RECHT UND KAPITALMARKT

Keine Vollmacht ohne Beschluss

Geschäften zwischen AG und Vorstand muss der Aufsichtsrat selbst zustimmen

Keine Vollmacht ohne Beschluss

Von Moritz Pöschke *)Dass eine Aktiengesellschaft mit einem ihrer Vorstandsmitglieder einen Vertrag schließt, zum Beispiel einen Kaufvertrag über ein Grundstück oder eine Unternehmensbeteiligung, ist gang und gäbe. Werden marktübliche Konditionen vereinbart und handelt es sich für die AG nicht um ein außergewöhnliches Geschäft, bereitet der Vertragsschluss mit einem Vorstandsmitglied auf den ersten Blick auch keine besonderen Schwierigkeiten. § 112 Aktiengesetz bestimmt: Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft. Doch Vorsicht! Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19. Dezember 2012 (Aktenzeichen 7 U 1711/12) erinnert daran, dass der Teufel auch hier im Detail, oder genauer: im Verfahren, stecken kann.Dem Vorstandsmitglied einer AG gehörte eine Beteiligung an einer GmbH. Diese Beteiligung wollte die AG erwerben. Dazu sollte ein Kaufvertrag zwischen der AG und dem Vorstandsmitglied geschlossen werden. Über die Konditionen bestand im Grundsatz Einvernehmen; allerdings zögerte sich die Einigung über den genauen Preis und die Zahlungsmodalitäten hinaus. Der Aufsichtsrat beschloss daraufhin, dass zwei seiner Mitglieder “zur Unterzeichnung des Vertrags . . . berechtigt” sein sollten. Darüber hinaus unterzeichneten alle Mitglieder des Aufsichtsrats auch noch eine sog. “Vollmachtsurkunde” für den Vertragsabschluss, die sie den beiden Aufsichtsratsmitgliedern übergaben.Nachdem man sich über die verbliebenen offenen Punkte geeinigt hatte, schlossen die beiden Mitglieder des Aufsichtsrats dann den Kaufvertrag im Namen der AG mit dem Vorstandsmitglied. Allerdings: wirksam war dieser Vertragsschluss nach Ansicht des OLG München nicht. Die Richter meinen, dass die beiden “bevollmächtigten” Aufsichtsratsmitglieder die AG nicht wirksam vertreten konnten. Dieses Ergebnis verwundert auf den ersten Blick, es entspricht aber durchaus dem herrschendem Verständnis zur Vertretung der AG in derartigen Konstellationen.Im Normalfall wird die AG durch ihren Vorstand vertreten. In der Regel zeichnen also zwei Vorstandsmitglieder oder ein Vorstandsmitglied und ein Prokurist gemeinsam für die AG. Bei Geschäften zwischen der AG und einzelnen Mitgliedern des Vorstands kann es – das leuchtet unmittelbar ein – dabei aber zu Interessenkonflikten kommen. Um diese ganz generell zu vermeiden, bestimmt das Aktiengesetz, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt (übrigens gilt das auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern). Wie der Aufsichtsrat – der ja eigentlich als Kontrollorgan ausgestaltet ist und bei großen Gesellschaften häufig 20 Mitglieder hat – darüber entscheiden soll, ob ein Vertrag mit einem Vorstandsmitglied geschlossen wird und wer anschließend für die AG zeichnet, sagt das Gesetz nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich.Für die Aufsichtsratspraxis müssen die folgenden Leitlinien beachtet werden: Der Aufsichtsrat muss selbst darüber entscheiden, ob er dem Abschluss eines Geschäfts mit einem Vorstandsmitglied zustimmt. Diese Entscheidung trifft der Aufsichtsrat durch Beschluss, der grundsätzlich vom Gesamtaufsichtsrat (Plenum) gefasst werden muss. Aufgrund seiner Organisationshoheit kann der Aufsichtsrat die Beschlussfassung in den meisten Fällen auch auf einen Ausschuss übertragen, nicht jedoch auf einzelne Aufsichtsratsmitglieder (auch nicht auf den Vorsitzenden) oder gar auf Dritte. Inhaltlich muss der Zustimmungsbeschluss sich auf ein konkretes Geschäft beziehen, dessen wesentliche Eckpunkte feststehen. Daran fehlte es in dem vom OLG München entschiedenen Fall, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung weder Kaufpreis noch Zahlungsmodalitäten feststanden.Wenn der Aufsichtsrat dem Geschäft zugestimmt hat, muss der Vertrag dann noch für die AG geschlossen werden. Das ist grundsätzlich wiederum Sache des gesamten Aufsichtsrats; er kann aber einzelne seiner Mitglieder, beispielsweise den Vorsitzenden, dazu bevollmächtigen, die Erklärung im Namen des Gesamtaufsichtsrats abzugeben.Bei Lichte besehen zeigt sich also, dass die Erteilung der Vollmacht in dem vom OLG München entschiedenen Fall durchaus zulässig war. Die bevollmächtigen Mitglieder des Aufsichtsrats konnten die AG nur deshalb nicht wirksam vertreten, weil es an einem zustimmenden Beschluss des Aufsichtsrats zum (hinreichend konkretisierten) Geschäft selbst fehlte. Die Trennung zwischen Zustimmung zum Geschäft und Erteilung der Vollmacht erscheint zwar praxisfern. Solange der Gesetzgeber nicht handelt oder der Bundesgerichtshof im laufenden Revisionsverfahren ein abweichendes Grundsatzurteil fällt, wird man sich aber mit der Rechtsauffassung des OLG arrangieren müssen: Für Aufsichtsräte bedeutet das, dass sie die Trennung zwischen Zustimmung und Vollmachterteilung penibel beachten sollten. Auf der anderen Seite müssen Vorstandsmitglieder sich immer auch über die interne Beschlusslage des Aufsichtsrats informieren, wenn sie Geschäfte mit der Gesellschaft tätigen; selbst auf eine von allen Aufsichtsratsmitgliedern unterzeichnete Vollmachtsurkunde allein können sie sich nicht verlassen.—-*) Dr. Moritz Pöschke ist Senior Associate bei Clifford Chance in Düsseldorf.