Liberalisierung des indischen Marktes für Rechtsberatung steht noch aus
Im Dezember 2009 hat der Bombay High Court entschieden (Writ Petition No. 1526 of 1995), dass die Mitte der neunziger Jahre vereinzelt erteilte Zulassung ausländischer Anwaltskanzleien in Indien unrechtmäßig war. Ausländische Anwälte dürfen auch dann nicht zugelassen werden, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht vor indischen Gerichten auftreten. Damit hat sich die Hoffnung auf eine Liberalisierung des indischen Marktes für Rechtsberatung vorerst zerschlagen.- Herr Dr. Ulmer, welchen Hintergrund hat die Entscheidung des Bombay High Court?Der indische Markt ist selbstverständlich auch für Anwaltskanzleien interessant. Mitte der neunziger Jahre haben deshalb einige internationale Kanzleien eine nur kurzzeitig bestehende Möglichkeit genutzt und von der Reserve Bank of India die Genehmigung erhalten, eine Repräsentanz zu eröffnen. In diesen Büros boten sie ausschließlich außergerichtliche Rechtsberatung an. Dagegen hat die indische Anwaltsvereinigung Lawyers Collective bereits im Jahr 1995 geklagt. Der Bombay High Court hat jetzt entschieden, dass zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Rechtsberatung nicht zu unterscheiden ist. Da ausländische Kanzleien nach dem indischen Advocates Act 1961 nicht zugelassen werden können, ist ihnen die Rechtsberatung in Indien grundsätzlich nicht gestattet.- Was bedeutet die Entscheidung für deutsche Unternehmen, die in Indien tätig sind oder tätig werden wollen?Die Unternehmen sind bei der Auswahl ihrer Rechtsberater für Projekte in Indien weiter eingeschränkt. Sie können sich nicht durch die ihnen vertrauten Anwälte beraten lassen, sondern sind auf die Zusammenarbeit mit einer indischen Kanzlei angewiesen. Viele indische Kanzleien sind jedoch anders strukturiert, als international tätige Unternehmen es kennen und erwarten. Sie haben häufig nur sehr wenige Partner, die zudem zur Familie des oftmals noch dominierenden Kanzleigründers gehören. Deren zeitliche Verfügbarkeit für den einzelnen Mandanten ist naturgemäß stark eingeschränkt. Das Service-Element der angebotenen Rechtsberatung wird nicht selten als unzureichend beschrieben.- Welche Alternativen bieten sich deutschen Unternehmen?Um dem Beratungsbedarf international tätiger Unternehmen in Indien gerecht zu werden, haben sich verschiedene Ansätze herausgebildet. Überwiegend wird mit sogenannten India Desks gearbeitet. Bei dieser Behelfskonstruktion beraten indisch qualifizierte Anwälte aus Standorten wie London oder Singapur zu Transaktionen in Indien und zum indischen Recht.- Und es gibt auch Partnerschaften?Ja, wie sie Allen & Overy mit Trilegal eingegangen ist, einer vor wenigen Jahren bewusst nach internationalem Vorbild gegründeten und geführten indischen Kanzlei. Im Rahmen einer solchen dauerhaften Zusammenarbeit und durch den intensiven Austausch von Know-how entstehen eingespielte Teams aus beiden Partner-Kanzleien. Das hat für deutsche Unternehmen den Vorteil, dass sie weiter mit den ihnen bekannten Anwälten arbeiten können. Sie erhalten so die gewohnte Beratungsqualität und den bekannten Service auch bei ihren Aktivitäten in Indien. Kulturelle Unterschiede fallen bei einem derart eingespielten Team nicht ins Gewicht. Dieses Angebot findet Zuspruch.- Welche weiteren Entwicklungen sind nach der Entscheidung des Bombay High Court zu erwarten?Zunächst steht den an der Entscheidung Beteiligten die nächste Instanz offen. Daneben hat das Gericht die indische Regierung in seiner Entscheidung auf den dringenden, bereits seit langem bestehenden Handlungsbedarf hingewiesen. Vom Premierminister Singh ist bekannt, dass er der Öffnung des allgemein stark regulierten indischen Marktes offen gegenübersteht. Das ist nicht nur für deutsche Unternehmen wichtig.- Sondern?Es liegt auch im Interesse der indischen Anwälte, die selbst erst durch die Einbindung in international tätige Kanzleien angemessene Chancen im internationalen Wettbewerb erhalten. Vorerst jedoch sind die Hoffnungen international agierender Unternehmen und deren Anwälte auf eine baldige Liberalisierung des Marktes für Rechtsberatung in Indien wieder einmal enttäuscht.—-Dr. Michael Ulmer ist Partner bei Allen & Overy. Die Fragen stellte Walther Becker.