Asset Management - Gastbeitrag

In der betrieblichen Altersvorsorge zählt der Blick nach vorn

Börsen-Zeitung, 22.2.2011 Über 170 Jahre ist es her, dass Alfred Krupp die erste betriebliche Pensionskasse in Deutschland gründete. Es gibt eine Reihe weiterer betrieblicher Vorsorgeeinrichtungen, etwa in der chemischen Industrie, die auf eine...

In der betrieblichen Altersvorsorge zählt der Blick nach vorn

Über 170 Jahre ist es her, dass Alfred Krupp die erste betriebliche Pensionskasse in Deutschland gründete. Es gibt eine Reihe weiterer betrieblicher Vorsorgeeinrichtungen, etwa in der chemischen Industrie, die auf eine ähnlich lange Tradition zurückblicken und erfolgreich für Unternehmen und ihre Mitarbeiter tätig sind.Alle aus Direktzusagen resultierenden Pensionsansprüche machen mehr als 250 Mrd. Euro aus. Der Wert aller Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland beträgt rund 450 Mrd. Euro.Trotz der absoluten Größe beziehen Rentnerhaushalte in Deutschland im Durchschnitt lediglich 4 % ihrer Einkünfte aus der bAV – ein ernüchternder Befund, auch wenn die Renteneinkünfte aus betrieblichen Direktzusagen für einzelne Angestellte, Geschäftsführer und Vorstände große Bedeutung haben.Im internationalen Vergleich bestätigt sich diese Einschätzung: In Dänemark kommen 17 %, in den Niederlanden sogar 29 % der Alterseinkünfte aus der bAV. In Amerika sind es 13 % allein aus der “klassischen” bAV, ohne “401k-Pläne”, in denen zusätzliche Pensionsvermögen im Wert von rund 2,8 Bill. Dollar angespart wurden. Während in Deutschland sämtliche Ansprüche aus der bAV gerade einmal 15 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts ausmachen, beläuft sich allein der Wert der betrieblichen 401k-Pläne auf rund 20 % des US-Bruttoinlandsprodukts.Eine Untersuchung von Fidelity aus dem Jahr 2007 ergab, dass die staatliche Rente nur 46 % des Einkommensniveaus vor der Pensionierung ausmacht. Vor diesem Hintergrund ist die geringe Bedeutung der deutschen bAV alarmierend. Auch politische Maßnahmen wie der Demografiefaktor und die Erhöhung des Rentenalters werden im Ergebnis zu einem weiteren Rückgang des Rentenniveaus führen. Erhebliche AnstrengungenEine spürbare Reduzierung der Rentenlücke erfordert erhebliche Anstrengungen in der Privatvorsorge und der bAV. Dabei kommt der bAV ein besonderes Gewicht zu, weil sie wegen der Einkaufsmacht und des Finanz-Know-how der Unternehmen, der steuerlichen Rahmenbedingungen und des “Zwangs” zu einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategie ohne zu viel “Hin und Her” die effizienteste Form des Vorsorgesparens ist.Jetzt zählt der Blick nach vorn: Es muss darum gehen, von den Vorzügen der bAV richtig zu profitieren. Allerdings ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Unternehmen ihre Ausgaben für die bAV auf absehbare Zeit spürbar erhöhen werden. Eine Steigerung der Bedeutung der bAV kann also nur durch eine deutliche Erhöhung der Entgeltumwandlung erreicht werden. Die seit rund zehn Jahren bestehende Pflicht der Arbeitgeber, auf Verlangen der Arbeitnehmer eine bAV einzuführen, hat daran wenig geändert. Paradigmenwechsel nötigDamit die Entgeltumwandlung zu einem spürbaren Wachstum der bAV führen kann, ist ein Paradigmenwechsel erforderlich, zu dem Arbeitgeber, Sozialpartner und Anbieter von Pensionslösungen gemeinsam beitragen müssen. Im Wesentlichen geht es um die folgenden Punkte:- Zunächst muss allen Beteiligten bewusst sein, dass für eine erfolgreiche Implementierung der Entgeltumwandlung andere Maßnahmen notwendig sind als bei der arbeitgeberfinanzierten bAV. Bei Letzterer sind die Mitarbeiter mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages automatisch dabei.- Bei der Entgeltumwandlung hingegen müssen die Mitarbeiter aktiv werden und “gefühlt” erst einmal auf Konsum verzichten.- Ein solcher Konsumverzicht macht aus Arbeitnehmersicht – und auch gesamtwirtschaftlich – nur dann Sinn, wenn die zurückgelegten Mittel in Anlagekonzepte investiert werden, die nach allen Kosten eine gute Rendite erwarten lassen. Es reicht nicht aus, dass der Arbeitgeber aufgrund der Werterhaltung ein Anlagekonzept wählt, das primär den eigenen Sicherheitsinteressen entspricht.- Solche Konzepte müssen den Mitarbeitern auch zielführend kommuniziert werden. In der arbeitgeberfinanzierten bAV führt mangelhafte Kommunikation “nur” zu einer fehlenden Wertschätzung dieser Arbeitgeberleistung durch die Mitarbeiter. Bei der Entgeltumwandlung führt eine unzureichende Mitarbeiterkommunikation dazu, dass sie von der Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Diese Punkte müssen sich in modernen betrieblichen Vorsorgekonzepten bei der Entgeltumwandlung niederschlagen.Zukunftsweisende Konzepte sollten daher drei Rahmenbedingungen erfüllen:- Individuelle Lösungen: Häufig sind heute noch kollektiv finanzierte Modelle im Einsatz. In einer alternden Belegschaft gehen solche Modelle zulasten der jüngeren Mitarbeiter. Mit sinkender Duration sämtlicher Pensionsansprüche wird die kollektive Anlagepolitik immer stärker sicherheits- und immer weniger renditeorientiert ausgerichtet. Einen guten Ausweg bieten beitragsorientierte, individuelle und fondsgebundene Pensionskonten. Hier kann zum Beispiel mit Lebenszyklusfonds das Risiko-Rendite-Profil dem Anlagehorizont der einzelnen Mitarbeiter angepasst werden, vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass jüngere Mitarbeiter mehr Aktien halten als ältere.- Flexible Lösungen: Dies betrifft die Dotierung sowie die Kapitalanlage. Die Dotierung muss flexibel sein, was Höhe, Zeitpunkt und Dauer der Entgeltumwandlung betrifft. Bei der Kapitalanlage müssen Modelle mit und ohne Werterhaltgarantie vorhanden sein, und die Anlagevehikel müssen im Zeitablauf flexibel veränderbar sein und die Einbeziehung mehrerer Anbieter vorsehen (offene Architektur).- Automatische Umwandlung: Eine hohe Teilnahmequote sollte über einen Automatismus mit Ausstiegsklausel gesichert werden. Zum Beispiel eine automatische monatliche Umwandlung von 3 % des Bruttogehalts, solange der Mitarbeiter nicht widerspricht. Zusätzliche Anreize bietet ein Arbeitgeber-Matching des Umwandlungsbetrags, wenn dieser – um im Beispiel zu bleiben – etwa 3 % des Bruttogehalts übersteigt. Die steuerliche und beitragsrechtliche Förderung der bAV durch den Gesetzgeber könnte auf betriebliche Vorsorgepläne zugeschnitten werden, die solche Komponenten enthalten.Die Entgeltumwandlung bietet auch den Mitarbeitern, die vor Ablauf von fünf Jahren den Arbeitgeber wechseln oder gekündigt werden, eine Chance zum Aufbau von Vorsorgekapital. Wegen der üblichen fünfjährigen Wartezeit bis zur Unverfallbarkeit erwerben sie keine Pensionsansprüche. Arbeitgeber haben kein Interesse, solche Ansprüche langfristig zu administrieren, wenn der Mitarbeiter nur relativ kurz im Unternehmen war. Einfache AusgestaltungEine einfache Ausgestaltung der Entgeltumwandlung, etwa als Beitragszusage mit Mindestleistung, die im Regelfall auf Auszahlung des angesparten Kapitals bei Rentenbeginn gerichtet ist, erlaubt es dem Arbeitgeber, eine solche Zusage mit sehr geringem Aufwand zu administrieren. Aus Mitarbeitersicht hat eine solche Planstruktur zudem den Vorzug der Nachvollziehbarkeit und Transparenz.