Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus Eyber

"Korruption kann sich nicht jeder leisten"

Mittelstand ist Geschädigter - Unternehmen sollten zunächst eigene Ermittlungsmöglichkeiten nutzen

"Korruption kann sich nicht jeder leisten"

– Herr Dr. Eyber, Korruption in der Wirtschaft schlägt derzeit hohe Wellen, alle wollen sich dagegen wappnen. Aber ist es wirklich so, dass das Thema in Unternehmen offen angegangen wird?Das ist immer noch eher die Ausnahme – also selten oder gar nicht. Korruption ist und bleibt in jeder Hinsicht ein heißes Eisen. – Woran liegt das?Zunächst sind Korruptionsfälle weitaus vielschichtiger und facettenreicher als ein einfacher “A besticht B”-Vorgang. Der Bestechende geht davon aus, für sein Unternehmen etwas Gutes zu tun, indem er Aufträge sichert. Der Bestechungsempfänger sieht sich in der Rolle von jemandem, der nur ein Geschenk annimmt, dadurch aber niemanden schädigt. Der zweite Grund ist die Grauzone zwischen zulässiger Kundenbetreuung und Korruption; wo fängt’s an, wo hört’s auf. Eine Einladung zu einem Geschäftsessen ist sicherlich unproblematisch, wie aber bei Wochenendurlauben, Gutscheinen und Geschenken? Schließlich sind auch die rechtlichen Auswirkungen von Korruption sehr komplex und können selbst eine solide Unternehmensführung oder Rechtsabteilung schnell überfordern. Nicht jeder beherrscht auf Anhieb perfekt Steuerrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht und Schadensrecht. Dort werden Korruptionsfälle aber gerade behandelt. – Schadensrecht, inwiefern? Korruption bedeutet doch zunächst einen erheblichen Imageschaden?Das ist richtig. Der Imageschaden von Unternehmen, die bestochen haben oder Mitarbeiter haben, die bestochen wurden, ist enorm. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere ist, dass Bestechungen zur Erzielung von Aufträgen immer auch einen echten wirtschaftlichen Schaden bedeuten. Korruptionsfälle sind Schadensfälle. – Wer wird denn letztlich geschädigt?Der Kunde. Wenn ein Lieferant beispielsweise die Einkaufsleitung seines Kunden mit großzügigen “Zuwendungen” – das ist der Rechtsbegriff – bedacht hat, will er doch nichts verschenken. Der Wert der Zuwendungen – und hier kann es sich um Millionen handeln – wird in den Preis der Leistung eingerechnet, und der wird dann von dem Kunden, der nichts von den Bestechungsvorgängen weiß, bezahlt. – Heißt das, ein Unternehmen zahlt letztlich die Bestechungsgelder für seine eigenen Mitarbeiter?Das ist genau die Überlegung, der sich ein Unternehmen stellen muss, das von der Bestechlichkeit eigener Mitarbeiter erfahren hat. – Was können die Kunden, die die Zeche derart bezahlt haben, tun? Schadenersatz in Höhe des Wertes der Zuwendung verlangen. Dabei hat das geschädigte Unternehmen zwei Anspruchsgegner: einmal natürlich den eigenen Mitarbeiter. Dort wird aber in der Regel nicht (mehr) viel zu holen sein. Wurde die Zuwendung korrekt versteuert und wird der Empfänger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, bereiten entsprechende Rechtsstreitigkeiten erfahrungsgemäß wenig Freude. Bleibt also noch der Lieferant, der den Mitarbeiter bestochen hat und dessen Rechnung durch das geschädigte Unternehmen bezahlt worden ist. – Ist es nicht unglaublich schwierig in so einem Fall nachzuweisen, dass man über den Preis tatsächlich die “Zuwendung” selber bezahlt hat?Genau hier hilft die Rechtsprechung. Zugunsten des Beschädigten gilt eine Beweislastumkehr, d. h., der bestechende Lieferant muss nachweisen, dass er die Zuwendung nicht in den Preis eingerechnet hat. Das ist nicht einfach und erhöht die Bereitschaft, sich außergerichtlich zu einigen, unter Umständen erheblich. – Sollten Unternehmen, die einen konkreten Bestechungsverdacht hegen, sich umgehend an die Staatsanwaltschaft wenden?Die Staatsanwaltschaft ist ein unabhängiger Ermittler in staatlichem Auftrag. Sie arbeitet nicht für das betroffene Unternehmen und ist auch nicht für das Thema Schadenersatz zuständig. Wenn es aber genau darum geht, nutzt einem die Bestrafung der Täter, also der Personen, die gegeben und genommen haben, eigentlich nicht viel. Ein Unternehmen sollte daher zunächst einmal alle eigenen Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen und dann entscheiden, was es eigentlich will. Die Staatsanwaltschaft kann da helfen, wo eigene Ermittlungsmöglichkeiten enden und Schadenersatz nicht das primäre Ziel ist. – Gehen wir mal auf die andere Seite – also Unternehmen, die bestochen haben. Handelt es sich hierbei um ein punktuelles oder wenigstens branchenspezifisches Phänomen? Ganz klar nein. Korruption ist völlig branchenunabhängig und tritt national, europaweit und international auf. Bei Regierungsaufträgen ebenso wie in der Privatwirtschaft. – Wie läuft so ein Vorgang in der Praxis: werden Bestechungsempfänger aus “schwarzen Kassen” bedient?Bei hochvolumigen Zuwendungen, die noch dazu über einen längeren Zeitraum vergeben werden, gibt es keine “schwarzen Kassen”. Entsprechende Mittel sind geplant und budgetiert und nicht das Produkt von zufälligen Barmittel-Ansammlungen. – Und wie kommt dann die “Zuwendung” zum Empfänger?Den sprichwörtlichen Lederkoffer mit Bargeld mag es vereinzelt noch geben, im Grunde ist er aber “out”. Korruption erfolgt heutzutage über die Abrechnung angeblich erbrachter Leistungen, also sog. “Scheinrechnungen”, oder über Sachzuwendungen, die als Materialverbrauch keinen spezifischen Buchungsposten in der GuV haben. – Über die betriebswirtschaftliche Seite hat Korruption auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Wer ist da geschädigt? Ob nun Zuwendungen in den Preis eingerechnet werden oder nicht – Korruption kann sich nicht jeder leisten, und nicht jeder hat die Organisation und Logistik, die Vorgänge langfristig zu verschleiern. Typischerweise geschädigt ist daher der Mittelstand, der so aus dem Wettbewerb verdrängt wird, zu Großzügigkeiten der hier in Rede stehenden Art aber nicht bereit oder nicht in der Lage ist. Korruption ist insoweit auch und vor allem Wettbewerbsverzerrung. Dr. Klaus Eyber ist Rechtsanwalt bei Kaye Scholer in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.