Finanzen persönlich

Kerninvestments noch in diesem Jahr

Insbesondere langfristige Anlagen profitieren vom Bestandsschutz

Kerninvestments noch in diesem Jahr

Von Ulrich Stephan *) In den vergangenen Monaten gab es für Anleger oftmals nur ein Thema. Die turbulente Situation an den weltweiten Märkten band die volle Aufmerksamkeit von Privatpersonen ebenso wie von vielen professionellen Beratern. In den Hintergrund trat dabei fast vollständig die Beschäftigung mit einem Ereignis, das ganz planmäßig umfassende Auswirkungen auf die Kapitalerträge von Privatanlegern haben wird: Am 1. Januar 2009 tritt die Abgeltungsteuer in Kraft.Wo bislang unterschiedliche Regelungen galten, erfasst der Gesetzgeber nun alle privaten Kapitalerträge mit einem einheitlichen Steuersatz. Egal ob es sich um Dividenden, Zinsen oder Kursgewinne handelt, fallen ab dem neuen Jahr 25 % Abgeltungsteuer an. Darauf werden noch 5,5 % Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer erhoben. Ein Versprechen der neuen Regelung: Damit ist die Steuerpflicht abgegolten – der Gang zum Finanzamt soll im Regelfall nicht notwendig sein. Wirklichkeit sieht anders ausDie Wirklichkeit wird voraussichtlich anders aussehen. Während die Abgeltungsteuer und der Solidaritätszuschlag direkt von der Bank abgezogen werden, hat der Privatanleger bei der Kirchensteuer ein Wahlrecht. Diese kann er auch erst mit seiner Jahressteuererklärung gesammelt auf alle im Vorjahr angefallene Kapitalerträge entrichten. Der Charme dieses Vorgehens: Der Anleger sichert sich einen Liquiditätsvorteil im Vergleich zur direkten Belastung nach einer Kapitaleinkunft. Durch diverse Sonderkonstellationen im Wertpapiergeschäft müssen vor allem Kunden mit Investmentfonds auch weiterhin nahezu ausnahmslos in die persönliche Veranlagung. Kapitalanlagen im Ausland und deren Erträge sind zu deklarieren. Eine Steuererklärung ist darüber hinaus notwendig, wenn der Freistellungsauftrag (Sparerpauschbetrag) auf verschiedene Banken aufgeteilt und nicht vollständig ausgeschöpft wurde.Der markanteste Wechsel für Anleger in Aktien und Fonds: Auf Kursgewinne, die mit ab 2009 erworbenen Wertpapieren erzielt werden, ist ohne Ausnahme Abgeltungsteuer zu entrichten. Die bisher gültige Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne nach der einjährigen Spekulationsfrist wird ersatzlos gestrichen.Nicht zuletzt diese Änderung sollte für den Privatanleger Anlass sein, sich noch vor Jahresfrist mit Plänen zu grundlegenden, langfristigen Investments zu beschäftigen. Denn die Abgeltungsteuer legt eine strategische Antwort nahe: die Depotstruktur kann in Kerninvestments mit langfristiger Haltedauer und solche Anlagen unterschieden werden, mit denen der Anleger auch kurzfristig die Renditechancen von Trends nutzt.Viele Anleger sehen die aktuelle Marktsituation skeptisch und scheuen vor neuen Engagements zurück. Wertpapieranlagen in Aktien bieten jedoch weiterhin gerade auf langfristige Sicht die Chance auf eine attraktive Rendite. Mit zunehmender Haltedauer verliert der Einstiegszeitpunkt an Gewicht. Für ein Kerninvestment empfiehlt sich, auf Diversifikation zu achten. Daher sind z. B. breit gestreute Aktien-Welt-Fonds Einzelwerten vorzuziehen. Alternativ kommt auch eine Lösung wie eine Vermögensverwaltung in Frage, innerhalb deren das Management auf eine Vielzahl von Anlageklassen, wie z. B. auch Rohstoffe und Derivate, zurückgreifen kann.Die Bedeutung des Kerninvestments noch in 2008 zeigt unser Beispiel: Wenige Tage Unterschied beim Investitionszeitpunkt können eine starke Einbuße bei der zu erwartenden Rendite bedeuten. Investiert ein Anleger noch in diesem Jahr 100 000 Euro langfristig in einen Aktienfonds und unterstellt man bei einer Laufzeit von 20 Jahren eine jährliche Wertsteigerung von 6 %, kann er nach der bislang gültigen Regelung am Ende einen Betrag von 311 372 Euro vereinnahmen. Wartet er mit dem Investment hingegen noch ab und tätigt es nach dem Jahreswechsel, “kostet” ihn dies – ceteris paribus – die stattliche Summe von 55 749 Euro. Dieser Betrag wird mit der Gewinnrealisierung durch die Abgeltungsteuer und den Solidarzuschlag vom Staat vereinnahmt (die Kirchensteuer bleibt hier unberücksichtigt). Im Rahmen einer strategischen Depotaufteilung können solche Kerninvestments um kurz- bis mittelfristige Wertpapieranlagen ergänzt werden. Die Chancen, etwa von Themen und Trends, neuen Ländern und Regionen zu profitieren, erfahren durch die Abgeltungsteuer eine (zumindest psychologische) Erleichterung, weil bei Investments ab 2009 eine kurze Haltedauer nicht mehr durch eine abweichende Steuerregelung benachteiligt wird. Verluste vortragenSich strategisch auf die Abgeltungsteuer einzustellen kann auch heißen, Verluste mit noch vor 2009 gekauften Wertpapieren zu realisieren, die man weniger als zwölf Monate hält und die keine Aussicht auf nachhaltige Kurserholung versprechen. Das erzielte Minus kann vorgetragen und bis 2013 mit Kursgewinnen verrechnet werden. Voraussetzung: Die Verluste müssen in einem Steuerbescheid festgestellt werden. Für realisierte Kursverluste mit Papieren, die erst ab 2009 gekauft wurden, gilt sogar, dass sich diese mit Dividenden und Zinsen verrechnen lassen.Wichtig: Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen zwei Verlustarten, denen aus Aktien und denen aus sonstigen Investments. Hintergrund ist die mit Einführung der Abgeltungsteuer wirksame Regelung, dass Kursverluste aus Aktien nur mit Kursgewinnen aus Aktien verrechnet werden dürfen. *) Der Autor ist Leiter des Private Banking im Bereich Privat- und Geschäftskunden (PBC) der Deutschen Bank.