Finanzen persönlich

Kennzahl macht Risikobereitschaft transparent

Mit Value at Risk lässt sich ein Portfolio nach den Anlegerpräferenzen modellieren

Kennzahl macht Risikobereitschaft transparent

Von Horst Schneider *) Die morgendliche Zeitungslektüre treibt derzeit Anlegern bereits beim Kaffee Sorgenfalten auf die Stirn. Seit Ausbruch der Subprime-Krise hat die Schwankungsfreudigkeit der Märkte extrem zugenommen. Ausgelöst durch Sonderereignisse wie die Machenschaften um den französischen Aktienhändler Jérome Kerviel, dessen Future-Positionen im Januar 2008 zwangsweise liquidiert wurden, rutschte selbst ein breiter Index wie der Dax an einem Tag um über 7 % ab. Risiko abschätzenAus einer langfristigen Perspektive mag dies alles eines Tages unspektakulärer erscheinen als heute. Märkte erholen sich auch wieder. Doch tut jeder Anleger gut daran, das Risiko seines Portfolios abschätzen zu können. Denn wie der kundige Investor weiß, hängen erwartete Rendite und Risiko untrennbar zusammen. Die moderne Portfoliotheorie, die zur Diversifikation von Assetklassen rät, um Risiko und Rendite zu optimieren, hat bereits in viele Depots Einzug gehalten. Und auch mit Risikokennzahlen wie Volatilität kennen sich inzwischen viele Anleger ganz gut aus und beachten diese.Die Bedeutung eines durchdachten Risikomanagements zeigt folgendes Beispiel: Ein Anleger verfügt über ein Depot mit Wertpapieren im Wert von mehr als 200 000 Euro, das aus einem Teil Anleihen und Anleihenfonds sowie einem Teil Aktien und Aktienfonds besteht. Der konservative Anleger ist bereit, maximal 10 % seines Depotwertes im Jahr zu riskieren. Gleichzeitig möchte er sich aber die Chancen an den Märkten nicht entgehen lassen, also eine möglichst hohe Rendite erzielen. Somit ist der Anleger nicht risikoavers, sondern verlustavers. Verluste sind für ihn schlimmer als entgangene Gewinne. Neben den traditionellen Risikomaßen Varianz, Volatilität und Sharpe Ratio gibt es eine Maßzahl, die genau diese Verlustaversion berücksichtigt: Value at Risk (VaR). Der VaR eines Portfolios gibt den möglichen absoluten Verlust eines Portfolios wieder, der innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes mit einer zuvor definierten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Die Risikobereitschaft des Anlegers kann damit auf eine Kenngröße reduziert und wesentlich greifbarer gemacht werden. Zwei große BlöckeAm einfachsten lässt sich der Zusammenhang an einem Depot beschreiben, das lediglich aus zwei großen Blöcken besteht. Die erste Anlageklasse beinhaltet Anleihen und lässt den Schluss zu, dass die jährliche erwartete Rendite bei 6 % liegt. Die erwartete Schwankungsanfälligkeit dieses Depotbestandteiles, gemessen als Volatilität, liegt bei 5 %. Anders sieht es bei dem zweiten, dem aktienorientierten Depotbaustein aus: Hier ist eine jährliche durchschnittliche Rendite von 9 % zu erwarten. Dafür liegt die angenommene Volatilität aber auch bei 17 %. Kombination wählenNun stellt sich die Frage, in welchen Anteilen der sicherheitsorientierte und der chancenorientierte Baustein zu kombinieren sind, um der Zielvorgabe des Anlegers am nächsten zu kommen. Die Tabelle unten zeigt unterschiedliche Mischungen der Portfoliobausteine. Die erwarteten Renditen schwanken von 6 % (nur Anleihen) bis zu 9 % (nur Aktien). Für den VaR sind zwei Spalten zu erklären, die sich nur in der Sicherheitswahrscheinlichkeit der Einhaltung der Verlustgrenze unterscheiden, eben 95 % oder 99 %. Da der Anleger im Beispielfall mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ausschließen will, mehr als 20 000 Euro im Jahr zu verlieren, wird das sogenannte Konfidenzniveau von 99 % betrachtet. Bei einer Mischung von 80 % Anleihen und 20 % Aktien liegt für ihn das “sichere” Depot. Denn hier liegt der VaR für ein Jahr bei – 9,74 %, gerundet also bei den 10 % maximaler Verlusttoleranz. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % kann der Anleger erwarten, dass er bei diesem Depot keinen größeren Verlust als 19 480 Euro im Jahr erleidet. Gleichzeitig beträgt die zu erwartende jährliche Gesamtrendite des Depots 6,6 %. Bei dem gegebenen Konfidenzniveau von 99 % kann der Investor also trotz seiner ausgeprägten Verlustaversion einen gewissen Anteil seines Vermögens in die risikoreichere Anlageklasse mit den höheren Renditeerwartungen stecken.Mit dem Value-at-Risk-Ansatz werden sich in Zukunft Kunden und Vermögensberater mehr beschäftigen. Neben seinen ureigenen Vorzügen hat auch der Gesetzgeber dazu beigetragen. Denn mit der Einführung der Finanzmarktrichtlinie MiFid rückt eine an der Risikobereitschaft orientierte Beratung stärker ins Rampenlicht. Grenzen des AnsatzesNatürlich hat auch der VaR seine Grenzen. So darf keinesfalls das Gefühl einer hundertprozentigen Sicherheit suggeriert werden. Der VaR ist keine garantierte Verlustobergrenze, sondern vielmehr eine statistische Größe, nach der definitionsgemäß höhere Verluste nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit auftreten. Aber richtig interpretiert kann der VaR entscheidend dazu beitragen, ein Depot noch genauer zu steuern als bisher.*) Horst Schneider ist Leiter Vermögensmanagement beim Finanz- und Vermögensberater MLP.