Innovative Ideen, Kompetenz und Dialog gefragt
Seite 65 Jahren gibt es in Deutschland und seit 37 Jahren auf europäischer Ebene einen investmentrechtlichen Rahmen für die kollektive Vermögensanlage. Mit dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und der europäischen Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) wurden die regulatorischen Fundamente gelegt, die noch heute, allerdings in deutlich veränderter und erweiterter Form, maßgeblich die Aktivitäten der Investmentfondsbranche prägen.
Die Gründung des BAI im Jahre 1997 fiel in eine Zeit, in der Gesetze noch mit wohlklingenden Namen wie zum Beispiel Finanzmarktförderungsgesetz auf den Weg gebracht wurden, gefolgt von Investmentmodernisierungs- beziehungsweise Änderungsgesetzen, die dem dynamischen Wandel in der Finanzbranche im Allgemeinen und natürlich in der Fondsbranche im Besonderen, vor allem durch den Einsatz moderner Anlagestrategien und -techniken mit einem sich verändernden globalen Anlageuniversum, Rechnung tragen sollten.
Die Zeit war reif
Nachdem lange ausschließlich Aktien, Renten und Immobilien – typischerweise im Rahmen einer Buy-and-Hold-Strategie – die Zusammensetzung privater und institutioneller Portfolien prägten, war die Zeit reif: nicht nur für alternative Anlageklassen und -konzepte, sondern auch für einen Verband, der die Neuausrichtung der Portfolien begleitet und wichtige Impulse setzt.
Zu erwähnen ist hier beispielhaft die Einführung von Hedgefonds in Deutschland mit dem Investmentmodernisierungsgesetz im Jahr 2003, gefolgt von unterschiedlichen Initiativen in den Bereichen Beteiligungs- und Wagniskapital auf nationaler wie auf europäischer Ebene, aber natürlich auch flankierende investmentsteuerrechtliche und investorenaufsichtsrechtliche Gesetzgebung (insbesondere Solvency, Capital Requirements Regulation – CRR, Anlageverordnung – AnlV), die für den BAI immer schon von zentraler Bedeutung waren und unseren ganzheitlichen Ansatz und institutionellen Fokus widerspiegeln.
Zu den größten Herausforderungen zählte dann im Zuge der Finanzkrise in den Jahren 2006 bis 2011 eine legislative Mammutaufgabe, nämlich die Verabschiedung der europäischen Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) im Jahr 2011, die eine echte Zeitenwende nicht nur für die Branche, sondern auch für einschlägige institutionelle Investoren einläutete. Gerade da dieses Gesetzgebungsvorhaben nicht wirklich in die Kategorie Finanzmarktförderungsgesetz fiel, war die assetklassenübergreifende Erfahrung und regulatorische Expertise des BAI von elementarer Bedeutung, ein solch holistisches Regulierungskonzept nicht nur zu begleiten und Auswüchse zu mitigieren, sondern um Weichen zu stellen für den weiteren notwendigen Ausbau des institutionellen Portfolios mit Alternative Investments.
Schon das Projekt Kapitalmarktunion zeigte kurze Zeit später, dass die weitere Integration der Finanz- und Kapitalmärkte auf der einen Seite, der effiziente Zugang zu alternativen Assetklassen für institutionelle Investoren wie Versicherungen im Rahmen des Solvency-II-Regelwerks (Stichwort Qualifizierte Infrastruktur und Long Term Equities) auf der anderen Seite, von essenzieller Bedeutung und prohibitive Ansätze in der Regulierung in der Regel kontraproduktiv sind.
Gleiches gilt für inkonsistente Steuergesetzgebung, die in Deutschland leider fast schon Tradition hat und die in den vergangenen 15 Jahren zu diversen grundlegenden, manchmal auch widersprüchlichen Änderungen des Investmentsteuerrechts, aber auch des Umsatzsteuerrechts (Stichwort „unterschiedliche Behandlung der Management Fee“) führte. Auch hier waren es dann Verdienste des BAI, die im Rahmen des Investmentsteuerreformgesetzes zu einer weitgehend diskriminierungsfreien Besteuerung von Alternative Investmentfonds (AIFs) und deren Anlegern führten, auch wenn der zu eng gefasste numerus clausus der zulässigen Vermögensgegenstände für Spezial-Investmentfonds weiterhin ein Hemmschuh und Standortnachteil ist.
Neue Dimensionen
Ganz neue Dimensionen wurden dann von der EU-Kommission mit der Sustainable Finance Initiative auf der einen Seite und dem Digital Finance Package auf der anderen Seite geöffnet, auch wenn der BAI beide Themen schon deutlich vorher, nämlich erstmals im Jahr 2016, prominent und dezidiert besetzte und Mitglieder, Branche und Investoren an diese Themen heranführte. Zeitgleich war es wiederum der BAI, der das Thema Private Debt in Deutschland, sowohl regulatorisch, aber auch bei Branche und Investoren etablierte und damit neben Infrastruktur und Private Equity den weiteren Siegeszug von Private-Markets-Strategien forcierte, die heute aus keinem institutionellen Portfolio mehr wegzudenken sind.
Dass quasi zum 25-jährigen Bestehen des BAI dann in Deutschland ein Gesetz in Kraft trat, welches mit dem Namen Fondsstandortgesetz fast an die wohlklingenden Titel aus unserer Gründerzeit anknüpfte, könnte man fast als schicksalhafte Fügung bezeichnen. Allerdings blieben unsere Erwartungen bekanntlich deutlich hinter dem euphemistischen Namen des Gesetzes zurück.
Viel wichtiger ist für die Branche zudem das aktuelle Reformpaket auf europäischer Ebene aus AIFMD- und ELTIF-Review (European Long-term Investment Fund – kurz ELTIF). Beide Gesetzesvorhaben werden die europäische Fondsbranche deutlich stärker prägen als ein deutsches viel zu zaghaftes Reparaturgesetz. Die bereits angesprochene Kapitalmarktunion zählt zu den Leuchtturmprojekten auf EU-Ebene und bezweckt unter anderem die Vertiefung und Integration der europäischen Finanz- und Kapitalmärkte und damit verknüpft die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche.
Prominente Bestandteile der CMU 2.0 (Capital Markets Union) sind neben der Überarbeitung von AIFMD-Richtlinie und ELTIF-Verordnung vor allem der Solvency- und CRR-Review. Den Adressaten all dieser Regelungskomplexe kommt wiederum im Kontext der Sustainable Finance Initiative die Rolle der maßgeblichen Finanzierer der nachhaltigen Transformation zu, eine Herausforderung, der sich diese stellen, die aber mit enormen Kraftanstrengungen und Implementierungsaufwand verbunden ist. Gerade der Alternative-Investments-Branche mit ihren Private-Markets-Strategien kommt hier eine führende Rolle zu, und die Dynamik in diesem Sektor ist ungebrochen, auch wenn die Regelungsflut und -intensität in manchen Bereichen ein Übermaß erreicht hat.
Gerade mit Blick auf Rolle und Verantwortung der Alternative-Investments-Branche verwundert es, dass vom deutschen Gesetzgeber diesbezüglich über Jahre hinweg schlicht und ergreifend zu wenig getan wurde. In der Konsequenz hat sich Deutschland zunächst im Publikumsfondsbereich, dann aber auch im immer wichtiger werdenden Alternative-Investments-Segment, vor allem als Absatzmarkt und weniger als Produktionsstandort entwickelt.
Daran ändert auch das Fondsstandortgesetz nichts, symptomatisch dafür ist der halbherzige und EU-rechtlich problematische Versuch, eigenwillig definierte Wagniskapitalfonds von der Umsatzsteuer auf die Management Fee auszunehmen, während – auch volkswirtschaftlich – mindestens genauso wichtige Fonds, die den Green Deal, kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) oder elementare Infrastrukturprojekte finanzieren, nicht ausgenommen werden.
Dass es auch anders geht, zeigt sich im Bereich Kryptoregulierung. Hier wird Deutschland von vielen Stakeholdern echte Fortschrittlichkeit bescheinigt, und das will etwas heißen. Die Praxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von Kryptowerten, die Vorstöße der Bundesregierung beim Kryptoverwahrgeschäft, aber auch bei der Einführung von Kryptowertpapieren und der Kryptoquote für Spezial-AIF sind wichtige Impulse für Branche und Standort, und so konnte Deutschland auch eine maßgebliche Rolle bei der Verabschiedung der verschiedenen Rechtsakte des Digital Finance Packages übernehmen.
Eines wird somit deutlich: Wenn alle Beteiligten wollen, kann also auch Regulierung Fortschritt ermöglichen, das nennt man dann neudeutsch enabling regulation. Und genau mit diesem Anspruch sollte nun zum Beispiel der AIFMD-Review und der ELTIF-Review angegangen werden, aber auch die weiteren Arbeiten an den Fundamenten der Sustainable Finance Initiative, insbesondere also Taxonomie und Offenlegungsverordnung.
Die Bundesregierung sollte sich zudem überlegen, wie sie darüber hinaus Assetmanagement made in Germany stärken kann. Vorschläge dafür, angefangen von der Fondsregulierung über das (Investment-) Steuerrecht bis hin zum Aufsichtsrecht der Investoren, liegen dem Bundesfinanzministerium aus der Vergangenheit zur Genüge vor. Und hiermit wären wir beim wohlklingenden Titel des aktuellen Koalitionsvertrages, der da lautet: „Mehr Fortschritt wagen“!
Der BAI, wie auch seine mittlerweile rund 260 Mitgliedsunternehmen, haben sich schon immer durch innovative Ideen, Asset- und Regulierungskompetenz und die Bereitschaft zum konstruktiven Dialog ausgewiesen, und bieten Branche, Investoren sowie Politik und Aufsicht wichtige Plattformen für diesen Austausch. Diese Merkmale oder neudeutsch USPs (Unique Selling Propositions) sind heute mehr denn je gefragt. Wir freuen uns auf die nächsten 25 Jahre im Dienste der Alternative-Investments-Branche und deren Investoren in Deutschland und Europa!