteuert. Werden diese Gewinne aber in Form der Dividende an die Aktionäre in Ungarn ausgeschüttet, so sind die Dividendenzahlungen nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Ungarn-Deutschland von der deutschen Besteuerung ausgenommen. Lediglich eine magere Quellensteuer von 15 % bzw. 5 % kann der deutsche Staat unter Umständen erheben. Das Besteuerungsrecht wäre im Übrigen Ungarn zugewiesen. Diese Aufteilung des Besteuerungsrechts ist üblich, wird sie doch vom OECD-Musterabkommen vorgeschlagen. Deutschland ist – wie die meisten Industrienationen – bei den Verhandlungen und dem Abschluss seiner Doppelbesteuerungsabkommen diesem Vorschlag gefolgt. Eine Differenzierung zwischen ausländischen und inländischen Aktionären in einem Reit-Gesetz ist nicht möglich, da dies insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der EU verletzen würde. Zur Vermeidung dieser Steuerausfälle bei ausländischen Aktionären werden verschiedene Vorschläge diskutiert. Zunächst könnte das Phänomen der Steuerbefreiung von Dividenden dort angegangen werden, wo es entsteht, nämlich in den Doppelbesteuerungsabkommen. In ergänzenden Protokollen oder sogar Änderungen des DBA-Textes müssten die Dividenden aus den Reit-Gesellschaften als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen qualifiziert werden. Denn das Besteuerungsrecht hierfür wird durch DBA regelmäßig dem Staat der Belegenheit des Immobilienvermögens zugeordnet. Diesen Weg sind etwa die USA vor 40 Jahren gegangen, die in ihren DBA häufig die Veräußerung von Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften der Veräußerung von Grundstücken gleichstellen. Allerdings bedürfte die Änderung fast sämtlicher DBA einer längeren Zeitspanne. Anfängliche Steuerausfälle in Deutschland wären unvermeidbar. Die IFD schlägt deshalb vor, dem Reit-Aktionär einen gesetzlichen, unmittelbar einklagbaren Ausschüttungsanspruch zuzugestehen (so genanntes Einheitsmodell). Dieser Ausschüttungsanspruch würde neben dem Dividendenanspruch durch Hauptversammlungsbeschluss bestehen, es gäbe eine Aktiendividende und Ausschüttungen aus sonstigen Gesellschaftsanteilen. Das Aktiengesetz müsste insoweit für den Reit geändert werden. Die Ausschüttungen aus sonstigen Gesellschaftsanteilen wären nach DBA-Qualifikation keine Dividenden, sondern könnten als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in Deutschland besteuert werden.Alternativ hat die IFD das so genannte Trustvermögens- oder Trennungsmodell entwickelt. Ähnlich wie bei einem offenen Immobilienfonds würden die Immobilienbestände als Sondervermögen bei der Reit-Gesellschaft geführt. Die Immobilienerträge würden dem Anleger nicht als Dividende, sondern als Ausschüttungen aus dem Sondervermögen zufließen. Eine Nachverhandlung der DBA wäre nicht notwendig. Nachteil dieses Modells ist die Trennung von verschiedenen Vermögensebenen und die Ähnlichkeit zu dem Aufbau von offenen Fonds. Offene Fonds mit ihren verschiedenen Vermögensebenen sind im Ausland weitgehend unbekannt. Lediglich in Australien kennt man mit der Reit-Form der “listed unit trusts” eine ähnliche Immobilienanlage mit verschiedenen Vermögensebenen. Sollen die Reits durch ihren englischen Namen insbesondere US-amerikanische Investoren anlocken, müsste dieses Modell zumindest Ähnlichkeiten mit den ausländischen, insbesondere amerikanischen Reit-Formen haben. Das Trustvermögensmodell wäre hierfür weniger geeignet. WettlaufBeide Modelle setzen erhebliche Eingriffe in bestehende Aktien- und Steuergesetze voraus. In der steuerrechtlichen Literatur wird deshalb vorgeschlagen, Körperschaftsteuer nachgelagert bei Ausschüttung zu erheben und Höchstbeteiligungsgrenzen festzuschreiben. Der Ansatz hat den Charme des Einfachen, wenn er auch keinen gleichwertigen Effekt hat. Der Wettlauf um die angloamerikanischen Investoren wird durch einen aktuellen britischen Gesetzesentwurf verschärft. Schafft es Großbritannien deutlich vor Deutschland, die neue Immobilienanlageform Reits einzuführen, wird befürchtet, dass ausländische Investoren unwiederbringlich nach Großbritannien abwandern.*) Matthias Hoppe ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Sozietät Wilmer Hale in Berlin.