Immobilien

Konzerne halten Backsteinbesitz die Treue

Deutsche Unternehmen hängen im internationalen Vergleich zu sehr am teuren Immobilien-Eigentum

Konzerne halten Backsteinbesitz die Treue

Von Christoph Ruhkamp, FrankfurtHalbherzig strebt der Stromkonzern Eon nun schon seit einem Jahr den Verkauf seiner Immobilientochter Viterra an – bisher ohne Erfolg. Die Düsseldorfer sind indes kein Einzelfall: Deutsche Großunternehmen halten ihrem Backsteinbesitz im internationalen Vergleich zu stark die Treue. Dadurch werden rund 10 % des bilanziellen Kapitals gebunden, das für Investitionen im Kerngeschäft fehlt. Das geht aus einer Studie des Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft hervor. Bis zu 15 Prozent der KostenBei deutschen Konzernen macht demnach der Aufwand für Immobilien mit einem Anteil von bis zu 15 % hinter den Personalkosten den zweithöchsten Anteil an den Gesamtkosten aus. Hierzulande befinden sich 60 % der von den befragten Großunternehmen genutzten Immobilien in deren Eigentum – vor fünf Jahren waren es sogar drei Viertel. In Großbritannien dagegen liegt der Anteil bei 40 % und in den USA bei 30 %.Befragt wurden 148 deutsche Großunternehmen, darunter alle Dax-Mitglieder, mit jeweils mehr als 8 000 Mitarbeitern und einem Immobilienvermögen von 80 Mrd. Euro. Finanziert hat die Studie der Immobilienverbund Property Partners, ein Netzwerk von Beratern. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem die Düsseldorfer Trombello Kölbel Immobilienconsulting, die Frankfurter Schön & Lopez Schmitt und die Hamburger Grossmann & Berger.”Obwohl den Immobilien mehr Beachtung geschenkt wird, um Kapital freizusetzen, werden die Optimierungspotenziale unzureichend ausgeschöpft”, meint Andreas Pfnür, Professor an der Uni Darmstadt und Mitautor der Studie. Als Grund dafür würden Immobilienmanager die geringe Marktfähigkeit der Objekte nennen, hätten aber meist keine klar definierte Strategie. Primäres Ziel sei die Kostenreduzierung, so Pfnür.Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für verhinderte Verkäufe nicht nur die Marktsituation verantwortlich ist. Vielmehr zeigt sich, dass die Immobilien oft an für die Unternehmen strategisch wichtigen Standorten stehen. Außerdem gebe es auch für marktfähige Objekte eine zu geringe Nachfrage, wurde beklagt – und teils zu schnell und ohne Rücksicht auf Preisabschläge veräußert. Nicht zuletzt behalten Unternehmen nicht notwendiges Immobilienvermögen nur, weil sie Einkünfte aus Vermietung erhalten.Wenn Unternehmen über Desinvestments nachdenken, fassen sie die Sache oft dilettantisch an: “Dabei müsste das Thema eigentlich Chefsache sein”, sagt Ignaz Trombello. Der Gesellschafter des Düsseldorfer Beratungshauses Trombello Kölbel Immobilien nennt als positive Gegenbeispiele die Deutsche Bank und die Deutsche Telekom, die sich mit dem strategischen Ziel einer künftig flexibleren Nutzung von ihren Immobilien trennten. Die Telekom holte sich das dazu nötige Fachwissen über ein Joint Venture – die Sireo – mit Morgan Stanley und der Corpus-Gruppe ins Haus.Wie sehr die Unternehmen an ihrem Backsteinbesitz kleben, hängt indes auch von der Nutzungsart ab. Laut Studie ist die Anmietung bei Handelsimmobilien bereits am gängigsten. Produktionsstätten dagegen sind fast immer im Eigentum des Unternehmens, das sie nutzt. Allerdings will die Mehrzahl der Befragten die Immobilienbestände um rund 30 % verkleinern. Bisher haben sie erst die Hälfte der beabsichtigten Vermarktung realisiert. Enormer PreisdruckNach Ansicht der Autoren der Studie wird diese Entwicklung einen “enormen Preisdruck” ausüben. Bis 2010 sei mit mindestens 50 Mrd. Euro Desinvestments an Unternehmensimmobilien zu rechnen. “Deshalb ist es günstiger, bald zu verkaufen. Wer länger wartet, erzielt schlechtere Preise”, sagt Trombello.Laut Studie steht häufig allein die Eventualität einer Wertsteigerung der Immobilien einer Veräußerung im Wege. Als “Betongold” oder “stille Reserve” wird die Besitzstandswahrung betrachtet. “Wenn die Unternehmen jedoch den wahren Wert ihrer Immobilien kennen würden, wären sie in vielen Fällen erschreckt. Stille Reserven erweisen sich oft als stille Lasten, weil Instandhaltungsinvestitionen versäumt wurden”, warnt Trombello.So wird laut der Studie oft von falschen Verkehrswerten für das Eigentum ausgegangen. Die ermittelten Werte seien überwiegend veraltet. Gleichzeitig wollten die Inhaber möglichst den Buchwert erzielen und die Verfügungsrechte behalten. Außerdem sei die Vermarktung meist zu stark auf Einzelobjekte konzentriert, und die Aktivitäten fokussierten sich auf zu wenige Immobilieninvestoren.Nur 40 % der befragten Unternehmen haben Paketvermarktungen durchgeführt. Fondskonstruktionen, Verbriefungen oder den Verkauf von Kapitalanteilen nutzten nur 10 %. Jedes dritte Unternehmen glaubt, dass es diese Instrumente nicht gebrauchen kann. Die größte Mühe gilt dagegen der Auswahl der zu verkaufenden Objekte. Nach Ansicht der Autoren der Studie können methodische Probleme bei der Bewertung der betriebswirtschaftlichen Kosten und Nutzen die damit betrauten Personen dazu verleiten, Immobilienentscheidungen zum eigenen Nutzen zu treffen. Steuerungsmechanismen wie Marktpreissysteme verlören so an Wirkung. Deshalb müsse die Unternehmensführung Strukturen schaffen, die das personelle Missmanagement verhindern.Das Problem ist, dass die mit dem Verkauf von Immobilien betrauten Personen gleichsam an ihrem eigenen Stuhl sägen müssen; sie bringen ihren Job in Gefahr. “Die Arbeit würde effizienter vonstatten gehen, wenn man die Vermarktungseinheiten klar vom übrigen Unternehmen abgrenzte”, empfiehlt Trombello.