INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: THOMAS RICHTER, BVI

"Kein Allheilmittel"

BVI begrüßt gesetzliche Definition der Honorarberatung - Transparenz bei allen Produkten gefordert

"Kein Allheilmittel"

Im April ist das “Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente” vom Bundestag verabschiedet worden. Im Interview der Börsen-Zeitung begrüßt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbandes BVI, dass der Gesetzgeber alternativ zur Provisionsberatung die Honorarberatung gesetzlich klar definiert hat. Das neue Gesetz steigere die Transparenz bei den Vertriebsformen.- Herr Richter, ist das Ende April vom Bundestag verabschiedete “Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente” der Schritt in die richtige Richtung?Ja. Es ist gut, dass der Gesetzgeber alternativ zur Provisionsberatung die Honorarberatung gesetzlich klar definiert hat. Der BVI unterstützt ein gleichberechtigtes Nebeneinander und einen fairen Wettbewerb beider Vertriebsformen. Vor der Beratung kann nun jeder Kunde erkennen, welche Art von Berater er vor sich hat. Das Gesetz knüpft an die auf europäischer Ebene laufende Mifid-Reform an, indem es das Nebeneinander beider Vertriebskonzepte bestätigt, für Honorarberater die Entgegennahme von Provisionen verbietet und eine gewisse Angebotsbreite fordert. Es formuliert jedoch eine strikte Trennung von Honorarberatern und Provisionsberatern. Ein Berater muss sich also entscheiden, ob er ausschließlich als Honorarberater oder als Provisionsberater agieren will.- Welche Folgen hat diese strikte Trennung zwischen Provisions- und Honorarberatung?Für freie Vermittler besteht eine erhebliche Unsicherheit, ob sie ein ausreichendes Einkommen erzielen können, wenn sie allein Honorarberatung anbieten. Und kleinere Institute, die nicht strikt zwischen Honorar- und Provisionsberatung trennen können, werden keine Honorarberatung anbieten. Auch aus Kundensicht ist die strikte Trennung praxisfern. Der Kunde kann zwar wählen, wie er die Leistung seines Beraters vergüten möchte. Aber er darf selbst auf eigenen Wunsch hin mit einem Honorarberater keine Provisionsberatung vereinbaren. Wünscht der Kunde zu einem Produkt eine Honorarberatung und zu einem anderen Produkt eine Provisionsberatung, kann er sich nicht allein an einen Honorarberater wenden. Es ist zweifelhaft, ob die Anleger eine solche strikte Aufteilung gut finden, da sie gegebenenfalls auf den Berater ihres Vertrauens verzichten müssen.- . . . und für die Fondsanbieter?Die werden voraussichtlich mehr Fonds mit Anteilscheinklassen anbieten – eine Klasse mit und eine ohne Provisionen.- Wird das Honoraranlageberatungsgesetz sein Ziel erreichen, die Vergütung der Anlageberatung transparenter machen?Es trägt auf jeden Fall zur Transparenz bei, denn es stellt klar, dass sich die Vergütung des Beraters auf sein Honorar beschränkt.- Was spricht gegen die Honorarberatung?Als eine Alternative zur provisionsbasierten Beratung ist die Honorarberatung zu begrüßen. Ein Allheilmittel ist sie aber nicht. Auch bei Honorarberatern sind Fehlanreize möglich. Zudem muss der Anleger zahlen, wenn er mehrere Beratungen benötigt und kein Produkt kauft. Das sieht bei der Provisionsberatung anders aus. Zunächst kann der Verbraucher sich kostenfrei beraten lassen. Erst wenn er das Produkt gekauft hat, fließen Provisionen aus dem Produkt an den Berater. Deren Höhe richtet sich nach dem Wert der Anlage. Wer viel anlegt, zahlt viel Provision, wer wenig anlegt, zahlt wenig Provision. Diese soziale Komponente fehlt der Honorarberatung. Für Kleinanleger wird eine Honorarberatung deshalb oft zu teuer sein.- Aber England hat das Verbot der Provisionsberatung durchgesetzt. Sind die Kollegen auf dem Holzweg?Dieser Feldversuch zeigt unerwünschte Folgen. Seit Jahresanfang sind dort Provisionszahlungen aus Anlageprodukten wie Investmentfonds, Zertifikaten oder Lebensversicherungen nicht mehr zulässig. Viele Advisors haben sich aus der Beratung von Kleinanlegern zurückgezogen, weil der Aufwand zu groß und der Ertrag zu niedrig ist. Kleinanleger hingegen können oder wollen sich die kostenpflichtige Beratung nicht leisten. Entsprechend ist die aktive Ansprache großer Teile der Bevölkerung durch den Vertrieb entfallen. Das ist problematisch. In Deutschland zum Beispiel ist es ein politisches Ziel, dass die Bevölkerung auch privat für das Alter vorsorgt. Dazu gehört auch, dass Finanzvertriebe alle Bevölkerungsschichten ansprechen.- Wie groß ist das Risiko, dass die Regierung die Provisionen gänzlich abschafft?Das kommt auf die Regierung an. Die Abschaffung der Provisionen wäre jedenfalls nicht sinnvoll. Dafür sind die praktischen Erfahrungen in England zu wenig überzeugend. Insbesondere ist die Beratung für die Kunden nicht billiger geworden, die Kosten werden nur anders strukturiert. Immerhin muss man dem englischen Modell zugute halten, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Auch strukturierte Produkte und Kapitallebensversicherungen sind neben Fonds erfasst.- Wie schätzen Sie die Zahlungsbereitschaft der Kunden ein?Viele Sparer sind nicht bereit, ein Honorar zu bezahlen, andere schon. Deshalb macht ja das Nebeneinander beider Beratungsformen auch Sinn.- Sind die europäischen Fonds wegen der Provisionen nicht teurer als die US-Fonds?Ja, aber nicht sehr viel. Die Fonds in den USA weisen zwar niedrigere Gesamtkostenquoten (TER) aus. Doch zahlen die Anleger in den USA zusätzlich für Beratung und Betreuung der Fondsbestände. Wenn man diese Kosten einkalkuliert, liegen die Gesamtkosten von amerikanischen und europäischen Fonds für den Anleger nicht weit auseinander.- Nach der Pleite des Investmenthauses Lehman Brothers sind Provisionszahlungen in die Kritik geraten. Sind diese bei den Fonds intransparent?Bereits durch die Mifid sind die Provisionszahlungen für das Wertpapiergeschäft weitgehend reguliert. Die Provisionen müssen gegenüber dem Kunden offengelegt werden. Investmentfonds sind transparenter als beispielsweise Zertifikate, Versicherungen und Bausparverträge. Das ist schön, verzerrt aber den Wettbewerb und nützt dem Verbraucher nicht wirklich, denn er kann die Finanzprodukte kaum miteinander vergleichen. Deshalb brauchen wir die gleichen Transparenzanforderungen an alle Produkte. Offensichtlich hält sich das Interesse der Politik an Vergleichbarkeit jedoch in Grenzen. Sie schafft nicht den großen Wurf. Stattdessen reguliert sie weiter jedes Produkt in seinem Silo und schafft damit ungleiche Wettbewerbsbedingungen.- Was meinen Sie damit?Zum Beispiel sollen die Vorgaben für den Vertrieb von Versicherungen (IMD) an die Mifid-Regeln angeglichen werden. Allerdings will der für die IMD-Reform zuständige deutsche EU-Abgeordnete die Verschärfungen für die Versicherer herausstreichen. Sogar die Pflicht zum ehrlichen und redlichen Handeln im besten Interesse des Kunden will er streichen. Auch auf die Offenlegung von Provisionen sollen die Versicherten verzichten. Originell ist die Begründung zweier EU-Abgeordneter. Kostentransparenz sei ein unnötiges Detail, das den Verbraucher von den wesentlichen Charakteristiken einer Versicherung ablenke.- Warum ist die Bundesregierung eigentlich mit dem Honorarberatungsgesetz der Mifid II zuvorgekommen?Bereits in den vergangenen Jahren ist Deutschland mit nationalen Alleingängen aufgefallen. Denken Sie an die Regulierung des Hochfrequenzhandels und das Verbot von Leerverkäufen. Letztlich führt diese Vorgehensweise nicht zu einer Harmonisierung des Binnenmarktes, sondern zu einer Fragmentierung. Außerdem erhöht es den Umsetzungsaufwand für die betroffenen Marktteilnehmer enorm.- Was passiert, wenn Mifid II kommt?Dann muss das deutsche Gesetz im Zuge der Mifid-Umsetzung wieder geändert werden. Die Folge sind doppelte Kosten. Nach nur kurzer Zeit entstehen abermals Implementierungskosten. Das entwickelt sich zu einem Problem, insbesondere für kleine Anbieter. Die Regulierung der letzten Jahre brachte Kosten im dreistelligen Millionenbereich, die Anbieter und zum Teil auch Verbraucher tragen müssen. Wenn allerdings Finanzdienstleister die Regulierer auf diesen Punkt hinweisen, blitzen sie regelmäßig ab. Die Antwort erfolgt nach dem Motto: Die Finanzkrise hat dem Steuerzahler unvorstellbare Kosten verursacht, also kommt uns nicht mit Kosten. Dass Fondsgesellschaften beispielsweise für die Krise nicht verantwortlich waren, spielt keine Rolle. Ignoriert wird auch, dass am Ende der Verbraucher die Zeche mitbezahlt, obwohl er doch häufig durch die Regulierung geschützt werden soll.—-Das Interview führte Armin Schmitz.