Immobilien

Italien setzt zur sanften Landung an

Nach rund zehn Jahren des Booms am Immobilienmarkt wird lediglich eine sinkende Nachfrage erwartet

Italien setzt zur sanften Landung an

Von Giovanni Binetti, Mailand Der italienische Immobilienmarkt steht am Scheideweg. Während die Preise noch steigen, mehren sich die Hinweise auf eine sinkende Nachfrage. Mit einer platzenden Immobilienblase rechnet allerdings auch nach einem Jahrzehnt des Booms kaum jemand. Von “Soft Landing”, einer sanften Landung, ist die Rede.Bei den Preisen schien sich der Aufwärtstrend des vergangenen Jahrzehnts zuletzt fortzusetzen. Allerdings bremst sich der Preisanstieg ab, und in den Städten geht erstmals seit Langem die Nachfrage zurück. Nach Daten der Forschungsgesellschaft Nomisma kletterte der durchschnittliche Preis für Wohnimmobilien im ersten Halbjahr 2007 um 5,6 %. Im Jahr 2004 war hier noch eine Steigerung um fast 11 % ermittelt worden.Der italienische Verband der Immobilienmakler Fiaip ermittelte für die 20 größten Städte erstmals seit fast zehn Jahren einen Rückgang der Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2007. Im ersten Halbjahr war der Markt noch um 1,7 % gewachsen. Bereits seit dem Frühjahr 2006 signalisieren Makler längere Verhandlungsphasen bis zum Abschluss von Immobiliengeschäften. Mittlerweile belaufe sich diese Phase auf durchschnittlich fast sechs Monate. Meist werde rund 10 % unter dem vom Verkäufer geforderten Preis abgeschlossen. Während die Zahl der zum Verkauf gestellten Immobilien um 4,7 % zugenommen hat, sank jene der tatsächlichen Transaktionen um 8,4 %.Nach Einschätzung der Forscher von Nomisma spiegelt sich in diesen Entwicklungen eine allgemein pessimistischere Konjunkturerwartung. Der Fiaip macht derweil ein weiteres Signal für eine Trendwende am italienischen Immobilienmarkt aus: die Tendenz der Käufer zu kleineren Immobilien. Rund 42 % der Nachfragen ziele auf Wohnungen unter 60 Quadratmetern ab, lediglich 19 % auf Wohnungen, die größer als 120 Quadratmeter seien. Die Käufer sind in den allermeisten Fällen Italiener, nur bei 10 % handelt es sich um EU-Ausländer. Lediglich bei 6,4 % der Transaktionen sei ein Nicht-Europäer der Käufer. Keine PreisblaseAn das Platzen einer Immobilienblase wie in anderen Ländern glaubt in Italien aber kaum jemand, auch wenn die Immobilienpreise seit dem Jahr 2000 um 77 % gestiegen seien, für Neubauten sogar um 96 %. Für eine Verlangsamung des Marktes sorgt der allgemeine Anstieg der Zinsen. Lange Zeit waren die Raten für einen Kredit in etwa so hoch wie die Miete. Mittlerweile liegen diese aber um 15 % bis 20 % über jenem Niveau. Im ersten Halbjahr 2007 seien gut drei Viertel der Immobilienpreise über Kredite finanziert worden. Der Durchschnittskredit hat eine Laufzeit von 23 Jahren und wird fest verzinst. Nachdem die EZB die Leitzinsen erhöht hat, will sich kaum mehr ein Käufer auf variabel verzinste Kredite einlassen.Laut Nomisma verhindert die Weigerung der Angebotsseite, auf erwartete Renditen zu verzichten, dass die Preise tatsächlich einbrechen werden. Zudem sei der Markt für prestigeträchtige Immobilien in Stadtzentren nach wie vor äußerst liquide. Die demografischen Trends zu mehr Single-Haushalten und getrennten Familien dürften auch in Zukunft für eine ausreichende Nachfrage sorgen. Zu erwarten ist dem Institut zufolge daher, dass der italienische Immobilienmarkt erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Expansionspfad verlässt, dabei aber keineswegs einbricht. Die sanfte Landung sei bereits im Gange. Auch im neuen Jahr rechnet Nomisma trotz sinkender Nachfrage mit einem Anstieg der Preise. Das gilt auch für Gewerbeimmobilien. Die Preise für Büros und Verkaufsläden zogen nach Fiaip-Daten zuletzt um 6,1 % an und wuchsen damit sogar stärker als in den vergangenen Jahren. 2006 waren landesweit erstmals seit drei Jahren weniger Gewerbeimmobilien verkauft worden. Dass der Gesamtmarkt dennoch expandierte, war auf die Nachfrage nach Wohnimmobilien zurückzuführen. Regionale UnterschiedeInsgesamt variiert der italienische Markt stark. Während die Nachfrage in der Finanzmetropole Mailand weiterhin kräftig anzieht, legt sie in Turin langsamer zu. In Bologna stagniert sie, während sie etwa in der Hauptstadt Rom rückläufig ist. Die meisten Transaktionen von Wohnimmobilien finden einem Bericht der staatlichen Agenzia del Territorio zufolge in Norditalien statt, vornehmlich abseits der großen Städte. Bei Büros macht Norditalien zwar ebenfalls den Löwenanteil des Marktes aus, Anstiege bei Nachfrage und Preisen waren zuletzt aber nur in Mittel- und in Süditalien zu verzeichnen.Deutlich rückläufig war indes in den vergangenen Jahren die landesweite Nachfrage nach Verkaufsflächen etwa für Supermärkte und Einkaufszentren. Stetig stieg hingegen die Nachfrage nach Industrieimmobilien, wobei der Süden und auch die Mitte des Landes nach wie vor einen verschwindend geringen Anteil am Gesamtmarkt ausmachen.