Immobilien - Gastbeitrag

Inflation bedroht Aufschwung in Osteuropa

Börsen-Zeitung, 4.9.2008 Immer mehr ausländisches Kapital fließt in die osteuropäischen Immobilienmärkte. 2007 erreichten die Investitionen mit rund 14 Mrd. Euro einen neuen Rekord. Auf der Suche nach höheren Renditen zieht es Investoren in jüngster...

Inflation bedroht Aufschwung in Osteuropa

Immer mehr ausländisches Kapital fließt in die osteuropäischen Immobilienmärkte. 2007 erreichten die Investitionen mit rund 14 Mrd. Euro einen neuen Rekord. Auf der Suche nach höheren Renditen zieht es Investoren in jüngster Zeit bis auf den Balkan oder in die Ukraine. Trotz vieler Chancen sind Investitionen in Osteuropa noch immer riskanter als auf etablierten Märkten.Die Wertentwicklung von Immobilieninvestments in Osteuropa ist bislang in den meisten Fällen ausgesprochen positiv – obwohl sowohl Renditen als auch Mieten bereits seit Anfang der neunziger Jahre stetig gefallen sind. Allerdings fielen an den meisten Standorten die Renditen schneller als die Mieten, so dass sich insgesamt die Total Values erhöht haben. Zum Teil Westniveau erreichtIn Städten wie Budapest, Prag oder Warschau erreichen die Renditen nun zum Teil westeuropäisches Niveau, in Bratislava werden sie voraussichtlich in diesem Jahr erstmals unter 6 % fallen. In naher Zukunft werden die Mietmärkte in diesen Ländern sukzessiv ihren Boden erreichen und anschließend in eine zyklische Bewegung umschwenken, wie sie von reifen Märkten bekannt ist. Langfristig sind die osteuropäischen Immobilienmärkte sehr interessante Investitionsstandorte. In vielen Ländern fehlen noch immer moderne Flächen in verschiedenen Segmenten – ein Mangel, der kurzfristig nicht aufgeholt werden kann. Auf den Büromärkten sinken die Leerstände, obwohl der Bürobestand weiter wächst. Die spannende Frage ist, wie lange die Nachfrage noch die Neuproduktion übersteigen wird. In einigen Marktsegmenten – beispielsweise bei Einkaufszentren – zeigen sich bereits erste Anzeichen einer Überhitzung. In der aktuellen Marktsituation sind Verkäufe wahrscheinlich schon überfällig, um bisherige Wertsteigerungen zu realisieren. Auf den Büromärkten wird sich die derzeitige Mieterstruktur verändern, wenn das langfristig nachhaltige Mietniveau erreicht ist. Vielerorts werden heute noch bis zu 80 % der Flächen von internationalen Unternehmen angemietet, der übrige Büroraum wird von lokalen Firmen genutzt. Künftig wird sich dieses Verhältnis umkehren, was für Investoren wie Eigentümer gleichermaßen Konsequenzen haben wird. Bereits heute müssen Käufer von Immobilien bei Preisverhandlungen das künftige nachhaltige Mietniveau berücksichtigen und ein lokales Asset-Management auf den jeweiligen Märkten etablieren.In Osteuropa befinden sich nicht nur die Immobilienmärkte im Wandel. Im Umbruch sind nach wie vor die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen in diesen Ländern. Die mit dem wirtschaftlichen Aufholprozess verbundenen Chancen sind nicht von der Hand zu weisen. Dennoch muss man sich auch die Risiken dieser Märkte bewusst machen. Unklar ist vor allem, wie sich die jungen Volkswirtschaften im Falle einer wirtschaftlichen Krise entwickeln werden.Die größte Gefahr geht derzeit wohl von der Inflation aus. Berechnungen des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche zufolge liegt die Inflation in nahezu allen Ländern Osteuropas deutlich über dem EU-Durchschnitt. Am höchsten sind die Preissteigerungen in Lettland mit 9 % und Bulgarien mit 10 %. Außerhalb der EU ist die Ukraine mit einer Inflation von 14,5 % am stärksten betroffen. Sollten die Preissteigerungen auf diesem Niveau bleiben, muss mit negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaften gerechnet werden. Auch der Zufluss ausländischen Kapitals dürfte sich unter solchen Bedingungen abschwächen. Lockere FundamenteEin weiterer potenzieller Unsicherheitsfaktor sind die politischen und gesellschaftlichen Fundamente der ehemaligen Ostblockstaaten, die noch nicht so gefestigt wie in West- Europa sind. In diesen Ländern sind die meisten Menschen noch immer nicht in der Marktwirtschaft angekommen. Eine zahlenmäßig kleine Elite hat dagegen zum Teil überzogene Erwartungen an den Kapitalismus. Dass wegen der daraus resultierenden Spannungen die Entwicklung der Staaten leiden kann, zeigen jüngste Beispiele aus Rumänien und Ungarn, wo notwendige wirtschaftliche Reformen durch politische Grabenkämpfe blockiert oder von der Bevölkerung abgelehnt werden.