RECHT UND KAPITALMARKT

Interne Ermittlungen nach Gesetz zum Unternehmensstrafrecht

In Deutschland ist grundsätzlich mit Beschlagnahme der Ergebnisse zu rechnen

Interne Ermittlungen nach Gesetz zum Unternehmensstrafrecht

Von Dr. Dirk Seiler und Enno Appel *)Die neue Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat kürzlich den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgestellt, der zusätzliche Haftungsrisiken beinhaltet. So drohen Unternehmen künftig höhere Strafen, in Extremfällen sogar die Auflösung des Unternehmens und die Veröffentlichung von Verurteilungen. Gleichzeitig sollen unternehmensinterne Ermittlungen (Internal Investigations) erstmals gesetzlich geregelt und – neben Compliance-Maßnahmen – strafmildernd berücksichtigt werden.Als Voraussetzungen für eine Sanktionsmilderung sieht der Entwurf vor, dass das Unternehmen wesentlich zur Aufklärung der Straftat beiträgt, umfassend mit Verfolgungsbehörden zusammenarbeitet und diesen alle wesentlichen Ergebnisse der internen Ermittlungen zur Verfügung stellt. Auch müssen die internen Ermittlungen unter Beachtung eines fairen Verfahrens und in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt werden. Damit schafft der Gesetzesentwurf erhebliche Anreize für Unternehmen, Compliance-Verstöße durch interne Ermittlungen aufzuarbeiten. Gleichzeitig stellt das geplante Gesetz Unternehmen vor neue Herausforderungen.So stellt sich die Frage, was gilt, wenn Unternehmen sich gegen eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden entscheiden. Die Ergebnisse von internen Ermittlungen sollen nämlich von Staatsanwaltschaften beschlagnahmt werden können, es sei denn, sie erfolgen im Rahmen einer Strafverteidigung. Nur dann sollen die internen Ergebnisse vor Beschlagnahme geschützt und dem Zugriff des Staates entzogen sein.Wenn der Gesetzesentwurf unverändert verabschiedet wird, setzen sich Unternehmen der Gefahr aus, sich (indirekt) selbst zu belasten. Die Folge wäre fehlender Schutz in den Fällen, die nicht von der Strafverteidigung umfasst sind. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein bei frühzeitigen internen Ermittlungen, in denen (noch) kein Strafverfahren droht. Die Folge wären erhebliche Abgrenzungsprobleme, da sich häufig nicht eindeutig feststellen lässt, ob die internen Ermittlungen im Rahmen der Strafverteidigung vorgenommen werden oder nicht. Die Übergänge sind fließend. Strengere StandardsMit der angestrebten Regelung bliebe Deutschland hinter internationalen Standards zurück. Anders als etwa in den USA und Großbritannien, wo Ergebnisse interne Ermittlungen unter das sogenannte “Legal Privilege” fallen und so dem staatlichen Zugriff entzogen sind, müssten Unternehmen in Deutschland grundsätzlich damit rechnen, dass die Ermittlungsergebnisse beschlagnahmt werden können. Dies gilt dann für deutsche und ausländische Unternehmen, wenn sich die Ergebnisse in Deutschland befinden.International tätige Unternehmen könnten sich hierauf einstellen und Cross-Border-Investigations in Zukunft so strukturieren, dass der deutsche Staat keinen Zugriff bekommt. So werden sich international tätige Unternehmen zum Beispiel überlegen, ob (Teil-)Ergebnisse von Ermittlungen aus anderen Ländern in Deutschland dokumentiert werden sollten. Entscheiden sie sich dagegen, gelangen die Ergebnisse niemals nach Deutschland, die deutschen Staatsanwaltschaften hätten keine direkte Zugriffsmöglichkeit und würden faktisch leer ausgehen.Aber auch bei Ermittlungen, die in Deutschland stattfinden, dürften die Staatsanwaltschaften häufig keine Informationen erhalten, wenn das Unternehmen diese nicht freiwillig herausgibt. International tätige Unternehmen haben häufig zentrale Einheiten, die Internal Investigations weltweit leiten und koordinieren. Sind diese Einheiten nicht in Deutschland angesiedelt, werden auch die Ergebnisse von deutschen internen Ermittlungen häufig nicht im Zugriffsbereich deutscher Behörden verbleiben. Dies dürfte auch in Zukunft so sein, denn Anreize, die Einheiten für Internal Investigations nach Deutschland zu verlegen, beinhaltet der Gesetzentwurf nicht.Der fehlende Schutz der Ermittlungsergebnisse hätte aber auch Einfluss auf die internen Ermittlungen selbst. Insbesondere bei Cross-Border-Investigations könnte die Kooperationsbereitschaft von Mitarbeitern ausländischer Unternehmensteile oder ausländischen Konzernmüttern sinken, wenn sie davon ausgehen, dass ihre Aussagen beschlagnahmt werden können. Es bleibt daher zu hoffen, dass die vom Gesetzgeber intendierte Förderung der Aufklärung von Compliance-Fällen durch interne Ermittlungen nicht in der Praxis konterkariert wird.Im Ergebnis macht das geplante Gesetz interne Ermittlungen unverzichtbar, wenn Unternehmen in den Genuss einer Strafmilderung kommen wollen. Gleichzeitig werden die Untersuchungen aber noch komplexer, da die Ergebnisse nicht immer vor dem Zugriff der Ermittlungsbehörden geschützt sind. Unternehmen müssen daher interne Ermittlungen noch sorgfältiger planen und entsprechende Risiken gegeneinander abwägen. Rein deutsche Unternehmen, die sich nicht so flexibel aufstellen können, werden benachteiligt. Sie müssten erheblichen Aufwand betreiben, wenn sie Compliance-Fälle aufarbeiten wollen, ohne sich der Gefahr der Beschlagnahme auszusetzen. *) Dr. Dirk Seiler ist Partner, Enno Appel, Senior Associate bei Herbert Smith Freehills.